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Briefen, die zeigen, wie er den Begriff und das Geschehen des Betens ausweitet: Arbeit kann Gebet sein, Kranksein kann Gebet sein, ja Muße kann Gebet sein. Gottesbegegnung, Gotteskontakt kann in allem geschehen. Das ist ganz und gar die Sicht von Ignatius: In allem – Gott!

      Einem Mitbruder, der meinte, die Jesuiten dürften gar nicht laut sagen, wie wenig Gebetszeiten sie wahrnehmen, und bat, Ignatius solle doch vorschreiben, man soll täglich einige Stunden dem Gebet widmen, antwortete Ignatius in einem Brief: Er hielte es für besser »in allem Andacht zu haben«. Gemeint ist damit »liebevolles Hingegebensein«, die schon erwähnte »devoción«. »Hingabe« ist die zentrale Aussage und Kennzeichnung für das fundamentale religiöse Geschehen sowohl Gott wie dem Menschen und dem Leben gegenüber. Es ist der Rhythmus von Empfangen und Geben, von Hinnehmen und Hingeben. Dies sind auch die Worte, mit denen Ignatius das Geschehen von Lieben umschreibt: »Die Liebe besteht im Mitteilen von beiden Seiten« (EB 231).

       Beten – mit dem Herzen und allen Kräften

      Wenn von Spiritualität gesprochen wird, dann auch sehr oft von »ganzheitlich«. Dahinter steckt die Erfahrung, dass es bei der Meditation, in der Spiritualität um den ganzen Menschen geht. Darum könnte man die Weisung Jesu zum Lieben als Mitte seines Lebens und seines Verständnisses von Beten verwenden und sagen: »Zu Gott beten mit ganzem Herzen, ganzer Seele, allen Kräften und ganzem Denken«. Bei Ignatius wird diese Sicht ganz deutlich: Er lebt von seiner Herzmitte her die Gottesbegegnung, er kultiviert die Aufmerksamkeit auf die seelischen Regungen, spielt mit der Vorstellungskraft und Phantasie und lässt alle Weisen von Nachdenklichkeit, Besinnung, Lebensweisheit zum Einsatz kommen. Gedächtnis, Verstand und Wille (als Liebesaffekt) sollen im Beten ins Spiel kommen (vgl. EB 50). Warum auch sollte eine bestimmte Seite und Saite menschlicher Wirklichkeit in der Gottesbeziehung keine Rolle spielen dürfen? Die Psalmen sind ein Zeugnis für dieses »ganzheitliche« Beten im Jubel und Klagen und Fragen und Anvertrauen, im Kämpfen und stillen Ruhen.

       Ein »großer Beter« – ein freier Mensch

      Als einmal Mitbrüder von einem anderen bewundernd sagten, er sei »ein großer Beter«, meinte Ignatius nur kurz: »Ja, er ist ein freier Mensch«. Genauer zitiert, hieß es, er sei ein »abgetöteter Mensch«. Das Wort ist mehr als missverständlich, gemeint ist damit, dass ein Mensch nicht von sich selber, von seinen Ideen, Gefühlen, Vorlieben völlig beherrscht sein soll. Beten, den Exerzitienweg gehen, heißt für Ignatius wesentlich, sich auf einen Befreiungsprozess einzulassen. Ohne diese wachsende Freiheit sei überhaupt kein geistlicher Fortschritt möglich (EB 189). Gute Exerzitien gemacht zu haben heißt, freier geworden zu sein: »Das Netz des Jägers ist zerrissen und wir sind frei« (Ps 124,7). Ignatius spricht dabei von der Indifferenz (EB 23), oft auch als »Freiheit des Geistes« bezeichnet. Und so sagt er einmal: »Lass dir die Freiheit, das Gegenteil zu tun von dem, was du jetzt tust, niemals nehmen!« Dies ist wahre Gelassenheit, die aus der Herzensfreiheit heraus leben und handeln lässt.

       »Methodist« oder »Was je mehr hilft«?

      Die vielen Äußerungen zum Beten bei Ignatius legen die Sicht nahe, dass Methodisches bei ihm eine große Rolle spielt. Allein 20 Vorbemerkungen im Exerzitienbuch und dann noch viele weitere zusätzliche Bemerkungen im Laufe der Kapitel, die das Beten betreffen! Das ist wirklich nicht jedermanns Sache! Andererseits ist es die Erfahrung von vielen Menschen, dass sie, wenn sie sich ruhig, frei und gut beraten auf den Gebetsweg begeben, viel Hilfreiches lernen können von der Erfahrung anderer. Solche Lernerfahrungen hat Ignatius in seinen »Geistlichen Übungen« gebündelt. Zum Glück stehen seine Hinweise alle unter dem oft wiederholten Vorbehalt: Was je mehr hilft! Nicht umsonst wird die jesuitische Eigenart gern witzig und geistvoll ausgedrückt mit der Formulierung: »SJ« (= Societas Jesu) heißt »System-Je-nachdem«. Also: Was hilft wem jetzt wohl am meisten? Dahin geht die Einladung.

       Das Allerbeste – Beten auf dem Exerzitienweg

      Im Zug von Rom nach München. Eine evangelische Journalistin erzählt in einem fast schon schwärmerischen Ton, wie es für sie wichtig war, in Indien eine Weise der Meditation zu entdecken. Als ich ihr auf ihre Frage hin vom Exerzitienweg des Ignatius erzähle, reagiert sie: »Ach, dann hätte ich ja gar nicht unbedingt nach Asien müssen.« Vermutlich war diese Zeit für sie wichtig gewesen, aber es ist gut zu wissen, »auch wir« haben nicht nur »Einzelgebete«, sondern Gebetswege – so, neben anderen, den Exerzitienweg des Ignatius. Von ihm schreibt er einmal in einem Brief an seinen Beichtvater Miona: Die Exerzitien sind doch »das Allerbeste, was ich in diesem Leben denken, verspüren und verstehen kann«. Wovon lebt dieses »Allerbeste«, in wenigen Worten gesagt?

      – Die Exerzitien sind aus der konkreten geistlichen Glaubens- und Lebenserfahrung eines suchenden Menschen erwachsen und können deshalb Hilfe sein. Die Exerzitienerfahrung von Ignatius ist nicht nur ein subjektives Lebenszeugnis geblieben, sondern ein Weg, der auch für andere begehbar ist.

      – Exerzitien sind ein sehr zeitintensives Geschehen und darum geeignet zur Vertiefung, ob es nun eine Woche oder wie in der ursprünglichen Form 30 Tage sind: Vier oder mehr Stunden der Meditation, des Gebetes jeden Tag und das Leben in einer gesammelten Atmosphäre sowie das tägliche Begleitgespräch sind zumindest anfangs eine nicht geringe Herausforderung.

      – Eine große Wirkkraft entfaltet die Stille, die Zurückgezogenheit, die »Entschleunigung«. Sie helfen zur Annäherung an die Wirklichkeit des eigenen Lebens und Gottes Wirklichkeit und zur Achtsamkeit für das Wirken seines Geistes (EB 20).

      – In Einzelexerzitien stehen der Weg, die Geschichte, das Fragen und Suchen der je einzelnen Person im Vordergrund. Es geht um Selbstwerdung.

      – Die täglichen Begleitgespräche helfen zur Anpassung an die Situation der einzelnen Personen. Sie sind oft auch eine Art exemplarische Kommunikation, in der in einem Raum des Vertrauens Leben sich zeigen kann mit all seinen Höhen und Tiefen.

      – Exerzitien sind ein durch Jahrhunderte bewährter Weg, der immer wieder auch den jeweiligen Zeitverhältnissen entsprechend gestaltet wird.

       Der Weg des siebenfachen Ja

      Wer das Exerzitienbuch aufschlägt, wird als inhaltliche Einteilungen entdecken: Vorbemerkungen zum Exerzitienweg, Prinzip und Fundament, erste und zweite und dritte und vierte Woche, Regeln (für den Alltag). Hinter diesen Worten verbirgt sich eine spirituelle Struktur, nicht nur eine zeitliche Einteilung. Diese kann einfach und natürlich auch vereinfachend mit einem siebenfachen Ja gekennzeichnet werden, das den geistlichen Weg des Menschen kennzeichnet. Biblischer Hintergrund für den Ja-Weg ist eine Stelle im zweiten Brief an die Korinther: »Jesus Christus ist nicht als Ja und Nein zugleich gekommen, in ihm ist das Ja verwirklicht. Er ist das Ja zu allem, was Gott verheißen hat. Darum rufen wir durch ihn zu Gottes Lobpreis auch das Amen« (2 Kor 1,19–20).

      – Das Ja zur Sehnsucht nach erfüllterem Leben und Lieben können die Vorbemerkungen zum Ausdruck bringen. Sie haben den Menschen im Blick, der Vertiefung und endgültigen Sinn seines Lebens sucht.

      – Das Ja zum Leben aus Gott bringt das sog. »Prinzip und Fundament« zur Sprache: Leben erfüllt sich, wenn der Mensch Gott Gott sein lässt und selber immer mehr Mensch wird in der Pflege von Dankbarkeit, liebevoller Ehrfurcht und im Dasein-füreinander, im Wachsen der Freiheit.

      – Das Ja zur versöhnenden und neu schaffenden Liebe steht im Mittelpunkt der so genannten ersten Woche. Es geht hier um Begegnung mit den Dunkelheiten, Abgründen, Verletzungen, Schuldgeschichten des Lebens und deren Erlösung, Heilung, Versöhnung.

      – Das Ja zur Lebens-Gemeinschaft wird in der zweiten Woche angefragt. Hier geht es darum, Jesus Christus und sein Evangelium als einen, vielleicht den Weg zu Gott zu entdecken und in seinen Spuren zu gehen und zu leben.

      – Das Ja der Liebe bis zuletzt wird im Blick auf Jesus in der dritten Woche vor das Auge des Herzens (vgl. Eph 1,18) gestellt. Jesus ist in Auseinandersetzungen, gegen Widerstände, in Erfahrungen von Ohnmacht den Weg zur großen Liebe gegangen; hat sein Leben verloren und es so gewonnen. Der Blick auf sein Leben, Sterben und Auferstehen kann zur Frage an das eigene Leben werden.

      – Das Ja zur auferstandenen Liebe in der vierten

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