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      Volker Ladenthin

      Zweifeln,

      nicht

      verzweifeln!

      Warum wir

       Religion

       brauchen

      Volker Ladenthin

      Zweifeln,

      nicht

      verzweifeln!

      Warum wir

       Religion

       brauchen

      echter

      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar.

      1. Auflage 2016

      © 2016 Echter Verlag GmbH, Würzburg

       www.echter.de

      Umschlag: Peter Hellmund (Foto: gettyimages)

      Satz: Hain-Team (www.hain-team.de)

      ISBN

      978-3-429-03943-1

      978-3-429-04848-8 (PDF)

      978-3-429-06267-5 (ePub)

      eBook-Herstellung und Auslieferung:

       Brockhaus Commission, Kornwestheim

       www.brocom.de

      Was dieses Buch will und was nicht

      Dieses Buch handelt von der Religion. Es ist kein Bekenntnisbuch. Es legt nicht Zeugnis ab. Es ist kein Trost- und auch kein Erbauungsbuch. Kein Gottesbeweis und kein Therapieangebot. Es ist auch keine Einführung in Theologie oder Religionsphilosophie.

      Es ist eine Einladung zum Denken. Meine Methode ist so voraussetzungslos wie nur irgend möglich: Ich fange mit einem Beispiel an und suche dann nach dem nächsten, das zu ihm passt. Mit dieser Methode versuche ich herauszufinden, ob das, was ist, wirklich schon alles ist.

      Ich frage danach, warum wir uns so sicher sind, dass wir mit unserem gigantischen Know-how alle Probleme lösen können, auch die des „Wozu?“.

      Wozu wollen wir wissen, was wir wissen wollen?

      Inhalt

Was dieses Buch will und was nicht
1.Rat und Rätsel
2.Als ob
3.Gibt es Vollkommenes?
4.Was ist der Sinn von all dem, was wir täglich tun?
5.Warum ist es vernünftig, vernünftig zu sein?
6.Politik, Ethik und Religion: Wie kann das gutgehen?
7.Warum wir immer schon in einer Konfession leben (Eine erkenntnistheoretische Überlegung)
8.Muss man in einer Institution glauben?
9.Theologie: Ist Glaube als Wissenschaft überhaupt möglich?
10.Du kannst mir was Schönes erzählen, oder: Wie die Religion spricht
11.Religion ereignet sich. Jedes Mal
Nachbemerkung
Wer gerne weiterlesen möchte, der sei verwiesen auf

      1. Rat und Rätsel

      Manche Schlager oder andere Lebensberater empfehlen, jeden Tag so zu leben, als ob es der letzte Tag wäre. Ein Ratschlag, der bei mir Stresshormone freisetzt und großes Grauen auslöst: Ich käme in arge Bedrängnis, wenn heute mein letzter Tag wäre. Ich bekäme dieses Buch nicht zu Ende geschrieben. Zudem hatte ich meiner Frau versprochen, den verstopften Abfluss zu reinigen, und wenn ich das nicht schaffe, dann enttäusche ich sie maßlos. Und das möchte ich keinesfalls. Unser Golf steht noch zur Inspektion in der Werkstatt im Industriepark am Stadtrand. Wer soll ihn abholen? Unser Sohn erwartet mich morgen als Babysitter, und die Ausleihfrist der sieben Bände Theodor Fontane aus der Stadtbücherei läuft heute ab. Da kämen Mahngebühren auf meine Familie zu, wenn ich die Bücher heute nicht zurückgäbe. Ich hatte meinen Eltern versprochen, am Wochenende den Einspruch bei der Krankenversicherung zu formulieren, da diese plötzlich schreibt, dass sie die Pflegekraft doch nicht bezahlen wird. Ob ich das alles noch heute schaffe, an meinem letzten Tag ? Wer soll das sonst machen ? Versprochen ist versprochen. Ach, und die Stornogebühren für die Mallorca-Reise (nein, ich hatte keine Reiseversicherung abgeschlossen!) werden die künftige Haushaltskasse unserer Familie unnötig für etwas belasten, das ich vor vier Monaten in die Wege geleitet hatte. Das alles zu regeln, schaffe ich heute nie, an meinem letzten Tag …, aber es müsste geschafft werden. Ich stehe im Wort. Die anderen tragen die Folgen für etwas, was ich verursacht habe, wenn ich es heute nicht mehr schaffe.

      Ginge es mir nicht erheblich besser, wenn ich mir vorstellte, zu handeln, als ob ich ewig leben würde?

      Gehen wir das Ganze mal der Reihe nach an.

      2. Als ob

      Von Geburt an sterben wir. Mit jedem Tag, den wir länger leben, wird die verbleibende Lebenszeit kürzer. Das ist trivial. Aber die Folgen dieser Trivialität sind gar nicht trivial. Sie sind bedeutsam. Uns bleibt im Leben, wie geschickt wir uns auch anstellen mögen, immer nur eine begrenzte Zeit. Man kann sie statistisch errechnen: Bis zur Industriellen Revolution lag die durchschnittliche Lebenserwartung für die meisten Menschen bei ungefähr 30 Jahren – es sei denn, sie gehörten zu den 2–5 % Oberschicht, die alleweil „Gebratenes und Gesottenes“ im Vorrat hatten, Gemüse satt und Obst aus aller Herren Länder, Diener fürs Grobe und einen zuverlässigen Hausmedicus.

      Aber obwohl es ein kurzes Leben war, hat der römische Philosoph und kaiserliche Hauslehrer Seneca (ca. 4 v. Chr – 65 n. Chr.) einen modern anmutenden Gedanken parat:

      „Zum größten Teil beklagen sich die Menschen heftig über die Missgunst der Natur, weil wir nur für ein kurzes Leben geboren werden und weil so rasch, so ungestüm die uns gewährte Zeitspanne entflieht, dergestalt, dass mit Ausnahme von ganz wenigen für alle anderen inmitten der Vorbereitung auf das Leben das Leben endet. Wir haben aber nicht wenig Zeit, wir haben nur viel vergeudet. Hinreichend lang ist das Leben und großzügig bemessen, um Gewaltiges zu vollbringen, würde man es im Ganzen nur richtig investieren. So ist’s: Wir erhalten kein kurzes Leben, sondern haben es dazu gemacht, und es mangelt uns nicht an Zeit, sondern wir verschwenden sie.“

      Wie wird die Zeit vertan! Allerdings: 30 Jahre sind nun nicht gerade viel Zeit. Es blieb zum Beispiel sehr wenig reine Lernzeit. Zu wenig für Kindergarten, Schule mit gründlichem Unterricht. Am besten, man lebte und lernte zugleich. Mit 15 Jahren war es dann so weit: Man musste daran denken, eine Familie zu gründen, einen Beruf auszuüben, eine hübsche Wohnstatt einzurichten, durch die Felder und die Wälder zu ziehen, durch die Städte und in die alten und neuen Welten zu reisen und zuzusehen, wie die eigenen Kinder eine Familie gründen. Die meisten Kinder waren „in der guten alten Zeit“ mit 15 Jahren elternlos und auf ältere Geschwister oder Verwandte angewiesen oder auf fremde Menschen.

      „Dies Leben kommt mir vor als eine Rennebahn“ (Andreas Gryphius, 1616–1664)

      Mit der Erfindung der Maschinen, die von harter Muskelarbeit entlasteten; mit der Einsicht in Hygiene und in die Grundsätze der Ernährung; mit der Sozialgesetzgebung und dem Ausbau der ärztlichen Versorgung verlängerte sich die Lebenserwartung auf inzwischen ungefähr 80 Jahre – bei uns in Europa, wie man, die Freude stark dämpfend, ergänzen muss. Woanders ist es anders.

      Doch wie lang sie auch währt : Unsere Lebenszeit ist immer begrenzt. Man muss sein Leben geschickt einteilen – zumal die

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