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solches Gnadenwirken Gottes disponiert, so wird er in der mystischen Erfahrung umso tiefer die Größe und Unbegreiflichkeit Gottes erkennen. Im Bemühen, dem Erfahrenen sprachlichen Ausdruck zu verleihen, wird er bemerken, dass das Erfahrene seine sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten bei weitem sprengt. Um ihm wenigstens annäherungsweise Ausdruck zu verleihen, scheinen am ehesten negative Formulierungen geeignet.

      Losskys Auffassung wurde in der Folgezeit breit rezipiert, so dass der Apophatismus heute als ein Grundzug ostkirchlichen Denkens gilt. Entscheidende Präzisierungen zu einer modernen orthodoxen theologischen Erkenntnislehre trug im 20. Jahrhundert der griechische Religionsphilosoph Nikos Nissiotis bei. 1965 erschien seine Arbeit »image image image image image: To image image image image image (»Prolegomena einer theologischen Erkenntnislehre: Die Unfassbarkeit Gottes und die Möglichkeit der Gotteserkenntnis«)132. Für den Philosophen Christos Yannaras bildet die Auseinandersetzung mit der Theologischen Erkenntnislehre seiner Tradition, der apophatischen Theologie und mit neuzeitlichen philosophischen Konzeptionen zu dieser Frage den expliziten Ausgangspunkt seiner theologischen Anthropologie. Der Erfahrungsbegriff ist in seiner Theologie zentral. Auch Zizioulas und Nellas stehen in der gleichen Tradition und greifen vielfach auf Lossky, Nissiotis und auch auf Yannaras zurück. An entsprechender Stelle wird daher noch mehrfach auf diese Thematik zurückzukommen sein.

      4.Theologische Anthropologie

      Bereits an diesem Punkt zeigt sich, dass die Auseinandersetzung mit der theologischen Anthropologie sich der Theologengeneration der 60er Jahre von verschiedenen Seiten her nahe legt. Die Anliegen der Neopatristischen Synthese, eine an den existentiellen Fragen des modernen Menschen ausgerichtete Theologie zu formulieren, fordern zur Reflexion über das Menschenbild ebenso heraus wie die Unzufriedenheit mit den Engführungen einer »verwestlichten« und »rationalistischen« Theologie und mit einer auf ethische Fragen fixierten Spiritualität. Die in der Folge innerhalb der orthodoxen Theologie des 20. Jahrhunderts diskutierten Themen stehen in engem Zusammenhang mit anthropologischen Fragen. Die philosophischen Strömungen ihrer Zeit, vor allem der Existentialismus heideggerscher und französischer Prägung, sowie der Marxismus konfrontieren mit einem anders gearteten Menschenbild und fordern dazu heraus, demgegenüber in Abgrenzung und Übereinstimmung das christliche Menschenbild zu profilieren.

      Die Arbeit an den Texten der Kirchenväter des 4. Jahrhunderts gibt einen weiteren und wohl den entscheidenden inhaltlichen Impuls, sich anthropologischen Fragestellungen zu widmen. Insbesondere durch die Beschäftigung mit der Theologie der Großen Kappadozier rückt der Personbegriff neu ins Blickfeld. Er bildet, wie noch zu zeigen ist, die Mitte der theologischen Arbeit von Panagiotis Nellas, Christos Yannaras und Ioannis Zizioulas und fordert dazu heraus, von ihm her auf die anderen loci theologici zu schauen, den Personbegriff gewissermaßen in alle anderen Bereiche der Theologie »durchzubuchstabieren«, wie umgekehrt eine erneuertes Verständnis dieser loci, die Reflexion ihrer anthropologischen Prämissen erfordert.

      105Vgl.: Georges Florovsky: Collected Works, Belmont/Mass. 1972-1979. Zum Werk Florovskys s. auch G. Williams: Georges Vasilievich Florovsky: His American Career (1948-1965), GOTR 11 (1965), 7-107. Eine umfassende deutschsprachige Darstellung der Theologie Florovskys bietet Künkel, a.a.O..

      106Florovsky, Westliche Einflüsse in der russischen Theologie, in: Procès verbaux du Premier Congrès de Théologie Orthodoxe à Athènes. 29 novembre – 6 décembre 1936. Publiés par les soins du Président Hamilcar Alivisatos, Athen 1936, 212-231, 218. Vgl. auch: »Patristic texts are kept and repeated. Patristic mind is too often completely lost or forgotten.” (Florovsky. Patristics and Modern theology, in: Procès verbaux du Premier Congrès de Théologie Orthodoxe à Athènes. 29 novembre – 6 décembre 1936. Publiés par les soins du Président Hamilcar Alivisatos., Athen 1936, 238-242, 239); »Am gefährlichsten war es hierbei, dass seither die theologische Problematik ihre Lebensnähe verlor und die Lehre Gottes bald als Schulgezänk enger Fachleute erschien.« (Westliche Einflüsse, 230).

      107»Eine westliche Kultur, ja eine westliche Theologie wird aufgebaut. Eine Schultheologie freilich, die keinen Untergrund hatte: Auf fremdem Boden entstanden und gewachsen wurde sie jetzt gleichsam Überbau über einer leeren Stelle; statt natürlicher Fundamente, ruht sie lediglich auf Pfählen. Eine Theologie auf Pfählen, - das ist das Resultat des theologischen Westlertums im russi-schen 18. Jahrhundert.«, Florovsky, Westliche Einflüsse, 221 (Hervor-hebungen Florovsky.)

      108Florovsky, Westliche Einflüsse, 229f. Florovsky übernimmt diesen Begriff, der ursprünglich der Geologie entstammt, von Oswald Spenglers »Untergang des Abendlandes«. Zum Begriff und zum Geschichtsverständnis, das sich daran zeigt, vgl. Künkel, 265. Vgl.: Felmy: Einführung, 7 38: »Man kann darüber streiten, ob der Begriff glücklich gewählt ist oder nicht, die mit ihm bezeichnete Sache ist jedoch von vielen Theologen, besonders von Georgij Florovskij selbst, klar erkannt worden.«

      109Patristics and Modern theology, in: Procès-verbaux, 238-242.

      110Im Folgenden werden die Grundlinien einer neopatristischen Synthese nach Georges Florovsky referiert. Auf das je eigene Profil, das sie bei Nellas, Yannaras und Zizioulas bekommen, wird bei der Untersuchung des jeweiligen Theologen im zweiten Teil dieser Arbeit eingegangen.

      111G. Florovsky, Art. Theologie, IV. Orth. Theologie, in: RGG3 Bd. VI. (1963), 779-782, 781, Hervorhebung DG.

      112Westliche Einflüsse, 231, Hervorhebungen Florovsky.

      113Ebd.

      114Künkel, 267. Wie sich diese Forderung aus dem Geschichtsverständnis, der Christologie und der Ekklesiologie Florovskys herleitet, hat ausführlich Christoph Künkel untersucht. Vgl. insbes. Künkel, 261-276. Florovsky ist wiederholt »Historismus« vorgeworfen worden. Speziell auf Florovskys Geschichtsverständnis kann im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden. Die Problematik, die sich auch bei Nellas, Yannaras und Zizioulas zeigt, wird später an entsprechender Stelle noch näher untersucht.

      115Florovsky, Patristics and Modern Theology, 238.

      116»'Moderne Philosophie' muss zuerst vom katholischen Selbstverständnis der Kirche her geprüft werden.«, Patristics and Modern Theology, 241.

      117Florovsky, Westliche Einflüsse, 231, Hervorhebungen Florovsky.

      118Patristics and Modern Theology, 238.

      119Ortodossia, 7.

      120Felmy: Einführung, 12. Als ein weiteres Beispiel nennt Felmy die dreibändige Moraltheologie des rumänischen Theologen D. Staniloae, die ebenfalls als »wichtigste patristische Zeugen« Theologen anführt, »die der Gotteserfahrung und Gotteserkenntnis nachgesonnen haben, und nicht 'Moraltheologen' im eigentlichen Sinne« Vgl. Vl. Lossky, Théologie mystique de l’Église d’Orient, Paris 1944, dt. Übersetzung: Die mystische Theologie der morgenländischen Kirche. Übers. von Mirjam Prager OSB, Graz - Wien -Köln 1961 (= GLOK; 1); D. Staniloae, Teologia morala ortodoxa pentru instituele teologice, Bd. III: Spiritualitatea ortodoxa, Bukarest 1981 (Die orthodoxe Moraltheologie für die theologischen Institute, Bd. III, Die orthodoxe Spiritualität).

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