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Jahre 1543, habe ich dann auch zu Mailand über Medizin gelesen, aber schon im folgenden Jahre bin ich, als mein Haus in Mailand einstürzte, nach Pavia gezogen und habe dort Heilkunde doziert; einen Konkurrenten im Lehramt hatte ich zwar nicht, doch wurde mir auch mein Gehalt nicht ausbezahlt. So gab ich denn gegen Ende meines 44. Lebensjahres diese Stellung wieder auf und blieb nun zu Mailand mit meinem ältesten Sohn Giovanni Battista, der damals 11 Jahre alt war; meine Tochter Chiara war 9 und Aldo 2 Jahre alt geworden. Da machte mir im Sommer des Jahres 1546 der Kardinal Morone34 – ich nenne ihn hier, um ihm ein ehrendes Denkmal zu setzen – ein Angebot35 unter nicht zu verachtenden Bedingungen. Aber da ich nun schon einmal, wie ich oben erklärt habe, das ahnungsvolle Wesen einer harpokratischen Natur36 besitze, so sagte ich mir: Der Papst37 ist alt und gebrechlich, eine Mauer, die morgen einstürzen kann – soll ich Sicheres gegen Unsicheres eintauschen? Ich kannte ja auch damals weder die Redlichkeit des Morone, noch die glänzende Freigebigkeit des Farnese. Auch hatte ich seit dem Jahre 1542 die freundschaftliche Zuneigung des Fürsten von Este38 gewonnen, der mir schon einiges an Geld gegeben hatte. Er wollte mir weiteres geben, doch ich nahm nichts an. Vielmehr kehrte ich mit dem Ende des Sommers wieder auf meine Stelle als Dozent in Pavia zurück, und im folgenden Jahr erhielt ich durch Vermittlung des hochberühmten, mir befreundeten Andreas Vesal39 vom König von Dänemark40 die Einladung, mit einem Gehalt von jährlich 800 Kronen in seine Dienste zu treten. Ich lehnte ab, nicht nur wegen der Ungunst des dänischen Klimas – auch hätte meine dortige Lebenshaltung zu großen Aufwand verlangt, sondern vor allem der fremden Religion41 wegen. Ich wäre dort entweder schlecht aufgenommen worden oder aber gezwungen gewesen, mein Vaterland und meine und meiner Ahnen Sitte und Art ganz aufzugeben. Nach vollendetem 50. Lebensjahre blieb ich wieder einige Zeit in Mailand, weil man mir in Pavia mein Gehalt nicht ausbezahlte. Im Februar des Jahres 1552 bot sich mir die Gelegenheit einer Dienstreise nach Schottland42. Ich erhielt vor meiner Abreise aus Italien 500 Kronen französischer Währung und 1200 bei meiner Rückkehr. 311 Tage war ich unterwegs. Ich hätte, wenn ich dort hätte bleiben wollen, eine noch viel größere Summe erhalten können. Von Anfang Januar 1553 bis Anfang Oktober 1559 lebte ich wieder in Mailand. Neue, größere Angebote lehnte ich ab: eines vom französischen König43 deshalb, weil ich fürchtete, die kaiserlich Gesinnten in Mailand vor den Kopf zu stoßen, denn damals wüteten Kriege zwischen beiden Fürsten; ein anderes, das mir gleich nach meiner Rückkehr von Schottland durch Vermittlung des Ferrante Gonzaga44 von dessen Oheim, dem Herzog von Mantua, gemacht wurde; ein drittes endlich, ein weit einträglicheres noch, aber allzu unbestimmtes, das von der Königin von Schottland45 ausging, deren Schwager ich in ärztlicher Behandlung gehabt hatte und die von mir geheilt zu werden hoffte. Bezahlt freilich sollte ich erst werden, wenn die Heilung geglückt wäre.

      Im Jahre 1559 kehrte ich wieder nach Pavia zurück, und hier trat bald darauf das unselige Verhängnis ein, das meinem Sohne Giovanni Battista das Leben kosten sollte. Mein Aufenthalt währte gleichwohl fast bis ins Jahr 1562. Dann folgte ich einem Ruf nach Bologna und setzte dort meine Lehrtätigkeit fort bis ins Jahr 1570. Am 6. Oktober dieses Jahres bin ich eingekerkert worden; man behandelte mich dabei in allem, abgesehen vom Verlust meiner Freiheit, durchaus milde. Am 22. Dezember 1570, am gleichen Wochentag und zur gleichen Tagesstunde, als ich eingekerkert worden war, ließ man mich frei, an einem Freitag, in der abendlichen Dämmerung. Ich bezog wieder mein Haus, wurde aber dort zunächst unter Hausarrest gehalten. Sodass ich, da die Kerkerhaft 77 und der Hausarrest 86 Tage währte, im ganzen 163 Tage in Haft war. Ich blieb noch das Jahr 1571, bis in die letzten Tage des Septembers, in Bologna und habe dort mein 70. Lebensjahr beendet. Dann zog ich nach Rom und kam dort an am 6. Oktober, eben als man den Sieg gegen die Türken46 feierte.

      Und heute ist seit meinem Einzug in Rom das vierte, seit meiner Verhaftung das fünfte Jahr verstrichen. Ich lebe seither hier als Privatmann; doch hat mich am 13. September dieses Jahres das Kollegium der römischen Ärzte in seine Reihen aufgenommen, und der Papst47 zahlt mir eine Pension.

      FÜNFTES KAPITEL

      Gestalt und Aussehen

      Meine Gestalt ist mittelgroß. Meine Füße sind klein, vorn an den Zehen breit und haben einen etwas hochgewölbten Rücken, sodass ich nur mit Mühe passende Schuhe finde und gezwungen bin, mir solche eigens herstellen zu lassen. Meine Brust ist etwas eng. Die Arme sind viel zu dünn, die rechte Hand zu plump und ihre Finger unförmig, woraus die Handwahrsager wohl schließen möchten, dass ich dumm und roh sei. Sie mögen sich dieser ihrer Wissenschaft schämen. In der rechten Hand ist die Lebenslinie48 kurz, die sogenannte Saturninische49 lang und tief. Die linke Hand ist schön, hat längliche, schlanke und wohlgefügte Finger. Meine Nägel sind glänzend. Mein Hals ist etwas zu lang und zu dünn, das Kinn geteilt, die Unterlippe schwülstig und herabhängend. Meine Augen sind klein und fast wie blinzelnd zugedrückt, außer wenn ich einen Gegenstand schärfer beobachte. Auf dem linken Augenlid habe ich ein linsenförmiges Mal, so klein, dass es nicht leicht zu sehen ist. Die Stirn ist breit und an den Seiten, wo die Schläfen anstoßen, von Haaren frei. Haupt- und Barthaare waren früher blond. Den Kopf pflege ich kurz geschoren und den Bart gestutzt zu tragen. Der Letztere ist zweigeteilt wie das Kinn. Unterhalb des Kinns wachsen viel reichlichere und längere Haare, sodass ich dort einen stärkeren Bart tragen könnte. Mit dem Alter hat der Bart die Farbe gewechselt, das Haupthaar nur wenig. Meine Sprechweise ist etwas laut, sodass ich mitunter darob von Leuten getadelt wurde, die sich gern als meine Freunde ausgaben; die Stimme selbst ist rau und stark und wurde gleichwohl in meinen Vorlesungen schon in einiger Entfernung nicht mehr verstanden. Meine Redeweise ist nicht gerade angenehm und viel zu umständlich; mein Blick fest und starr wie der eines Nachdenkenden. Die oberen Vorderzähne sind groß. Meine Hautfarbe ist ein ins Rötliche spielendes Weiß; mein Gesicht länglich, freilich nicht übertrieben. Der Schädel läuft nach hinten stark verengend und in einer Art kleiner Kugelform aus.

      So ist also nichts Besonderes an mir. Und die Maler, deren mehrere aus fremden Gegenden gekommen sind, um mich zu porträtieren, konnten nichts Charakteristisches an mir finden, woran ich im Porträt leicht hätte erkannt werden können. Unten an der Kehle habe ich eine – nicht sehr gut sichtbare – harte, kugelförmige Geschwulst; sie ist von der Mutter vererbt und angeboren.

      SECHSTES KAPITEL

      Von meiner Gesundheit

      Ich hatte viel unter körperlichen Schwächezuständen zu leiden, und zwar handelte es sich dabei sowohl um natürliche Erkrankung als um Unfälle äußerer Art und um bloße krankheitssymptomatische Erscheinungen. Von Natur litt mein Kopf an Katarrhen, die sich bald auf den Magen, bald auf die Brust legten, sodass ich mich immer dann am gesündesten fühle, wenn ich an Husten und Heiserkeit leide. Denn legte sich der Katarrh auf den Magen, so waren Durchfall und Appetitlosigkeit die Folge. Mehr als einmal glaubte ich, Gift zu haben, aber jedesmal kehrte bald und wider alles Erwarten die Gesundheit wieder. Auch die Zähne litten unter diesen Katarrhen, und ich habe auf diese Weise vom Jahre 1563 an rasch hintereinander viele verloren, während mir bis dahin nur einer oder zwei gefehlt hatten. Jetzt habe ich noch 14 gesunde und einen kranken; aber der kann noch lange halten, glaube ich, denn ärztliche Sorge hat viel geholfen. Auch an überladenem und schwachem Magen litt ich viel; und von meinem 72. Lebensjahre an habe ich sofort, wenn ich etwas zu viel oder zu hastig aß oder trank, oder wenn ich etwas meinem Magen wenig Bekömmliches zu mir nahm, Schmerzen gefühlt. Ein Mittel dagegen habe ich im zweiten Teil meines Werkes De tuenda sanitate mitgeteilt. In meiner Jugend hatte ich viel mit Herzklopfen zu tun; es war dies ein Familienerbstück, aber die ärztliche Kunst hat mich ganz davon befreit. Desgleichen litt ich auch an Hämorrhoiden und Podagra, bin aber von diesem Letzteren so gründlich geheilt worden, dass ich oft hätte wünschen mögen, nicht gerade diese Krankheit wiederzubekommen, wohl aber, wenn sie käme, sie wieder vertreiben zu dürfen. Einen Darmbruch, woran ich litt, hatte ich anfangs ganz unbeachtet gelassen; später, von meinem 62. Lebensjahre an, reute es mich, ihn nicht genügend behandelt zu haben, vor allem, als ich merkte, dass er mir vom Vater vererbt war. Dabei ist mir Folgendes ganz Sonderbare begegnet: der Bruch war auf beiden Seiten eingetreten; auf der linken nun, wo ich ihn durchaus vernachlässigte,

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