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      Wer auf eine langfristige Zugehörigkeit zu einem Unternehmen oder einer sonstigen Organisation setzt, ist derzeit schlecht beraten. Und es ist fraglich, ob man mit der alleinigen Verantwortung des arbeitgebenden Unternehmens, für eine nachhaltige berufliche Entwicklung seiner Mitarbeiter gesorgt hat. Selbst wenn sich bei einzelnen Arbeitgebern entsprechende Haltungen zeigen, muss man zumindest bei kapitalmarktgesteuerten Unternehmen zweifeln, ob solche Haltungen zur Geltung kommen und ob die Partner solcher Verabredungen überhaupt noch im Amt sind, wenn es darauf ankommt.

      Deshalb sollte man in jedem Fall selbst dafür sorgen, dass man eine berufliche Identität unabhängig von aktuellen Beschäftigungsverhältnissen entwickelt, durch angemessene Qualifikationen die eigene Arbeitsmarkttauglichkeit herstellt und durch Anpassungen auf dem Laufenden hält. Zudem nehmen die Zugehörigkeiten zu Organisationen immer öfter Eigenschaften freiberuflicher Beziehungsverhältnisse an, auch wenn man sich in »fester Stellung« wähnt.

      Von daher wird die Beruf-Lebens-Gestaltung zunehmend zu einer unternehmerischen Aufgabe: Ich bin der Chef in meinem Unternehmen Beruf und als solcher auch verantwortlich für den florierenden Betrieb, für nachhaltige Entwicklung und meine Zufriedenheit sowie die »Bodenpflege« meines Berufs- und Tätigkeitsfeldes. Wie soll das gehen?

      Professionen zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf zentrale existenzielle Bezüge des Menschen ausgerichtet sind. Dies wird insbesondere deutlich an althergebrachten Professionen, denen die klassischen Universitätsfakultäten zugeordnet sind.

      – Priester, Seelsorger: Beziehung zu Gott (Theologische Fakultät),

      – Arzt: Beziehung zu sich selbst mit Leib und Seele (Medizinische Fakultät),

      – Jurist: Beziehung zu anderen Menschen (Juristische Fakultät),

      – Lehrer: Beziehung zur Kultur (Philosophische Fakultät).

      Diese Professionen verfügen jeweils über ein Wissenssystem, das einen zentralen Aspekt des menschlichen Lebens in der Gesellschaft betrifft und eine hohe Allgemeingültigkeit beansprucht. (vgl. Schmidt-Lellek 2007)

      Nun gibt es immer wieder Bemühungen, neue Professionsbildungen aktiv zu betreiben. Dabei geht es um gesellschaftliche und kulturelle Anliegen, aber auch um neue Berufs- und Erwerbsmöglichkeiten der Akteure. Einer der neuen existenziellen Bezüge, um die sich vielfältige Professionalisierungsbemühungen ranken, könnte so umschrieben werden: Mensch und Beruf, Mensch und Organisation sowie Mensch und Wirtschaft.

      Derzeit scheint es für diese integrierenden Perspektiven noch keine eigenen akademischen Disziplinen zu geben. Deshalb müssen wir von einem interdisziplinären Ansatz ausgehen. Klassische Disziplineinteilungen eignen sich unseres Erachtens auch gar nicht, einen Vorrang auf diesem Gebiet zu erlangen.

      Offen ist, wie viele und welche der vielfältigen neuen Tätigkeitsbilder und Bezeichnungen wie z. B. Coach, systemische Berater, Change Manager oder Teamentwickler in den Rang einer Profession erhoben werden und welche anderen eher als Unterformen oder spezielle Varianten betrachtet werden sollen. Hierum befinden sich Dutzende von Hochschulfakultäten sowie Berufs- und Fachverbände in einem intensiven Wettstreit.

      Gleichzeitig befinden sich die klassischen Professionen selbst in einer Krise, da die bisher Sicherheit bietenden Professionsstrukturen sich verändern oder auflösen (vgl. Beck 1986).

      Fraglich ist auch, inwieweit die genannten Professionsbezeichnungen wie z. B. Coach usw. sich überhaupt als Leitbegriffe eignen, um die genannten existenziellen Bezüge zu repräsentieren. Uns scheint es, dass der Bezug Mensch – Beruf besser durch eine Bezeichnung wie systemische Professionalität repräsentiert wäre.

      »Die systemische Perspektive lädt dazu ein, sich in einem übergeordneten Verständnis von Professionalität zu verankern. Inhaltskonzepte, Methoden, Rollen und berufliche Szenarien können als beispielhafte Konkretisierungen von Prinzipien der Professionalität begriffen werden. Wirklichkeit und Beziehungen, professionelles Handeln und Sinnbezüge können so situativ, spezifisch und mit aktueller Lebendigkeit für jede Situation neu entworfen werden.« (Schmid 2003, 13)

      Identitäten und Tätigkeitsbilder wie Coach, Teamentwickler, systemischer Berater, Change Manager könnten dann als zeit- und kontextgebundene Varianten systemischer Professionalität verstanden werden.

      Der Nachteil einer solchen Bezeichnung wie systemische Professionalität ist, dass sie eher abstrakt wirkt. Wenn Menschen gegenwärtig eine professionelle Identität ausweisen und ihre Produkte anbieten wollen, fällt es nach wie vor leichter, wenn sie auf die damit verbundenen beruflichen Tätigkeiten – wie zum Beispiel Coaching – hinweisen. Auch Weiterbildungseinrichtungen müssen sich an diese Marktgewohnheit anschließen und dafür geeignete Zertifikate vergeben. Am Institut für systemische Beratung (ISB) in Wiesloch behelfen wir uns mit Titeln wie systemischer Berater in Organisation oder systemischer Coach in Organisationen. Titel dieser Art befriedigen das Bedürfnis, eine erkennbare Berufs- und Tätigkeitsbezeichnung vorweisen zu können. Sie verweisen gleichzeitig auf die übergeordnete Perspektive, für die der Begriff systemische Professionalität steht.

      Im allgemeinen Verständnis meint Professionalität das Zuhause-Sein in einer Profession. Etwas professionell zu tun heißt von daher, es aus einem Berufsverständnis und einer beruflichen Identität heraus zu tun.

      Das Wort »professionell« wird allerdings auch oft verwendet, wenn zum Ausdruck gebracht werden soll, dass jemand eine Sache kompetent macht. Streng genommen wäre hier das Wort »qualifiziert« besser. Ein Familienangehöriger kann als Pfleger qualifiziert tätig sein, ohne professionell zu sein. Er kann dann mit Zeit, Engagement, körperlicher Belastung etc. besser umgehen als jemand, der langjährig als Pfleger arbeitet und seinen Lebensunterhalt damit bestreiten muss.

      Oft wird auch berufliche Qualifizierung und Professionalisierung synonym verwendet. Doch wäre auch hier zu differenzieren. Wenn im Vordergrund einer Fortbildung steht, weitere Fertigkeiten und Kenntnisse zu erwerben, um den Beruf kompetenter auszuüben, müsste man unserer Unterscheidung folgend von Qualifizierung sprechen und nicht von Professionalisierung.

      Von Professionalisierung sprechen wir, wenn im Zentrum einer Weiterbildung das Verstehen eines Berufsbildes und der Erwerb einer beruflichen Identität stehen oder wenn jemand dabei sein bestehendes Berufsbild weiterentwickelt und seine professionelle Identität an die Entwicklungen der Umwelt und der eigenen Persönlichkeit anpasst. Hierbei werden zwar auch neue Kenntnisse und Kompetenzen erworben, doch steht dieser Neuerwerb nicht unbedingt im Vordergrund.

      Je erfahrener und kompetenter Teilnehmer von Professionalisierungen sind, umso mehr gilt es, vorhandene Kompetenzen in verfügbaren Berufsbildern zu identifizieren, sie zu transformieren und in neue Berufsbilder zu integrieren. Dies ist z. B. der Fall, wenn eine erfahrene Führungskraft ein Coaching-Curriculum absolviert. Sie muss dabei verstehen lernen, was professionelle Identität als Coach mit den dazugehörigen Rollenverständnissen und Beziehungsvorstellungen bedeutet. Sie muss einige für den Beruf des Coaches zusätzlich nötigen Konzepte, Vorgehensweisen und Verhaltensweisen erlernen. Bedeutsamer ist aber oft, das Repertoire der längst in anderen Berufsverständnissen gewachsenen Kompetenzen unter der Flagge Coaching neu zu konfigurieren. Dazu gehören z. B. das Zur-Verfügung-Stellen von Erfahrungen oder die Konfrontation mit Anforderungen, ohne für deren Übernahme durch den Klienten oder die Erreichung bestimmter Ziele des Gegenübers Verantwortung zu übernehmen.

      Natürlich sind die Übergänge zwischen Qualifizieren und Professionalisieren fließend. Es macht jedoch schon einen Unterschied, ob jemand für eine bestimmte Tätigkeit qualifiziert oder umfassender professionalisiert wurde. Im ersten Fall kommt jemand aus einer Weiterbildung heraus, der sich jetzt Coach nennt und damit bestimmte Rollenvorstellungen, einem bestimmten Repertoire an Konzepten und Methoden und mit festen Vorstellungen von Settings, in denen ein Coach arbeitet, verbindet. Im zweiten Fall kommt jemand heraus, der sich im Bereich Coaching professionalisiert hat und jetzt mit alten und neuen Kompetenzen zwar auch als Coach tätig sein kann, doch

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