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Jahrbuch der Akademie CPH - Anregungen und Antworten. Группа авторов
Читать онлайн.Название Jahrbuch der Akademie CPH - Anregungen und Antworten
Год выпуска 0
isbn 9783429060190
Автор произведения Группа авторов
Жанр Религия: прочее
Серия Fragen der Zeit
Издательство Bookwire
„Nach diesen Grundsätzen ist der BayVGH – wie bereits der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hinsichtlich einer anderen Scientology-Organisation – zu dem Ergebnis gelangt, dass der Verein Celebrity Center Scientology Kirche München e. V. keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält. Die von ihm gegenüber seinen Mitgliedern angebotenen Leistungen, insbesondere das sog. Auditing und die Ausbildung zum Auditor, die nach seinem unbestrittenen Vortrag einen wesentlichen Teil seiner Tätigkeit ausmachen, sind zentraler Teil der Lehre von Scientology und können deshalb nicht von anderen, wie z. B. von Aussteigern, in vergleichbarer Weise erbracht werden. Für die Mitglieder werden diese Leistungen von der gemeinsamen scientologischen Überzeugung – mag es sich um eine Religion handeln oder nicht – getragen, von der sie nicht gelöst werden können, ohne ihren Wert für die einzelnen Mitglieder zu verlieren.“22
Schlussendlich ist somit die rechtliche Beurteilung Scientologys in Deutschland von Bundesland zu Bundesland stark unterschiedlich, wobei die Anerkennung als gemeinnütziger Verein in den letzten Jahren zunehmend von Gerichten bestätigt wurde.
Diese Tendenz in der Rechtsprechung hat sich jedoch nicht, wie man vielleicht annehmen möchte, positiv auf die Mitgliederzahlen ausgewirkt. Seit Ende der 90er Jahre ist von sinkenden, bestenfalls von stagnierenden Mitgliederzahlen in Deutschland auszugehen, was vor allem an dem extrem negativen Bild Scientologys liegt, das in den 90er Jahren in der öffentlichen Kontroverse geprägt wurde. Die aktuelle Zahl der Scientologen liegt nach Eigenangaben der Organisation bei etwa 12000.23 Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg hingegen schätzte 2007 die Zahl der Scientologen in Deutschland auf nur 5000 bis 6000.24 Zehn Jahre vorher ging Ursula Caberta noch von einer Mitgliederzahl von 10000 aus, jedoch mit abnehmender Tendenz.25 Ähnlich befand der Kritiker Ingo Heinemann: „Ende der 1990er ist die Zahl der Mitglieder und der Anhänger in Deutschland drastisch zusammengebrochen, vermutlich auf ein Zehntel der ursprünglichen Zahlen.“ Als Gründe gibt er „die öffentliche Berichterstattung, die Aufklärung und die Beobachtung durch den Verfassungsschutz ab 1997“26 an. Wenngleich dem Befund zu den Ursachen vorbehaltlos zuzustimmen ist, scheint die Schätzung eines Einbruchs auf ein Zehntel doch als gewagt, denn sie würde implizieren, dass Scientology einst 50 000 bis 60 000 Mitglieder in Deutschland gehabt habe.
In den USA kann von etwa 55 000 Scientologen ausgegangen werden, wenngleich hier eine Einschätzung schwierig ist, da keine Daten von öffentlicher Stelle vorliegen. Einen sehr guten Anhaltspunkt liefert jedoch das umfangreiche American Religious Identification Survey das auf einer Selbsteinschätzung der Befragten beruht. Es ermittelte von 1990 bis 2001 sogar einen leichten Zuwachs von 45 000 auf 55 000 Scientologen in den USA.27 Setzt man diese Zahl in Relation zur Einwohnerzahl, so ergibt sich ein Anteil von 0,018 Prozent an der Gesamtbevölkerung. Dieser Anteil ist zwar immer noch verschwindend gering, liegt aber immerhin dreimal höher als in Deutschland, wo die ca. 6000 Scientologen etwa 0,007 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Dies wirft die abschließende Frage auf, worauf die unterschiedliche Wahrnehmung und der unterschiedliche Umgang mit Scientology in beiden Ländern zurückzuführen ist.
Gründe für die unterschiedliche Wahrnehmung und Behandlung Scientologys in Deutschland und den USA
Die USA können ohne Zweifel als das Mutterland der Religionsfreiheit betrachtet werden, welche eine überragende Bedeutung im amerikanischen Staats- und Gesellschaftsmodell einnimmt. Denn der Wunsch, die eigene Religion ohne Furcht vor Repressalien und Verfolgung ausüben zu können, stellt schließlich einen der Gründe dar, warum vornehmlich Europäer bereits im 17. Jahrhundert ihr Heimatland verließen und in die Neue Welt auswanderten. Eben aus dieser europäischen Erfahrung heraus, war es für die Founding Fathers ein zentrales Anliegen, die Religionsfreiheit als fundamentales Gut zu schützen und Staat und Kirche zu trennen. Nicht umsonst wird bereits im ersten Satz des ersten Artikels der Bill of Rights aus dem Jahr 1791 sowohl die Errichtung einer Staatsreligion, wie sie in Europa noch lange danach Bestand haben sollte, als auch die Einschränkung der Religionsausübung verboten: „Congress shall make no law respecting an establishment of religion, or prohibiting the free exercise thereof.“
Es ist eben diese historisch fest verankerte Religionsfreiheit, die die Amerikaner aufhorchen und gegebenenfalls auch aufschreien lässt, wenn anderenorts die freie Religionsausübung eingeschränkt wird oder bedroht erscheint. Dass amerikanische Maßstäbe dabei nicht vorbehaltlos in anderen Ländern angelegt werden können und Staaten wie Deutschland aus ihrer eigenen historischen Erfahrung heraus einen vorsichtigeren Umgang mit möglicherweise demokratiefeindlichen Gruppen pflegen, wird hier manchmal übersehen. Allerdings gibt es sehr wohl Amerikaner, die sich dieses Umstandes bewusst sind, wie folgender Kommentar von Philip Terzian, dem Herausgeber des Providence Journal, beweist, den er als Reaktion auf die Kritik des amerikanischen Außenministeriums an der Beobachtung Scientologys durch den deutschen Verfassungsschutz schrieb:
„[...] the truth is that German regulations [...] are designed to preserve German democracy, which cults like Scientology are likely to weaken. Americans understand the value of freedom in the world, but they do not necessarily appreciate cultural distinctions. The Germans are probably better equipped to judge how best to nurture their free society than bureaucrats at the Office of the U. S. Trade Representative. Everyone in the world wants to be free, but not everybody yearns to be American.“28
Die teils heftige Reaktion von amerikanischer Seite auf mögliche Einschränkungen der Religionsfreiheit, auch in anderen Ländern, ist zudem auf die hohe Bedeutung von Religion im Alltag und ihrer zivilgesellschaftlich integrierenden Funktion in den USA zurückzuführen. So glauben 60 Prozent der Amerikaner an einen persönlichen Gott und 29 Prozent an ein höheres Wesen. 39 Prozent gehen mindestens einmal pro Woche in die Kirche.29 Diese Zahlen haben sich in den letzten 50 Jahren kaum verändert und unterscheiden sich nur bedingt zwischen Jung und Alt. In Deutschland hingegen haben Glauben und Glaubenspraxis deutlich an Bedeutung verloren. Hierzulande glauben nur noch 47 Prozent an einen Gott und 25 Prozent an ein höheres Wesen.30 Unter den Jugendlichen sind es gar nur 23 Prozent, wie die Shell Jugendstudie aus dem Jahr 2010 ergab. Mindestens einmal pro Woche in die Kirche gehen über alle Altersgruppen hinweg noch 9 Prozent.31 Zudem hat Religion für die Amerikaner in ihrem eigenen Alltag eine sehr große Bedeutung. Auf einer Skala von 1–10 räumen 59 Prozent der Amerikaner der Religion den höchsten Stellenwert (10) für sie persönlich ein, in Deutschland sind dies gerade einmal 11 Prozent. Deshalb darf es nicht überraschen, wenn Amerikaner Eingriffe in die Religionsfreiheit als etwas sehr persönliches und unzulässiges erachten.
Doch sind es nicht nur die traditionell fest verankerte Religionsfreiheit und die hohe Bedeutung von Religion im Alltag, die in den USA zu einem toleranteren Umgang mit Scientology führen. Auch die religiöse Vielfalt spielt eine entscheidende Rolle. Als Einwanderernation, die schon früh Menschen aus allen Erdteilen anzog und ihnen gestattete, ihre Religion frei zu praktizieren, existierten in den USA bereits zu Mitte des 19. Jahrhunderts die unterschiedlichsten Religionen nebeneinander. Das heißt nicht, dass es keine religionsbedingten Vorurteile, Misstrauen und teils auch Diskriminierung gegeben hätte oder gibt, doch hat die vorhandene Vielfalt zu einer grundsätzlich höheren Toleranz gegenüber anderen Religionen geführt. Deutschland hingegen war bis lange nach dem Zweiten Weltkrieg – mit Ausnahme