Скачать книгу

– bloß weg hier!«

      »Und meine Eltern haben vor uns Kindern einfach nicht gestritten«, sagt Susan.

      »Irgendwelche Vorbilder, wie man um Vergebung bittet?«, frage ich.

      »Tja«, sagt Susan lachend, »da wir keinen Streit erlebt haben, haben wir auch nicht erlebt, wie jemand sich entschuldigt hat.«

      »Und ich kann mich nicht dran erinnern«, sagt Marco.

      »Leuchtet es Ihnen ein, dass alle Paare bestimmte Methoden brauchen, um Konflikte hinter sich zu bringen und um Vergebung zu bitten?«, frage ich.

      Übliche Stressfaktoren, unglückliche Umstände, Fehlverhalten

      Informationen über äußere Umstände, darunter Kinder und die erweiterte Familie, sind wichtige Aspekte. Vieles hat Einfluss auf das Paar gehabt, sowohl in normalen Lebensphasen als auch bei Ereignissen, über die es keine Kontrolle hatte. Sind Kinder gerade dabei, das Elternhaus zu verlassen? Ziehen betagte Eltern ein oder liegen sie im Sterben? Hat jemand seine Arbeit verloren? Vielleicht gibt es auch Unterschiede in der Libido, vielleicht hat eine der beiden Personen eine Affäre, eine affektive Störung, eine traumatische Vergangenheit oder Suchtprobleme. Da viele Paare nicht von sich aus über heikle Dinge sprechen, wenn wir nicht aus therapeutischer Sicht nachfragen, ist es wichtig, den beiden klarzumachen, dass wir über alles sprechen können. Explosivere Themen wie Wut und Geheimnisse werden in späteren Kapiteln behandelt.

      Susan und Marco

      »Ich würde Ihnen gerne ein paar Fragen stellen«, fange ich an. »Möchten Sie sich mit Ihrer sexuellen Beziehung beschäftigen?«

      Susan und Marco sehen sich an.

      »Tja, Susan ist mit unserem Sexualleben nicht besonders zufrieden«, sagt Marco. »Ich weiß, dass viele Leute mit so was Probleme haben. Aber es ist peinlich, darüber zu sprechen, und ich kann mir nicht vorstellen, das zu tun, wenn jemand anders dabei ist.«

      Eine Weile herrscht Schweigen. Dann sagt Susan: »Früher ist es uns total gut damit gegangen, aber jetzt kommt es mir vor, als hätte Marco einfach kein Interesse mehr daran, und wir können nicht darüber sprechen, ohne uns zu streiten. Mir würde es also helfen.«

      »Wenn wir uns besser kennenlernen, wird Ihr Umgang miteinander sich ändern und außerdem werden Sie sich wohler mit mir fühlen«, sage ich. »Dann werde ich Ihnen helfen, Ihre sexuelle Beziehung zu erforschen und zu verstehen, was Sie beide brauchen, um wieder zueinander zu finden.«

      Marco blickt aus dem Fenster. Susan nickt.

      »Irgendwelche weiteren Stressfaktoren?«, frage ich. »Krankheiten, Depression, betagte Eltern, Probleme mit den Kindern? Hatte einer von Ihnen eine Affäre?«

      Wenn eine der beiden Personen sich entscheidet, schon in der ersten Sitzung eine Affäre einzugestehen, kann das sowohl für die andere Person als auch für uns in der therapeutischen Rolle extrem schmerzhaft und schwierig sein. Da wir jedoch im Hier und Jetzt arbeiten, gehen wir jede Situation, die sich ergibt, direkt und mit so viel Selbst-Führung wie irgend möglich an. Nach meiner Erfahrung kommt es nur selten zu so etwas, aber wenn doch, müssen wir schnell unser eigenes System beruhigen, um präsent und offen für die Gefühle des Paares zu sein.

      »Ich nicht«, sagt Susan. »Was ist mit dir, Marco?« Sie sieht ihn an.

      »Nichts dergleichen«, sagt er. »Und wir haben absichtlich keine Kinder bekommen. Wir haben beide sehr fordernde Berufe, die wir lieben, und haben uns bewusst dafür entschieden statt für Kinder.«

      »Gibt es beruflichen Stress?«, frage ich.

      »Ja. Wir stehen beide extrem unter Druck.«

      Am Ende der Sitzung

      Am Ende einer Sitzung lasse ich immer etwas Zeit dafür, über den Kern dessen nachzudenken, was ich gehört habe, und um zu erklären, wie ich dem Paar helfen könnte.

      »Bevor wir heute aufhören«, sage ich, »will ich Ihnen ein paar Dinge sagen. Ich nehme einen Wunsch danach wahr, anders miteinander umzugehen, und ich nehme wahr, dass bestimmte Teile von Ihnen wenig Vertrauen in Ihre Fähigkeit haben, solche Veränderungen zustande zu bringen. Meine Aufgabe ist es, Ihnen zu vermitteln, wie Sie anders miteinander kommunizieren können, damit einerseits Raum dafür bleibt, unterschiedliche Bedürfnisse zu verhandeln, und damit Sie andererseits wieder die Verbindung zueinander herstellen können, die Sie vermissen. Zu diesem Zweck bin ich auch dafür da, eine Umgebung zu schaffen, in der Ihre beschützenden Teile sich sicher genug fühlen, ihre Waffen abzulegen. Mit etwas Zeit und intensiver Arbeit kann Ihr Umgang miteinander sich ändern, da bin ich mir ziemlich sicher.«

      THERAPEUTISCHE TIPPS

       Stellen Sie sich einen Moment vor, wie Sie eine andere Richtung vorgeben, wenn Klientin oder Klient in einer der ersten Sitzungen mit hoffnungslosen, wütenden Teilen verschmolzen ist.

       Spüren Sie in Ihren Körper hinein.Welchen Impuls haben Sie?Wie fühlen Sie sich?Was hören Sie sich zu sich selbst sagen?Was tun Sie?

       Bei unangenehmen Interaktionen ruhig zu bleiben, erfordert Selbstwahrnehmung und die Fähigkeit, sich schnell von den eigenen Teilen zu lösen, damit man ihnen Mitgefühl und Fürsorge zukommen lassen kann.

      Zusammenfassung

      Die obigen Ausschnitte aus einer Therapiesitzung demonstrieren einige der Fragen, die ich stelle, um herauszufinden, ob äußere Zwänge, Druck auf einen oder beide Personen oder irgendwelche schweren Vertrauensbrüche vorhanden sind. Allgemein gesagt, sammle ich Informationen, während ich zu den nächsten Schritten weitergehe, wie in späteren Kapiteln deutlich werden wird. Man braucht viele Sitzungen, um die gesamte Geschichte eines Paares kennenzulernen, um zu erfahren, womit die beiden kämpfen und welche Dynamik sie am dringendsten ändern wollen. Manchmal kommen später Geheimnisse oder heikle Erfahrungen zum Vorschein, aber egal, ob früh oder spät, es ist entscheidend, im Selbst zu bleiben, um mit unerwarteten Dingen umgehen und entsprechend reagieren zu können.

      Alle erwähnten Themen können in einer langen ersten Sitzung oder im Laufe mehrerer Sitzungen zur Sprache kommen. Manche tauchen jedoch vielleicht nie auf. Manche Paare wollen erst einmal Bericht erstatten, andere fangen sofort an, an ihren Problemen zu arbeiten. Folgen Sie einfach dem, was das Paar vorgibt, und halten Sie mit ihm Schritt. Nach meiner Erfahrung bemühen die meisten Paare sich in der ersten Sitzung, ruhig und gefasst zu bleiben. So wütend oder frustriert die beiden auch sein mögen, sie wollen sich hilfreich verhalten und sind bereit, starke Emotionen lange genug zurückzuhalten, um ihre Situation und ihre Probleme zu beschreiben. Indem wir spiegeln, was sie sagen, indem wir eine Verbindung zu ihnen herstellen, einen sicheren Raum schaffen und die Möglichkeit zur Veränderung anbieten, unterstützen wir sie bei der maßgeblichen Aufgabe, ihr vegetatives Nervensystem zu beruhigen. Wir sollten nämlich so schnell wie möglich eine Alternative zu dem Muster entwickeln, entweder der Reaktion des sympathischen Nervensystems zu folgen (Kampf oder Flucht) oder jener des Parasympathikus (krampfhaft auf die Bremse treten und erstarren).

      Als Therapeutin oder Therapeut haben wir natürlich alle unseren eigenen Stil und unsere eigene Methode, uns mit einem neuen Paar vertraut zu machen. Bei jeder therapeutischen Unternehmung entsteht ein einzigartiges Mini-System aus dem Paar und Therapeutin oder Therapeut, in dem alle Beteiligten unweigerlich einen bestimmten Gesprächs- und Umgangsstil entwickeln. Daher möchte ich Ihnen nicht vorschlagen, Ihre Vorgehensweise zu ändern, außer sie steht in direktem Konflikt zum Konzept von IFIO. Behalten Sie Ihren Werkzeugkasten bei! Vorrangiges Ziel muss es immer sein, in Verbindung mit unseren eigenen Teilen zu bleiben und uns auf das innere System von Klientin oder Klient einzustimmen.

      Конец

Скачать книгу