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Auf der Basis dieses gemeinsamen Opferverständnisses … kann festgestellt werden: Sowohl die scharfe Kritik der Schmalkaldischen Artikel und des Heidelberger Katechismus als auch die verurteilende Zurückweisung reformatorischer Positionen durch das Konzil von Trient waren schon im 16. Jahrhundert teilweise nicht gerechtfertigt, treffen jedenfalls heute den Dialogpartner nicht mehr. Die ‚Messopferkontroverse’ und ihr kirchentrennender Charakter sind damit überholt. Insofern der Verdacht der ‚Werkerei’ durch dieses Opferverständnis als un begründet erwiesen ist, gilt diese Feststellung auch für die ‚Messen für die Verstorbenen’… “160

      Hier ist ebenfalls der Bericht „Das Opfer Jesu Christi und der Kirche“ des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen von 1983 zu nennen, der sich in differenzierter Weise mit der Problematik auseinandersetzt.161 Eine Zusammenstellung über die Frage der Eucharistie als Opfer im ökumenischen Dialog hat 1989 Elisabeth Hönig vorgelegt und den Stand der ökumenischen Entwicklung zu diesem Zeitpunkt festgehalten.162 Kehren wir aber nach diesem Ausblick zurück in die Zeit der tridentinischen Rezeptionsgeschichte.

      §5 Messopfertheorien

       1.Offene Fragen im Nachklang des Konzils von Trient

      Die Diskussion in Trient und die Textwendungen des Messopferdekretes zeigen die Schwierigkeiten der Konzilsväter, das Geheimnis der Einheit bei gleichzeitiger Differenz von Kreuzes- und Messopfer mit theologischen Mitteln zu beschreiben. Die Messe darf kein bloßes Andenken sein, oder gar die Annahme eines zweiten unblutigen Opfers, um die Einmaligkeit des Kreuzesopfers nicht zu verlieren. Der grundlegende Ansatz zur Lösung der konfessionellen Verständnisschwierigkeiten liegt in der Aufhebung der Unterscheidung von sacrificium (Opfer) und sacramentum (Sakrament) in Lehre und Praxis der Eucharistie.163

      „Erscheint der sakramentale Akt der Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers in der Opfergabe vom Vollzug der Darbringung dieser Gabe getrennt, dann kann der Vollzug des Messopfers nicht mehr als sakramentale Vergegenwärtigung des einmaligen Kreuzesopfers stimmig begriffen werden.“164

      Die aufkommenden Theorien suchen also den Zusammenhang des „sacrificium visibile“ der Messfeier mit dem „sacrificium reale“ am Kreuz in der konkreten Gestalt des liturgischen Vollzuges der Messfeier, wobei ein besonderes Augenmerk auf die Doppelkonsekration gelegt wird, die Trennung von Fleisch und Blut des Herrn, als dem Akt des Sterbens Jesu und seiner Lebenshingabe durch den Kreuzestod.165

      Die katholische Sakramententheologie setzt nunmehr den Akzent auf die Wirksamkeit und führt den scholastischen Ansatz weiter, als Abgrenzung zum Protestantismus. Das Problem, das durch die Reformatoren in die Diskussion rückte, zeigt sich in der Konzilsaussage fassbar: Wie kann man das Messopfer als relatives, vollkommen vom Kreuzesopfer abhängiges und zugleich als wahres und eigentliches Opfer bestimmen? Im Umfeld dieser zentralen Frage entwickeln sich mehrere Lösungsansätze. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie sich an einem religionsgeschichtlichen Opferbegriff orientieren. Der personale Hingabeakt Jesu an den Vater, in den sich die Gläubigen durch Akte der Gottes- und Nächstenliebe hineinnehmen lassen, ist nicht zum Charakteristikum des Opferbegriffes gewählt. Der christologische Bezugspunkt bleibt somit unvermittelt, d.h., dass sich der Opfercharakter von der personalen auf eine materielle Ebene verlagert.166

      Diese verschiedenen Lösungsversuche, die sich teilweise nur in Nuancen unterscheiden, fasst man heute unter den Begriff „Messopfertheorien“ zusammen. Ihre Übereinstimmung liegt darin, das Wesen des Messopfers von einem allgemeinen religionsphänomenologischen Opferbegriff und Opferverständnis her- und abzuleiten.167

      „Das Tun der Kirche im Abendmahl ist aber nicht nur als das Geltendmachen und Vorbringen des einmaligen Opfers Christi, sondern auch als Opferung Christi durch die Kirche im Herrenmahl gedeutet worden. Diese Opferung Christi durch die Kirche im Herrenmahl ist als unblutige Wiederholung des einmaligen blutigen Kreuzesopfers bezeichnet worden. Zwischen dem Vorhalten des ein für allemal vollbrachten Kreuzesopfers und dem Nachvollzug der Opferung Christi im Herrenmahl besteht ein erheblicher Unterschied.“168

      Ziel der Messopfertheorien ist es, den vom Konzil von Trient weitgefassten Opferbegriff, zu fixieren und ausführlich darzustellen. Sie bemühen sich daher darum, in der Messe das reale Opfermoment nachzuweisen, „das sowohl den Ansprüchen eines relativen wie auch denen eines eigentlichen kultischen Opfers genügen sollte.“169 Trient hat durch den Ausdruck verum et proprium sacrificium die Messe zu etwas erklärt, das als ein absolutes Opfer, besser gesagt, echtes und eigentliches Opfer im zeichenhaften Vollzug, aufgefasst werden kann. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es sich dabei um ein eigenständiges Opfer handelt!170 Man kann den Theologen, die die Messopfertheorien erarbeiten, nicht absprechen, sich um die Sicherung der Stiftung Christi zu bemühen. Die verschiedensten Theorien beruhen jedoch auf Voraussetzungen, die eine umfassende Würdigung des Geheimnisses des eucharistischen Opfers verhindern. Zu den Mängeln zählen die ausschließlich spekulativ-dogmatischen Ansätze, ohne Einbeziehung der liturgischen Gestalt der Messfeier, d.h. der in der Liturgie vorhandene Lob- und Dankcharakter im Tun der Gemeinde wird nicht berücksichtigt. Zugleich wird der Opfercharakter isoliert von der sakramentalen Grundstruktur der Eucharistie betrachtet. Hier vollzieht sich der Schritt zu einem naturhaften Opferverständnis, wie bei den Reformatoren. Die nachtridentinischen Überlegungen verlegen eindeutig das Opfermoment der Messe in einen naturhaften Vorgang, der bei dem unter den Gestalten von Brot und Wein gegenwärtigen Christus lokalisiert wird.171

      Die Messopfertheorien gehen immer von der Frage nach dem Wesen des Opfers überhaupt aus, um von diesem Blickwinkel aus das Wesen der Messe zu bestimmen.172 Das Schema des Konzils mit der getrennten Betrachtung von Sakrament und Opfer ist die Richtschnur der verschiedenen neu entstehenden Theorien. Es steht nicht mehr die Realpräsenz im Fokus, deren Verständnis durch die Erörterungen seit dem 12. Jh. feststeht, sondern man sucht nach der umfassenden Darstellung der Wirklichkeit des Messopfers.173 Um deutlich zu machen, an welchem Punkt die unterschiedlichen Messopfertheorien jedoch am bisher ungeklärten theologischen Problem des Opferverständnisses scheitern, nämlich an dem, was die Eucharistie zu einem Opfer der Kirche macht, wollen wir nun skizzenhaft die Hauptströmungen und deren Vertreter betrachten. Beginnen wir mit der Destruktionstheorie.

       2. Destruktionstheorie

      Der Ausgangspunkt dieser Theorie lässt sich so skizzieren:

      „Ausgehend von einem allgemeinen religionsphänomenologischen Verständnis als Darbringung und Destruktion der Opfergabe, fragte man, durch welche liturgische Handlung im Ablauf der Messe die Destructio Jesu Christi dargestellt und durchgeführt würde.“174

      Der Vertreter dieser ersten Denktheorie Gabriel Vázquez († 1604) unterscheidet das absolute Opfer vom relativen Gedächtnisopfer, das auf dem Altar gegeben ist. Man versteht damals nicht mehr, dass ein relatives, repräsentatives Opfer dennoch wirkliches Opfer sein kann. Auch die Ergänzungen des Ansatzes von Vázquez durch Leonhard Lessius († 1623), dass nämlich durch die Konsekrationsworte zumindest virtuell die Trennung von Leib und Blut Christi bewirkt wird (Destruktion), kann nicht die Problemstellung auflösen.175 Bei den Denkansätzen der einzelnen Vertreter, die den einen Ansatz weiterdachten, geht es in erster Linie um die Annahme einer realen Zerstörung (Destruktion) der dargebrachten Opfergabe, d.h., dass sich die Opfergabe während der Feier verwandelt, verändert oder auflöst, damit sie auf diesem Wege Gott überhaupt dargebracht werden kann. Die Veränderung kann durch die Kenosis Jesu Christi, der kraft der Wandlungsworte die Opfergabe selbst ist, oder durch eine „Versetzung“ Christi in Speise und Trank, erfüllt werden.176 Im Grunde versteht die Destruktionstheorie das Opfer wie das Brandopfer im Alten Bund. Die Opfergabe muss erst zerstört werden, damit sie Gott dargebracht werden kann.177 Franz Suárez († 1617) lokalisiert die Destruktion der natürlichen Elemente von Brot und Wein in der Verwandlung. Robert Bellarmin († 1621) sieht die Destruktion im Verzehr der eucharistischen Gaben bei der Kommunion.178

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