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2001, S. 30)

      Die Kernannahme ist, dass das Kind sich auf dem Weg in das Jugendalter aus der Eingebettetheit der Kindheit herauslöst (embedding-disembedding). Im weiteren Verlauf differenziert sich die Lebenswelt des Jugendlichen in Richtung eines reorganisierten integrierten Feldes. Was bei Lewin die zunehmende Organisation des Lebensraumes genannt wird, das wird in der gestalttherapeutischen Sprache zunehmende und reifere Kontaktfähigkeit genannt (vgl. McConville 2001). Die Entwicklungstheorie von McConville distanziert sich mit Lewin von Stufen- und Stadienmodellen. Entwicklung wird als Prozess eines sich rekursiv entfaltenden Feldes gesehen.

      »This is development conceived as process rather than defined by content, defined by evolving organization rather than by developmental ›milestones‹.« (McConville 2001, S. 41)

      Ebenso wird der Entwicklungsmotor im Feld verortet. McConville verweist auf Malcolm Parlett, der sich mit einer zeitgemäßen Feldtheorie für die Gestalttherapie auseinandersetzt.

      »If personal and situational are not divided but seen together as one realm, then changes in one part of the field will automatically lead to changes in other parts of the field as well. New conditions foster developmental shifts.« (Parlett 1997 zit. in McConville 2001, S. 47 f.)

      Neue Situationen und veränderte Feldbedingungen verlangen vom Individuum kreative Anpassung und fördern dadurch Entwicklungsschritte.

      Auch der italienische Gestalttherapeut Giovanni Salonia beruft sich in seinem 1990 verfassten Artikel »Vom Wir zum Ich-Du. Ein Beitrag zu einer Entwicklungstheorie des Kontakts« auf Kernannahmen des Gestalttansatzes. Er verweist zwar in seiner Arbeit auch auf andere Entwicklungstheorien, allerdings steht die gestalttherapeutische Theorie des Kontakts im Zentrum, um das sich Entwicklungsmodelle von M. Mahler, D. Stern und K. Wilber gruppieren. Das theoretische Konzept des Kontakts und der Kontaktunterbrechungen wird von Salonia als Entwicklungsmodell konzipiert (Salonia 1990). Die Schritte zur vollen Kontaktfähigkeit werden als Entwicklungsschritte beschrieben und die Kontaktunterbrechungen Konfluenz, Introjektion, Projektion, Retroflexion und Egotismus sollen »in der kindlichen Entwicklung nicht als Kontakt-Unterbrechungen, sondern als Phasen im Entwicklungs-Prozeß zur Reifung und Vorbereitung auf die Kontaktfähigkeit angesehen werden« (Salonia 1990, S. 45). Kontaktunterbrechungen haben demnach in ihrer Entwicklung eine feste Abfolge und Funktionalität. Ihre entwicklungspsychologische Erklärung liefere außerdem einen Beitrag zu einer entwicklungspsychologisch begründeten Psychopathologie (vgl. Salonia 1990).

      Salonia beschreibt in seinem Artikel sechs Phasen des Kontakts, die das Kind durchlaufen muss, um voll kontaktfähig zu werden.

      »Erst im Erleben des Kontakts taucht die Bewußtheit des Selbst auf. Das bedeutet, daß das Kind zuerst das ›Wir‹ erlernt, dann das ›Du‹, dann das ›Ich sorge für mich selbst‹ und schließlich das ›Ich bin‹.« (Salonia 1990, S. 47)

      Die Beziehung zur Mutter ist laut Salonia der Hintergrund und Entwicklungsmotor, durch den das Kind Kontaktfähigkeit erlernt. Gesunder Kontakt ist dadurch gekennzeichnet, dass die drei Phasen des Kontakts, De-Strukturierung, Re-Strukturierung und Assimilation, unaufhörlich aufeinander folgen. Ist die Erregung zu hoch, kann der Kontakt bewusst oder unbewusst angehalten werden oder auf Phasen regredieren, in denen es zu Entwicklungsverzögerungen oder -störungen gekommen ist (vgl. Salonia 1990).

      »So werden Konfluenz, Introjektion, Projektion, Retroflexion und Egotismus zu ›Widerstandformen gegen den Kontakt‹.« (Salonia 1990, S. 52)

      Eine Gegenüberstellung – Leitsätze der allgemeinen Entwicklungspsychologie und gestalttherapeutische Entwicklungstheorien

      Die leitende Frage im folgenden Kapitel ist, ob die Theorien des Gestaltansatzes in ihrer Konzeption zeitgemäß sind.

      Die Abbildung 1 stellt diese Gegenüberstellung komprimiert dar. Im anschließenden Text folgt eine detaillierte Beschreibung der Inhalte.

      Perls’ Konzept des »Hungertriebes« enthält in seinen Annahmen traditionelle Stufentheorien. Die Entwicklung ist auf die Kindheit beschränkt und universell konzipiert. Ein ökologischer Gedanke findet sich im Konzept des »oralen Widerstandes« implizit wieder. Damit es auf den einzelnen Stufen der dentalen Entwicklung zu Störungen kommt, bedarf es Reaktionen und Forderungen aus der Umwelt.

      Im Gegensatz dazu enthält das Entwicklungsmodell »Selbst und Kontakt« von F. Perls, R. Hefferline und P. Goodman überwiegend moderne Annahmen. Bis auf den Leitsatz, dass Entwicklung immer Gewinn und Verlust darstellt, stimmt das Modell mit modernen Entwicklungskonzeptionen überein. Ihre Theorie fasst Entwicklung (Wachstum) als differenziell auf und ist mit dem Organismus-Umwelt-Konzept ökologisch orientiert. Eine lebenslange Entwicklung wird ebenso angenommen wie die Eingebettetheit der Entwicklung in einen Kontext. Traditionelle Annahmen enthält es insofern, als dass es von einer Entwicklung in Richtung eines höherwertigen Endzustandes ausgeht.

      »Das Reifwerden ist die Entwicklung von der Unterstützung durch die Umwelt zur Unterstützung durch uns selbst (self-support).« (Perls 1992a, S. 93)

      Ähnlich verhält es sich mit K. Koffka und K. Lewin. Beide beschreiben ein Modell von Entwicklung, dass durch Differenzialität, Ökologie und Kontextualismus gekennzeichnet ist. Gewinn und Verlust finden sich in ihren Modellen nicht wieder. Bei Lewin finden wir explizite Annahmen über eine lebenslange Entwicklung. Gedanken über Regression im Alter werden nur kurz angerissen.

      Auch G. Wheeler, M. McConville und G. Salonia haben in ihren Weiterentwicklungen der gestalttherapeutischen Entwicklungstheorie eine große Schnittmenge mit der modernen Entwicklungspsychologie. Bis auf den Leitgedanken von »Gewinn und Verlust« bei Entwicklungsverläufen lassen sich alle modernen Leitsätze wiederfinden. Salonias Entwicklungskonzeption enthält auch noch Motive der traditionellen Entwicklungspsychologie. Er kehrt in seinem Modell zu traditionellen Stufenmodellen zurück und beschreibt die Kontaktunterbrechungen als entwicklungspsychologische Phänomene, die sich über die ersten drei Lebensjahre stufenförmig entwickeln.

      Bei dem Blick auf die Abbildung 1 ist die große Schnittmenge aller gestaltpsychologischen und gestalttherapeutischen Entwicklungstheorien mit den Leitsätzen der modernen Entwicklungspsychologie auffallend. Bis auf wenige traditionelle Motive sind die Theorien des Gestaltansatzes in ihrer Konzeption zeitgemäß.

      Zusammenfassung und Ausblick

      Zu Beginn wurde die Frage gestellt, welche entwicklungstheoretischen Motive und Theorien im Gestaltansatz enthalten sind, wie sie weiterentwickelt wurden und wie sie im Vergleich zur aktuellen allgemeinen Entwicklungspsychologie angesiedelt sind. Dem aufmerksamen Leser wird aufgefallen sein, dass sich zwei Grundmotive aus dem gestalttherapeutischen Entwicklungstheoriekanon herausfiltern lassen: zum einen das Motiv vom Selbst und Kontaktprozess und zum anderen das feldtheoretische Konzept. Beiden immanent ist ein Entwicklungsgedanke. Der Kontaktprozess ist Entwicklung per definitionem und auch Veränderungen im Feld bewirken zwangläufig Entwicklung, so wie auch Entwicklung Veränderungen im Feld bewirkt. Außerdem wurde sichtbar, dass keines der Modelle eine explizit ausformulierte Lebensspanne-Perspektive einnimmt. So ist es nicht verwunderlich, dass sich auch das Axiom »Wachstum und Verlust« in keinem der Modelle wiederfinden lässt.

      Eine positive Bilanz dieser Untersuchung ist, dass der Gestaltansatz zeitgemäße und moderne Konzeptionen von Entwicklung zur Verfügung stellt, obwohl diese fast ein Jahrhundert alt sind.

      So stellen sich nach Ansicht des Autors zwei Aufgaben:

      Erstens: Bestehende gestalttherapeutische Entwicklungstheorien der Vorläufer, Begründer und Weiterentwickler in eine einheitliche und konsistente Entwicklungstheorie zu überführen.

      Zweitens:

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