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Kopf. Ich schaue ihr nach, bis sich die Tür hinter ihr schließt.

      ♫

      »Wer ist da?« Du erschrickst, jemand hämmert gegen die Tür deiner verriegelten Toilettenkabine. Du packst eilig deine Brotdose und den dicken Schmöker, welchen du auf Wunsch von deinem Dad geschenkt bekommen hast, in deine Schultasche. Die Tasche geht nicht ganz zu. Erneut wird gegen deine Tür gehämmert:

      »Wird’s bald?«

      Panik steigt in dir auf, als du deine Tasche immer noch nicht zubekommst.

      »Hast du deine Zunge verschluckt, oder was?«, fragt dich die Stimme vor der Kabinentür.

      Du schüttelst hastig deinen Kopf, bis dir klar wird, dass du ja nicht gesehen wirst.

      »Jane, du Flasche, tritt doch einfach die Tür ein!«, ertönt nun eine zweite Stimme. Du fängst an zu zittern, als du endlich deine Tasche schließen kannst und beide Riemen über deine Schulter ziehst. Deine Hand mit dem Freundschaftsarmband greift nach dem Türknauf.

      Du schiebst ihn auf grün und bereust es im nächsten Moment.

      Du wirst gegen die Tür geboxt, welche unter deinem schweren Gewicht zurückklappt, dein Körper landet unsanft auf den kalten Fliesen.

      Vor dir stehen die drei Schlägermädchen.

      »Wen haben wir denn da? Piggypaige. Kriegst du deine Skinnyjeans nicht zu?« Du rutschst reflexartig ein paar Zentimeter nach hinten. So weit, bis du die kalte Toilettenschüssel an deinem schweißnassen Rücken spürst.

      Deine Schultasche ist dir von den Schultern gerutscht, du suchst tastend den Boden ab. Dein Blick wandert nach oben. Jane hält sie in ihren manikürten Fingern, hinter ihr steht Everly, das stärkste Mädchen aus deiner Stufe. Jane versenkt deine Tasche geräuschvoll im Mülleimer neben dem Waschbecken. Auf ihrer Wange kannst du die Reste eines Blutergusses erkennen und ihre Haare wirken, als hätte sich ein kleines Kind mit der Bastelschere ausgetobt. Du wimmerst, beißt aber dann deine Zähne zusammen.

      Du weißt, dass es besser ist, keinen Ton von dir zu geben.

      »Los, steh auf!«, meint die Brünette, deren Namen du nicht kennst.

      Wäre Robyn hier, würden sie es bei fiesen Bemerkungen belassen, um nicht von der ganzen Stufe gehasst zu werden, weil Robyn das beliebteste Mädchen ist und jeder weiß, dass du ihre beste Freundin bist.

      Als du dich nicht regst, packt Everly dich am Kragen und presst dich an die Toilettenwand. Du riechst ihren Mundgeruch und öffnest deinen Mund, um zu schreien.

      Dich hört sowieso niemand.

      Der erste Schlag trifft dich direkt aufs Auge.

      Lös dich doch in Luft auf, iss nichts mehr, dann wirst du immer weniger, bis du schließlich nichts mehr bist.

      Und

      nie

      wieder

      etwas

      fühlen

      musst.

      Alles verschwimmt.

      Du öffnest deinen Mund.

      Diesmal schreie ich wirklich.

      Schnell atmend öffne ich meine Augen, bin viel zu geschockt, um zu weinen.

      Angsteinflößende Dunkelheit umhüllt mich und ich versuche, mich zu beruhigen.

      Suchend huscht mein Blick über die Wände.

      Ich bin hier.

      In meinem Zimmer.

      Nicht dort.

      Die Tür geht auf, ich schreie noch einmal. Draußen donnert und blitzt es, mein Atem geht schneller. Voller Panik rollt mir eine Träne über die Wange.

      »Ich hab dich schreien gehört«, flüstert Curtis, und eine Sekunde später ist meine Nachttischlampe an.

      Ich wimmere und streiche mir die klebrigen Haarsträhnen aus dem Gesicht.

      »Es ist nicht das Gewitter, oder?«, fragt er im Flüsterton und setzt sich auf die Matratze.

      Ich schaue zu Boden und versuche, den Tränenfluss zu stoppen. »Manchmal hilft es, zu weinen, Paige Courtney.«

      »Du hast Alyaska vergessen.« Er sieht mich fragend an.

      »Mein Zweitname. Das heißt Alaska, wird aber russisch ausgesprochen.« Curtis grinst.

      »Das passt nicht zum Rest«, sagen wir gleichzeitig und lachen, er kehlig und ich schniefend.

      »Hast du einen Alptraum gehabt?«

      Ich nicke zögernd. Es ist mir unangenehm, darüber zu sprechen.

      »Hast du eigentlich kein eigenes Zuhause, oder warum bist du andauernd hier?«, frage ich ihn neckend, als ich checke, dass er eigentlich gar nicht hier sein müsste. »Unser Vermieter lässt in meinem Zimmer gerade irgend so ein beschissenes Rohr verlegen und da ist was schiefgelaufen.«

      Ich schaue ihn an und denke darüber nach, wie es sein muss, immer nach Zimt zu riechen, mit siebzehn keine Eltern zu haben und in einer Musiker-WG zu leben.

      Curtis führt ein komplett anderes Leben als ich.

      »Bleibst du noch hier?«, frage ich nach einer Weile, in der jeder von uns seinen Gedanken nachgehangen hat.

      »Wenn du willst.«

      Im Licht meiner Nachttischlampe erkenne ich, dass Curtis wieder grinst, und ich tue es ihm gleich. Ich lege mich wieder hin und bin mir nicht sicher, wie die Situation weitergehen wird. Curtis hebt meine zu Boden gefallene Decke auf und lehnt sich mit dem Rücken gegen die Wand.

      Mein Blick ist an die Decke gerichtet.

      »Wie spät ist es eigentlich?«, flüstere ich.

      »Kurz nach zwei«, antwortet Curtis leise und schaut mich an.

      Ich drehe mich zu ihm, denke nicht darüber nach, wie unwirklich diese Situation eigentlich ist.

      »Bist du müde?«, fragt er mich, und ich bin über meine Antwort überrascht: »Nein, du?«

      »Nicht wirklich.« Ich grinse und setze mich auf.

      Im schummrigen Licht kann ich außer Curtis fast nichts erkennen.

      »Gehen wir spazieren?« Er stößt sich von der Wand ab.

      »Jetzt?«

      »Ja, warum nicht?« Curtis sieht aus, als wäre er gerade dabei, einen witzigen Plan auszuhecken, und ich klettere aus dem Bett, während ich versuche, mein Lächeln zu unterdrücken.

      »Wir müssen leise sein, Marie und dein Dad finden es sicher nicht so witzig, wenn sie merken, dass wir weg sind«, flüstert Curtis und ich laufe zu meinem Kleiderschrank, um mir Jeans und Hoodie anzuziehen, weil es draußen eiskalt sein muss.

      »Könntest du dich … umdrehen?«, frage ich stotternd und höre im nächsten Moment Curtis’ tiefe Lache. »Ich sehe dich doch da drüben in der Dunkelheit sowieso nicht.«

      »Trotzdem!«, flüstere ich und er dreht sich lachend um.

      Wir schleichen uns wie Ninjas die Treppe runter und grinsen uns verschwörerisch zu, als wir durch den Hinterausgang in der Küche nach draußen verschwinden.

      Es fühlt sich an wie der Anfang eines Abenteuers.

      Draußen weht ein eisiger Wind und ich ziehe meine Jacke etwas enger um mich, als wir die Straße entlanglaufen. Hinter den gespenstisch wirkenden Bäumen höre ich entfernt das Rauschen vom Gerritsen Beach.

      »Warum heißt eure Band eigentlich eXtRaVaGant?«, frage ich und lasse es so klingen, als wäre mir die Frage gerade spontan eingefallen, dabei denke ich seit gestern Nacht darüber nach, wie ich ihn das am besten fragen könnte.

      Auf Curtis’ Gesicht schleicht sich ein belustigtes

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