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Jahrbuch der Akademie CPH - Anregungen und Antworten. Группа авторов
Читать онлайн.Название Jahrbuch der Akademie CPH - Anregungen und Antworten
Год выпуска 0
isbn 9783429060190
Автор произведения Группа авторов
Жанр Религия: прочее
Серия Fragen der Zeit
Издательство Bookwire
Aufgrund dieser Schwierigkeiten entschied sich Hubbard, die Dianetik religiös auszurichten, und gründete im Jahr 1952 einen Scientologen-Verband (Hubbard Association of Scientologists) und ein Jahr später die Church of Scientology.11 Der Kunstbegriff „Scientology“ setzt sich zusammen aus dem lateinischen Wort „scire“ (wissen) und dem griechischen „logos“ (u. a. Wort, Rede) und wird von Scientology selbst verstanden als „Wissen über das Wissen.“12 Im Jahr 1954 etablierten Anhänger Hubbards die erste lokale Scientology-Kirche, Church of Scientology of Los Angeles, ehe er selbst im Jahr 1955 die offizielle Gründungskirche der Scientologen (Founding Church of Scientology) in Washington, D. C. ins Leben rief.13
Von diesem Zeitpunkt an betrieb Hubbard auch die internationale Expansion Scientologys, die zunächst in den angelsächsischen Ländern, später aber weltweit erfolgte. Sie war begleitet von zahlreichen rechtlichen Auseinandersetzungen und Verbotsverfahren, kann aber insgesamt – auch über Hubbards Tod im Jahr 1986 hinaus – als erfolgreich beurteilt werden. Scientology selbst gibt an, heute über etwa 3000 Einrichtungen in ca. 120 Ländern zu verfügen.14 Die erwähnten juristischen Konflikte drehten sich zumeist um die rechtliche Einstufung Scientologys und die Frage nach dem religiösen und gemeinnützigen Charakter der Organisation. Äußerst uneinheitlich sind dabei die jeweiligen nationalen Positionen. Während z. B. in Deutschland, Belgien, Frankreich, Irland, Israel, Luxemburg und Mexiko die Anerkennung als Religionsgemeinschaft zumeist verweigert wird, hat Scientology in Österreich, Schweden, Kroatien, Ungarn, Slowenien und den USA, aber auch in traditionell streng katholischen Ländern wie Spanien, Portugal und Italien den Status einer Religionsgemeinschaft zugesprochen bekommen.
(Bildnachweis: Matthias Fifka)
Die vor allem in Deutschland anzutreffende Klassifizierung von Scientology als Sekte ist unter religionswissenschaftlichen Maßstäben nicht gerechtfertigt, denn der Begriff „Sekte“ wird aus dem Lateinischen abgeleitet und bedeutet „Richtung“. Bei Sekten handelt es sich also im eigentlichen Sinne des Wortes um Weiterentwicklungen oder Abspaltungen von bereits bestehenden Religionen, was auf Scientology nicht zutrifft. Vielmehr handelt es sich bei der von Hubbard entwickelten „Glaubenslehre“ um eine eklektische Neukreation, in die vielerlei unterschiedliche Ideen eingeflossen sind, u. a. Elemente der Freudschen Psychoanalyse, der Jungschen Archetypus-Theorie, der Semantik des Sprachphilosophen Alfred Habdank Korzybski, Riten satanischer Magie, der Science-Fiction-Literatur und östlicher Religionen.15 Vereinfachend kann gesagt werden, dass der scientologische Glaube auf einer theoretischen und einer praktischen Basis beruht. Erstere besteht aus der von Hubbard entworfenen Heilslehre, während die Dianetik als praktische Heilstechnik dazu dient, der Heilslehre zu folgen und sie umzusetzen.16
Nach scientologischer Lehre setzt sich der Mensch aus drei Teilen zusammen: dem Thetan, dem Verstand und dem Körper, der rein physische Aufgaben übernimmt. Der in Anlehnung an den griechischen Buchstaben Theta benannte Thetan ist die wahre Identität einer Person und von intrinsisch guter, überaus kreativer, unsterblicher und allwissender Natur. Ein höheres göttliches Wesen gibt es von daher in der scientologischen Lehre nicht, denn eine vergleichbare Position wird von den Thetanen selbst eingenommen. Der Verstand wiederum – und hier werden Parallelen zur Lehre Freuds deutlich – ist gespalten in einen analytischen bzw. bewussten und einen reaktiven bzw. unbewussten Verstand. Während der analytische Verstand der zielführenden, rationalen Problemlösung dient, speichert der unbewusste Verstand negative Erfahrungen und traumatische Erlebnisse. Diese Engramme sind schmerzhaft und führen zu menschlichen Fehlhandlungen. Sie werden als der Ursprung allen Übels angesehen und sind sowohl für geistige Krankheiten als auch für körperliche Beschwerden verantwortlich. Da die Engramme den Thetan und den analytischen Verstand stören und bei der perfekten Lösung eines Problems hindern, müssen sie beseitigt werden. Dies geschieht in erster Linie mit Hilfe der Dianetik.
Das individuelle Ziel liegt nun darin, clear zu werden, d. h. sich von den Engrammen zu befreien und sich schließlich der eigenen Realität als Thetan bewusst zu werden. Das übergeordnete gesellschaftliche Ziel wiederum, das Scientology explizit ausgibt, besteht in der Erschaffung einer Welt von clears, in der keine Kriege, Krankheiten oder sozialen Missstände existieren. Nicht-Scientologen stellen in dieser Welt unerwünschte Erscheinungen dar.
Der Fortschrittsprozess hin zum Thetan wird als „Brücke der totalen Freiheit“ bezeichnet, die nur durch das erfolgreiche Absolvieren verschiedener Kurse beschritten werden kann. Diese sind mit hohen Kosten verbunden, welche sich in ihrer Gesamtheit – je nach Angabe – auf € 250 000 bis € 350 000 belaufen.17 Aufgrund dieser offensichtlich kommerziellen Orientierung wird eine Anerkennung als gemeinnützige oder religiöse Vereinigung häufig abgelehnt, wobei es hier zu unterschiedlichen Einschätzungen, vor allem im internationalen Vergleich, gekommen ist.
Scientology – der Status Quo in Deutschland und den USA
Laut Garrison wurde die Steuerbefreiung der Founding Church of Scientology schon 1956 von der amerikanischen Steuerbehörde, dem Internal Revenue Service (IRS), gewährt, diese aber bereits zwei Jahre später zurückgezogen mit der Begründung, dass Scientology nicht ausschließlich religiöse Zwecke verfolge.18 In den Folgejahren strebte Scientology mehrere Klagen gegen den IRS an, die jedoch erfolglos blieben. Erst 1989 bestätigte ein Revisionsgericht in Kalifornien, dass Scientology als Religion zu beurteilen sei. Der Organisation war es nun gelungen, darzulegen, ihre Praktiken würden durchaus denen traditioneller Religionsgemeinschaften entsprechen. Das Urteil stellte klar die Rechte heraus, auf die sich Scientology berufen konnte, ohne dabei die Gefahren auszuklammern, die von der Organisation möglicherweise für den Einzelnen ausgingen. Die dogmatischen und theologischen Inhalte der Lehre wurden von den Richtern nicht bewertet.
Auf diesem Urteil aufbauend und nach Offenlegung des eigenen Vermögens, errang Scientology den lang angestrebten Status der Steuerfreiheit schließlich am 13. Oktober 1993 durch Genehmigung des IRS. Seither ist Scientology in den USA als Religionsgemeinschaft anerkannt und damit auch von der Federal Income Tax befreit.19 153 Scientology-Organisationen und Missionen wurden entsprechend als Organisationen gemäß section 501(c) (3) und section 170 (b) (1) (A) (i) des Internal Revenue Code eingestuft. Das garantiert nicht nur Steuerfreiheit für die Organisation selbst, sondern ermöglicht auch den Mitgliedern, ihre Beiträge von der Einkommenssteuer als Spenden abzusetzen. An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass in den USA anders als in Deutschland hinsichtlich des rechtlichen Status keinerlei Differenzierung zwischen religiösen Vereinigungen vorgenommen wird. Eine Unterscheidung in Körperschaften des öffentlichen Rechts beispielsweise oder gemeinnützige Vereine kennen die USA nicht. Alle denominations, unabhängig von ihrer Größe oder ihres Alters, erfahren somit eine Gleichbehandlung. Bereits daran wird das große Bemühen ersichtlich, eine möglichst hohe Neutralität des Staates im Umgang mit Religion zu gewährleisten. Ein Verbot Scientologys stand in den USA zu keiner Zeit ernsthaft zur Diskussion.
In Deutschland gestaltet sich die rechtliche Einordnung Scientologys weit schwieriger, was mehrere Ursachen hat. So ist zum einen eine wertneutrale Annäherung an den Gegenstand weniger stark ausgeprägt, wie Leggewie und Lagalée treffend befinden:
„[D]ie Disqualifikation von Scientology als ‚Kirche‘ und ihre pejorative Einordnung als ‚Sekte‘ hilft nicht weiter. Dies ist ein alteuropäischer Maßstab, der die etablierten christlichen Großkirchen über Gebühr privilegiert hat und schon bei der Anerkennung der nichtkirchlich strukturierten islamischen Gemeinschaften in Europa auf gewaltige Probleme stößt.“20