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Raum abspielt, sind auch die entsprechenden formellen und informellen Praxen von solchen Änderungen massgeblich betroffen. Wenn im aktuellen BBG, in politischen Verlautbarungen und Stellungnahmen also die «Verbundpartnerschaft» beschworen wird – so lässt sich folgern –, ist damit noch relativ wenig über den realen Einfluss der einzelnen Akteure auf die Ausgestaltung der Berufsbildung gesagt. Daraus ergeben sich Herausforderungen für die gegenwärtige und zukünftige schweizerische Berufsbildung, die im abschliessenden Kapitel skizziert werden.

       Institutionelle Grundregeln schweizerischer Berufsbildungspolitik

      Es sind vor allem drei Grundregeln institutioneller Politik, welche die schweizerische Berufsbildungspolitik konfigurieren und «Verbundpartnerschaft» zu einem Lösungsansatz des Interessenausgleichs machen:

      a. Föderalismus (und Subsidiarität) als politisches Ordnungs- und Vollzugsprinzip;

      b. Korporatismus im Sinne einer traditionell starken Einbindung parastaatlicher Organisationen;

      c. Konkordanzprinzip und Konsensdemokratie.

      Im Gegensatz zur obligatorischen Schule ist für die Berufsbildung in der Schweiz bekanntlich der Bund zuständig; dies gilt seit Inkrafttreten der neuen Bundesverfassung von 1999 mit dem neuen Artikel 63 (Abs. 1) sogar für sämtliche nicht akademischen Berufe (Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft 1999).

      Diese Kompetenzzuweisung geht auf das ausgehende 19. und beginnende 20. Jahrhundert zurück und steht für den historischen Entscheid, die Berufsbildung nicht der Logik des Unterrichtssystems, sondern derjenigen der Arbeitswelt zuzuordnen (Berner et al., 2011). Bestrebungen, das Lehrlingswesen gesamteidgenössisch zu regeln, orientierten sich nämlich während Jahrzehnten an dem Vorhaben, eine schweizerische Gewerbeordnung einzuführen (Berner et al., 2011). Dieses Projekt scheiterte jedoch in der Volksabstimmung von 1894 zunächst an der Ablehnung eines Verfassungsartikels, der dem Bund die entsprechende Gesetzgebungsbefugnis übertragen hätte. 1908 wurde der Gewerbeartikel1 im zweiten Anlauf dann doch angenommen. Die anschliessende Ausarbeitung eines Gesetzes über die berufliche Ausbildung stand noch in dieser Linie der Ereignisse und Entscheidungen (Berner et al., 2011); am Ende waren sich Vertreter aus Politik und Wirtschaft schnell darin einig, statt einer allgemeinen Gewerbeordnung – die Gewerbeschutz, Arbeiterschutz und Lehrlingswesen umfasst hätte – separate Gesetze zu entwerfen und dabei dem Lehrlings- bzw. Berufsbildungsgesetz Priorität einzuräumen. Der Erste Weltkrieg und die anschliessende Rezession liessen dieses Projekt über zwanzig Jahre in Anspruch nehmen.

      (Vollzugs-)Föderalismus

      Trotz der Zuständigkeit des Bundes ist die Berufsbildung aber ein typisches Beispiel für den schweizerischen Vollzugsföderalismus (Germann, 1997); das heisst, der Gesetzesvollzug und die Umsetzung mittels Erlass von Ausführungsbestimmungen und Benennung der zuständigen Behörden liegen in der Berufsbildung – wie dies bei Bundesgesetzen häufig der Fall ist – überwiegend bei den Kantonen. Damit korrespondiert der hohe Allgemeinheitsgrad der Berufsbildungsgesetze auf Bundesebene (Rahmengesetz). Diese Texte enthalten vor allem Delegationsnormen und allgemeine Zielformulierungen, während die Details über Verordnungen, die kantonale Gesetzgebung und im administrativen Vollzug geregelt werden. Bedeutsam im Kontext der Steuerungsfrage ist hierbei, dass Akteure aus dem Bereich der Verwaltung häufig mit der Interpretation, der Implementation und dem Vollzug rechtlicher Normen konfrontiert sind und ihnen somit eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Ausgestaltung und Veränderung von Institutionen zukommt (Mahoney & Thelen, 2010).

      Korporatismus

      Neben der Delegation von Vollzugsaufgaben an die Kantone verbindet sich mit dem Vollzugsföderalismus schweizerischer Ausprägung ein starker Einbezug parastaatlicher Organisationen2 im Bereich öffentlicher Verwaltung (Germann, 1987). In der Schweiz ist neben der Landwirtschaft die Berufsbildung ein typisches Beispiel für parastaatliche Verwaltung – oder, wie Germann (1987) es ausdrückt, für die Amalgamierung des öffentlichen und privaten Sektors. Diese Amalgamierung ist eine gegenseitige und kommt etwa auch darin zum Ausdruck, dass an den regelmässigen Sitzungen der Berufsbildungskommission des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV) stets auch Vertretungen des BBT, der EDK bzw. der Konferenz der kantonalen Berufsbildungsämter (SBBK) sowie der gewerblich-industriellen Berufsschulen teilnehmen (Triponez, 2007). Diese Konstellation geht auf den Einbau korporatistischer Interessen in die Wirtschaftspolitik im ausgehenden 19. Jahrhundert zurück (Gruner, 1959) und fällt also nicht zufällig mit der ersten Phase der institutionellen Ausformung eines schweizerischen Berufsbildungswesens zusammen, in dem die Berufsverbände eine bedeutsame Rolle spielten.

      Konkordanz- bzw. Konsensdemokratie

      Das als drittes genannte Prinzip der Konkordanz respektive des Konsenses (Lehmbruch, 2003) ist keine formelle Verfassungsregel, sondern hat sich über die Zeit als Praxis etabliert. Ziel ist die möglichst breite Abstützung politischer Entscheide durch Herbeiführung eines Konsenses und damit den Einbezug einer Vielzahl von Akteuren (Parteien, Verbände, gesellschaftliche Gruppierungen usw.). Die grosse Bedeutung von Konsultationen und Vernehmlassungen im Gesetzgebungsprozess ist ein Ausdruck dieses Prinzips. Zugleich bergen diese dem Korporatismus und dem Konkordanzprinzip geschuldeten Verfahren die Gefahr, dass Entscheide nicht durch demokratisch legitimierte Institutionen, sondern im vorparlamentarischen Raum wenn nicht getroffen, so doch weitgehend vorstrukturiert werden (Lehner & Widmaier, 2002). Ein weiterer kritischer Punkt betrifft die Schwerfälligkeit von politischen Entscheidungsprozessen, die sich daraus ergibt, und die eher geringe Innovationsfähigkeit dieser Systeme (Lehner & Widmaier, 2002). Mit Bezug auf die Schweiz wird dieses Problem zum Beispiel immer wieder im Zusammenhang mit den Harmonisierungsbestrebungen im Bildungsbereich oder der Europapolitik angeführt.

       Von der Problemdefinition zum neuen BBG

      Institutionelle Regeln und Steuerungsprozesse in der jüngsten Berufsbildungsreform

      Die Berufsbildungsdebatte im Vorfeld der jüngsten Reformen wurde Mitte der 1990er-Jahre auf parlamentarischer Ebene über verschiedene Vorstösse lanciert. Entsprechend erfolgte der «Filterungsprozess», der zu einer konzisen Problemdefinition und schliesslich zur Neuformulierung des BBG 2002 führte, unter der Regie der Bundesbehörden. Dass Initiierung und Verlauf einer Berufsbildungsreform nicht unbedingt auf diese Weise vonstattengehen muss, zeigen die Reforminitiativen im Vorfeld der Gesetzesnovellierung von 1978. Diese gingen zuerst von den kantonalen Berufsbildungsämtern, Spitzenverbänden der Arbeitgeber und Arbeitnehmer und Fachverbänden des beruflichen Unterrichts aus (Schweizerischer Bundesrat, 1977). In der Folge erarbeitete der Schweizerische Gewerkschaftsbund parallel zu der vom Bundesrat eingesetzten Expertenkommission einen alternativen Gesetzesentwurf; zudem ergriff der Gewerkschaftsbund nach Verabschiedung der Vorlage durch das Parlament das Referendum, wenngleich ohne Erfolg. Die Reform der Siebzigerjahre war insgesamt stärker von einem gesellschaftspolitischen Reformimpetus getragen. Die von der Linken und Fachkreisen formulierten Modernisierungs- und Pädagogisierungsforderungen fanden mit der Einführung obligatorischer Kurse für die Ausbilder, Modelllehrgängen, Mitspracherecht der Lehrlinge in Schulfragen, Einführung der Berufsmittelschule usw. zumindest eine teilweise Umsetzung.

      Für die Darstellung der Problemdefinitions-, Entscheidungs- und Umsetzungprozesse anlässlich der jüngsten Berufsbildungsreform bietet sich der Rückgriff auf ein zyklisch-prozedurales Schema an, das folgende fünf Phasen unterscheidet: 1) Problem-(re-)definition, 2) Agenda-Setting, 3) Politikformulierung, 4) Politikumsetzung, 5) Politikevaluation (vgl. Knoepfel et al., 2011).

      In den Achtzigerjahren machte sich ein Rückgang des Lehrstellenangebots und der Zahl abgeschlossener Lehrverträge bemerkbar, ein Abwärtstrend, der in der ersten Hälfte der Neunzigerjahre seinen Tiefpunkt erreichte und zeigte, dass dringender Handlungsbedarf bestand. Unter dem Eindruck der «Lehrstellenkrise» forderten darauf verschiedene parlamentarische Vorstösse eine Revision des Berufsbildungsgesetzes und kurzfristige Massnahmen zur Förderung des Lehrstellenangebots. Einen wichtigen Akteur in dieser Phase stellte die nationalrätliche Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur dar, die die Lehrstellenbeschlüsse I (1997) und II (2000) erarbeitete.

      Stimmen aus Politik und Wirtschaft hatten angesichts der prekären Lehrstellensituation

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