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und sich im engen Raum für die Arbeit einrichtet, unterhält sie sich mit der Frau.

      «Nein, es tut mir nichts weh. Bin halt nicht wehleidig.»

      «Das habe ich gemerkt, Frau Tobler.»

      «Man muss lachen können. Es gibt sicher Patienten, die heulen. Warum? Sie sind ja hier, um mir zu helfen. Also muss ich es annehmen und das Möglichste daraus machen.»

      «Das ist wunderbar», sagt Ruth Meyer.

      «Dann bin ich das Wunder, und Sie sind bar», kommt es von Anna Tobler umgehend zurück.

      «Eine schöne Antwort. So passt alles zusammen.»

      Was die Pflegefachfrau tut, sagt sie vorher der Klientin. «Zuerst leere ich das Säckli. Sie können noch in der Wärme bleiben.» Frau Toblers Blase arbeitet nicht mehr selbstständig, weshalb sie einen Dauerkatheter braucht und morgens der Urinbeutel geleert wird. Als Ruth Meyer ins Badezimmer geht, wird sie von Anna Toblers Tochter angesprochen: «Wie steht es in Ihren Notizen wegen der Frotteewäsche? Sind die gelben Tücher für oben und die blauen für unten oder andersrum? Ach, spielt eigentlich keine Rolle, ich wasche sowieso häufig.» Geduldig erklärt Ruth Meyer, wohl nicht zum ersten Mal, sie verwende die helleren Farben für das Gesicht und den Oberkörper. Beginnen werde sie nun mit Dunkelblau. Sie legt das Frotteetuch über den linken Arm, lässt lauwarmes Wasser in ein Plastikbecken, legt einen dunkelblauen Lappen hinein und geht damit zu Frau Tobler ans Bett. «Ich bringe das Wasser, um Sie zu waschen, aber zuerst binde ich Ihre Beine ein. Dafür nehme ich Ihnen etwas von der Wärme.» Die Pflegefachfrau kniet sich am Fussende hin, schiebt das Duvet leicht zurück, greift blindlings nach rechts, wo sie zuvor die Körperlotion platziert hatte. «Ich massiere Ihnen die Füsse, die sollen Sie heute tragen.» Heute ist ein guter Tag. Die Wolken am Ferienort von Frau Tobler haben sich verzogen, ihre Stimme ist kräftig: «Ich mache alles mit, Sie müssen auch eine Freude haben.»

      Nach der Fussmassage erhält sie einen Kompressionsverband, um den Kreislauf und die Gehkraft zu stärken. «Damit Ihnen nicht sturm wird, wenn Sie aufsitzen.» Von den Zehenwurzeln bis unter die Knie legt Ruth Meyer den Verband, nicht zu locker, nicht zu satt, mit routinierten Kreisbewegungen, die in ihrer Sorgsamkeit einmalig wirken. Anna Tobler macht wie versprochen mit, hebt das linke, dann das rechte Bein.

      «Damit es ringer geht für Sie. Die Beine kann ich lange in der Luft halten. Ich übe im Bett halt immer.»

      «Sie machen das gut. Können Sie die Zehen gut bewegen, drückt es nirgends?»

      «Von hier oben aus gesehen, geht es gut.»

      Zum Schluss stülpt die Pflegefachfrau erst dünne, beige Kompressionssocken, dann weiche, bunte Wollsocken über die Zehen. So wie es Frau Tobler seit Langem gewohnt ist. «Wichtig ist, jedes Mödeli der Leute zu kennen und beizubehalten», sagt Ruth Meyer. Deshalb berücksichtigt sie auch praktische Ideen von Angehörigen: Um den Kunststoffschlauch des Katheters wickelt die Tochter jeweils ein Leinentüchlein, das Frau Toblers empfindliche Haut schützen soll. Die Pflegefachfrau tut dies nun genauso. Sie hat blaue Einweghandschuhe angezogen und kontrolliert die heikle Eintrittsstelle des Katheters, bevor sie mit der Intimpflege beginnt.

      «Ist die Wassertemperatur so recht?»

      «Ja, ja, ich bin nicht heikel.»

      «Das weiss ich, Frau Tobler. Nun gebe ich Ihnen ein Schüpfli, damit Sie sich auf die Seite drehen und ich das Gesäss waschen kann.»

      «Manches möchte ich lieber nicht haben, aber ich reklamiere nicht. Wenn es ganz unangenehm wäre, würde ich es sagen.»

      «Frau Tobler, Sie dürfen jederzeit sagen, wenn Sie etwas stört. Ich bin auch nicht heikel.»

      «Das merke ich mir.»

      Ruth Meyer denkt bereits weiter. Links, leicht oberhalb des Gesässes, hat die Klientin eine Druckstelle, die nicht wund oder gar entzündet werden darf. Um die Stelle zu kontrollieren, dreht sie Frau Tobler auf den Rücken zurück, umrundet das Bett und dreht sie nun auf die andere Seite.

      «Das sieht besser aus, auftragen muss ich nichts. Aber diese Stelle müssen wir im Auge behalten.»

      «So, so, ich sehe halt nicht um die Ecke.»

      «Ich massiere das Gewebe um die gerötete Stelle. Das regt die heilende Durchblutung an.»

      «Wovon kommt das denn?»

      «Vom Druck. Sie liegen im Bett oft auf dem Rücken und sitzen im Rollstuhl darauf.»

      «Aha. Und dann bin ich noch difficile.»

      «Auf Druck reagieren wir alle empfindlich.»

      Ruth Meyer zieht der liegenden Klientin eine weiche, bequeme Hose an, prüft, ob die Nähte nirgends drücken und bittet Frau Tobler, sich aufzurichten. Das geht heute gut, ohne Hilfe, genauso wie die drei kleinen Schritte bis zum Rollstuhl. «Mir ist nicht sturm, ich bin stark, habe schwer gelebt.» Der Rollstuhl passt knapp durch die Türöffnung des Badezimmers und vor das Lavabo.

      «Für das Waschen von Gesicht und Oberkörper habe ich hier das Wasser schon bereit gemacht.»

      «Bin ich sehr dreckig?»

      «Ich glaube nicht», lacht Ruth Meyer und gibt der sitzenden Frau den feuchten, gelben Waschlappen in die rechte Hand. Anna Tobler schliesst die Augen und fährt sich langsam über das Gesicht. «Das ist schön. Wie wenn mich jemand streicheln würde.» Dann zeigt sie, wie gut sie heute den rechten Arm heben kann, der sie lange Zeit schmerzte. «Ich übe halt immer, und die Hand geht noch gut, das ist die Hauptsache.»

      «Sie können noch viel machen, das ist wahr. Wenn Sie sich jetzt nach vorne beugen, wasche ich den Rücken.» Nach dem Abtrocknen reibt die Pflegefachfrau Kampfersalbe ein, weil das Anna Tobler ganz besonders mag.

      «Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie so verwöhnt worden.»

      Während die munter gelaunte Frau in der Küche mit dem Inhalationsgerät ein- und ausatmet, räumt Ruth Meyer in Schlaf- und Badezimmer auf, lässt frische Luft herein und hört aus der Küche: «Das ist nur ein Spiel. Ich bin mich anderes gewohnt, weiss, was schwer arbeiten heisst.» Die Tochter hat die zahlreichen Medikamente auf einen Teller gelegt, und Frau Tobler schluckt sie blitzschnell mit Wasser. Ruth Meyer bringt die gereinigte Brille von Anna Tobler und überrascht damit die Tochter.

      «Sie putzen sogar die Brille meiner Mutter? Kürzlich sagte ich zu ihr: Merkwürdig, deine Brille wird nie schmutzig.»

      «Das gehört bei mir dazu. Ich sorge für einen klaren Blick.»

      Frau Tobler blickt auf ihre Hände:

      «Da sehen Sie, wie alt ich bin.»

      «Genau, das sind Ihre Lebensspuren. Jetzt muss ich weiter.»

      «Schade.»

      «Ich komme morgen Früh wieder. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag. Adieu.»

      Ruth Meyer bestätigt auf ihrem Tablet alle aufgelisteten Pflegeschritte, tippt eine Notiz zum Schmerzpflaster am Oberarm, das sie heute entfernt hat, und stoppt den Einsatz. Nach fünfzig Minuten. Erstaunlich, dass nicht mehr Zeit verstrichen ist während der vielen Handlungen, den Zwiegesprächen und ruhigen Zuwendungen. Während all dem, was die betagte Frau erhalten und was zur Entlastung der Tochter beigetragen hat. «Die Tochter hat eine schwierige Aufgabe übernommen», sagt Ruth Meyer. «Ich weiss nicht, wie lange sie das tragen kann. Demnächst findet wieder ein Standortgespräch statt. Im Übergangsteam haben wir den Vorteil, beweglich auf Veränderungen reagieren zu können.» Die Kolleginnen der anderen Pflegeteams haben ihre festen Touren – in der Region Thal sind es täglich 35 –, die Einsätze der Fachfrauen des Übergangsteams variieren aber. «Manchmal ist es anstrengend und die Tage können sehr lang sein.» Ruth Meyer ist für ein Pensum von achtzig Prozent angestellt. «Ich bin flexibel und setze laufend Prioritäten. Mein Pensum

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