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greifend gelingt.

      Wenn es um Vertrauen geht, spielen Informationen oder Intuitionen über den anderen eine Rolle, die eher in klassischeren, familiäreren, anfassbaren Dimensionen beschrieben sind. Sie sind hier bei aller Modernität unter dem Begriff »Bodenständigkeit« zusammengefasst. Viele wollen ein Gefühl dafür haben, wie es wäre, den anderen als Hausgenossen, als Sportkamerad, als Partner in einer gemeinsamen Unternehmung oder als Freund zu haben. Sie suchen einzuschätzen, wie er sich zu seiner Herkunft, zu seinen bisherigen Weggefährten, zu seinen Nachfolgern oder zu seinem gegenwärtigen Lebens-milieu stellt, ganz nach dem Motto: »Sage mir, wo du dich beheimatest und für wen du wichtig sein willst und ich sage dir, wer du bist (für mich sein kannst)!« All das ist vielleicht ein indirekter Versuch, einzuschätzen, was man für sich selbst und die gemeinsame Sache vom anderen zu erwarten hat.

      Doch auch für einen selbst kann die Rückbindung an die eigene Herkunft, die Verbundenheit mit dem Lebensumfeld, die Würdigung von allem, was dazu beigetragen hat, was man geworden ist, eine wesentliche Grundlage für professionelle Identität sein. Es ist, als würde die eigene Persönlichkeit von einer Hülle umgeben, die sie stabilisiert und aus dem Hintergrund nährt. Wer würdigt, woher er kommt und wohin er gehört, hat die substanzielle Freiheit, sich in die Zukunft zu bewegen. In vielen Fällen lohnt es, sich mit seinen Wurzeln zu beschäftigen, gerade wenn man sich unterwegs verliert oder ein besonders gutes Fundament für hoch und weit strebende Äste braucht.

      Man kann viele der oben dargestellten Kompetenzen unter dem Begriff »Kulturkompetenz« zusammenfassen. Darunter verstehen wir – pauschal gesprochen –, sich in einer hochwertigen Professions- und Organisationskultur bewegen und sich wohlfühlen zu können. Darüber hinaus bedeutet dies, Vorstellungen zu haben, warum und wie Not leidende Kultur wieder verbessert werden sollte.

      Nimmt man die Sprache als Vergleich, dann ist es schon beeindruckend, wenn jemand eine lebendige, differenzierte, das Wesentliche unterhaltsam fassende Sprache sprechen kann. Andere profitieren davon, wenn sie sich auf die Kultur dieser Sprache einlassen. Kultur steckt an und ist letztlich nur durch Kultur zu vermitteln. Sprachlich Versierte beherrschen ihre Grammatik, ohne die grammatischen Regeln nennen zu können, verstehen die Bedeutungsräume der Worte, ohne sich mit Semantik zu beschäftigen. Will man Sprache nicht nur leben und nutzen, sondern zunehmend bewusst gestalten, anderen beibringen und Sprachkultur pflegen und bewahren, dann kann man sich zusätzlich mit Grammatik, Semantik und anderen Beschreibungsdimensionen für Sprache beschäftigen. Man wird vom versierten Nutzer zusätzlich zum Sprachspezialisten.

      Ähnlich kann man sich das bei Professionskultur und Organisationskultur vorstellen. Kulturkompetenz bedeutet einerseits, kompetent an Kulturen teilnehmen zu können, andererseits die Fähigkeit, Kulturen von einer Metaperspektive aus zu beschreiben und als eigene Dimension zu gestalten.

      Will man die verschiedenen Kompetenzkomponenten miteinander verknüpfen und auf eine Formel bringen, so könnte man definieren:

      Professionelle Kompetenz =

      Rollenkompetenz x Kontextkompetenz x Passung.

      Rollenkompetenz und Kontextkompetenz sind Begriffe aus unserer Theatermetapher (Schmid 2003, Kap. 3.2.2.). Rollenkompetenz meint die Fähigkeit, verschiedene Rollen einzunehmen und kompetent auszugestalten. Kontextkompetenz meint die Fähigkeit, die Aufführungen, in denen die Rollen zu spielen sind, zu begreifen, darin kontextförderlich zu spielen und damit die Gesamtinszenierung zu erleichtern.

      Die multiplikative Verknüpfung weist darauf hin, dass die Gesamtkompetenz durch jeden einzelnen Kompetenzbereich vervielfacht erhöht oder gemindert wird. Die Verbesserung einer schwachen Kompetenzkomponente bringt daher viel mehr als der Ausbau einer starken. Umgekehrt begrenzt eine schwache Komponente die Gesamtkompetenz viel entscheidender als der Blick auf die starken Komponenten vermuten lässt.

      Die Kompetenzformel macht von vornherein deutlich, dass Kompetenz nur begrenzt eine Persönlichkeitseigenschaft ist, sondern viel mit dem Umfeld zu tun hat.

      Kompetenz hat eben auch damit zu tun, welches Rollenrepertoire man kennt bzw. beherrscht (Rollenkompetenz) und damit, ob man sich in Themen, mit Inszenierungen und auf Bühnen auskennt, in denen diese Rollen zu spielen sind (Kontextkompetenz). Darüber hinaus kommt es darauf an, dass die eigene Art, sich in seinem Repertoire auszudrücken und zu bewegen, zu den Anforderungen und Stilen der jeweiligen Umgebungen passt.

      Bei Passung geht es darum, wie der Professionelle zum Unternehmensstil und zur Organisationskultur bzw. zu dem dort vorherrschenden Führungsstil passt. Eine wichtige Passungsdimension ist die Frage, ob die Mitwirkung und die damit verbundene Entwicklungsmöglichkeit der Seele des Professionellen Sinn machen. Manchmal hat sich das Sinnpotenzial so erschöpft, dass die Kompetenz nicht mehr zum Tragen kommt. Es kostet dann immer mehr Kraft, sich dennoch zu motivieren und auch andere spüren, dass das seelische Kraftfeld (Schmid/Hipp 2002) seine gestaltende Wirkung verliert. Wenn solche Stimmigkeiten verloren gehen, organisieren sich die Prozesse durch intuitives Zusammenspiel immer weniger konstruktiv. Dies gilt nicht nur in überschaubaren sozialen Situationen, sondern es geht auch um die Passung zu bestimmten Märkten oder beruflichen Vereinigungen, Milieus, Zeitströmungen etc.

      Allerdings soll hier nicht jeder An-Passung das Wort geredet werden, denn oft lebt eine kreative Zusammenarbeit ja von den irritierenden bis inspirierenden Unterschieden. Auch soll nicht jeder zum professionellen Zehnkämpfer ausgebildet werden und möglichst in allen Disziplinen einen schwarzen Gürtel tragen. Oft ist es gerade die Besonderheit eines Anbieters, eine spezifische Qualität, die sonst nicht leicht zu finden ist, die den Marktwert ausmacht. Aber irgendetwas muss auch passen, sonst kommt ein Zusammenspiel nicht zustande oder eine erste Begeisterung bleibt ein Strohfeuer. In jedem Falle lohnt es sich, die eigenen Profile aus vielen relevanten Perspektiven näher zu studieren und bei Bedarf zu ergänzen.

      Wie leicht zu bemerken ist, sind in der Wieslocher Kompetenzformel die einzelnen Dimensionen nicht allgemeingültig gefüllt oder präzise voneinander unterschieden. Wie bei vielen der ISB-Konzepte geht es nicht um präzise Bestimmungen der bezeichneten Wirklichkeit (zur Unterscheidung von randscharfen und kernprägnanten Definitionen s. Schmid 2004b), sondern um die Errichtung einer Betrachtungsperspektive, die bestimmte Überlegungen nahe legt. Man sollte eher intuitiv verstehen, welche Betrachtungen man mit welchem Konzept anstellen könnte und dann frei sein, dieses auf spezifische Situationen anzupassen.

      Die Kompetenzformel legt so z. B. Wert auf die Frage der Gesamtoptimierung und der Orchestrierung von Kompetenzaspekten. Außerdem transportiert sie die Implikation, dass Kompetenz als Beziehungsphänomen verstanden werden sollte. Kompetenz im Markt ist die vom Markt erkannte und positiv beantwortete Kompetenz. Als Konsequenz liegt auf der Hand, dass die jeweiligen Systeme, auf die bezogen über Kompetenz nachgedacht wird, von vornherein einbezogen werden.

      Auch gilt, dass nicht alle Dimensionen gleichzeitig berücksichtigt werden können. Dies würde zu Erklärungssystemen führen, die für den praktischen Umgang zu kompliziert wären. Daher werden Dimensionen von Kompetenz im Folgenden hintereinander erläutert.

      In Fragen der Professionalität ist heute eine gewisse marktwirtschaftliche jeweiligen angesagt. Anders kann man als nicht subventionierter privater Marktteilnehmer auch nicht bestehen. Ohne ein Verständnis von Marktwirtschaft und Unternehmertum wären Professionelle auch zu weit von Organisationen und Unternehmen, denen sie ihre Dienste anbieten, entfernt. Dennoch kann gleichzeitig der Mensch mit seinen existenziellen Fragen der Lebensgestaltung im Vordergrund stehen und beide Anliegen können miteinander verbunden werden.

      Viele Menschen sind mehr als früher mit ihrer persönlichen Entwicklung beschäftigt, also mit den Lebensprozessen, über die sie die einzigartige Persönlichkeit verwirklichen können, die in ihnen steckt. Diesen Prozess und Entwicklungsweg nennt die Jung’sche Psychologie Individuation. Soweit sich Individuation auf die Welt der Berufe und der Organisationen bezieht,

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