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die Verordnung über Reisepässe von Juden, welche die Pässe von Juden für ungültig erklärte und deren Einziehung vorsah. Die Reisepässe sollten mit Geltung für das Ausland erst wieder gültig werden, »wenn sie von der Passbehörde mit einem vom Reichsminister des Innern bestimmten Merkmal versehen werden, das den Inhaber als Juden kennzeichnet«. Als entsprechende Kennzeichnung wurde ein in roter Farbe gestempeltes »J« vorgesehen (sogenannter »Judenstempel«).

      Die Ausgrenzung und Diskriminierung der Juden zwischen 1933 und 1938 verdeutlicht alleine die Vielzahl antisemitischer Gesetze, Verordnungen und Erlasse, die bereits vor 1939 in Kraft traten, von denen einige exemplarisch aufgelistet seien: »Juden werden aus dem großdeutschen Schachbund ausgeschlossen (9.7.1933)«, »Juden werden aus Gesangsvereinen ausgeschlossen (16.8.1933)«, »Badeverbot für Juden am Strandbad Wannsee (22.9.1933)«, »Berufsverbot für jüdische Musiker (31.3.1935)«, »Die Taufe von Juden und der Übertritt zum Christentum hat keine Bedeutung für die Rassenfrage (4.10.1936)«, »Mit Jüdinnen verheiratete Postbeamte werden in den Ruhestand versetzt (8.6.1937)«, »Nur ehrbare Volksgenossen deutschen oder artverwandten Blutes können Kleingärtner werden (22.3.1938)«. Am 25. Juni 1938 wurde es Juden verboten als Ärzte zu praktizieren mit Ausnahme der Versorgung jüdischer Patienten, am 27. September untersagte eine Verfügung jüdischen Rechtsanwälten ihre Tätigkeit. Zur Beraubung der Juden trug das bereits am 18. Mai 1934 erlassene Gesetz über Änderung der Vorschriften über die Reichsfluchtsteuer bei, das sich in den kommenden Monaten zu einem Instrument entwickelte, um jüdische Emigranten teil zu enteignen. Um den Zugriff auf jüdische Vermögen weiter zu erhöhen, sah eine Verordnung vom 26. April 1938 eine Anmeldung des Besitzes vor.

      Im Herbst 1938 wurden Tausende Juden polnischer Staatsangehörigkeit, die zumeist schon seit etlichen Jahren in Deutschland lebten, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ausgewiesen. Hintergrund der Aktion bildete die Ankündigung der Regierung Polens, im Ausland lebenden polnischen Bürgern, die bis zum 31. Oktober ihre Pässe nicht erneuerten, die Staatsbürgerschaft zu entziehen. Am 28. und 29. Oktober 1938 wurden daraufhin 17 000 polnische Juden aus verschiedenen deutschen Städten von der Polizei abgeholt und nach Polen abgeschoben, unter ihnen auch die Familie Grynszpan. Ihr 17-jähriger Sohn Herschel Grynszpan (1921–1942/45), der in Paris lebte, fasste daraufhin den Plan, seine Eltern durch die Ermordung des Legationssekretärs der deutschen Botschaft, Ernst Eduard vom Rath (1909–1938), zu rächen. Als vom Rath an den Folgen des Attentats starb, nutzte das Nazi-Regime den Vorfall, um die staatlicherseits inszenierten Novemberpogrome auszulösen. Über die sogenannte »Polenaktion« berichtet Marcel Reich-Ranicki (1920–2013), der 1938 in Berlin seine Abiturprüfung mit Erfolg bestand:

      »Am 28. Oktober 1938 wurde ich frühmorgens, noch vor 7 Uhr, von einem Schutzmann (…) energisch geweckt. Nachdem er meinen Pass genauestens geprüft hatte, händigte er mir ein Dokument aus. Ich würde, las ich, aus dem Deutschen Reich ausgewiesen. Ich solle mich, ordnete der Schutzmann an, gleich anziehen und mit ihm kommen. Aber vorerst wollte ich den Ausweisungsbescheid noch einmal lesen. Das wurde genehmigt. Dann erlaubte ich mir, etwas ängstlich einzuwenden, in dem Bescheid sei doch gesagt, ich hätte das Reich innerhalb von vierzehn Tagen zu verlassen – und überdies könne ich auch Einspruch einlegen. Für solche Spitzfindigkeiten war der auffallend gleichgültige Schutzmann nicht zu haben. Er wiederholte streng: ›Nein, sofort mitkommen!‹ Dass ich alles, was ich in dem kleinen Zimmer besaß, zurücklassen musste, versteht sich von selbst.« (Reich-Ranicki 1999: 157)

      Polen schloss daraufhin seine Grenzen, sodass die Deportierten sich unter elenden Bedingungen im Niemandsland wiederfanden. Die »Polenaktion« war ein »Scheitelpunkt«, der zu einer neuen Phase der Judenverfolgung überleitete. Die Radikalisierung im Laufe des Jahres 1938 ist nicht zuletzt daran ersichtlich, dass es bereits vor den Novemberpogromen zur Schändung sowie zur Zerstörung von Synagogen kam, so beispielsweise am 9. Juni 1938 in München und am 10. August 1938 in Nürnberg. Die Münchner Hauptsynagoge wurde bereits kurze Zeit später abgerissen. Wenig bekannt ist die sogenannte »Juni-Aktion«, die bereits vor den Novemberpogromen am 15. Juni 1938 zur Verhaftung von 1500 Juden und ihrer Einlieferung in deutsche Konzentrationslager führte.

      1.2 Die Entrechtung der Juden Deutschlands 1938–1941

      Die Novemberpogrome in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 sowie die in den Tagen darauf einsetzende Verhaftungswelle von über 30 000 Juden, die in Konzentrationslager wie Dachau, Buchenwald und Sachsenhausen verschleppt wurden, markieren einen deutlichen Einschnitt und den Beginn der zweiten Phase des nationalsozialistischen Staatsantisemitismus. Im Zeitraum zwischen November 1938 und dem Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 sahen sich die deutschen Juden neben der Beraubung ihrer Rechte einer unmittelbaren physischen Gefährdung ausgesetzt, die zwar noch nicht den Charakter eines geplanten Genozids besaß, gleichwohl diesen bereits erahnen ließ. Die verschärfte Gefahrenlage erkannten viele Juden, sodass die Flüchtlingszahlen in den Wochen und Monaten nach den Pogromen sprunghaft anstiegen. Viele versuchten jetzt nur noch, Deutschland so schnell wie möglich zu verlassen. Angesichts der restriktiven Aufnahmepolitik vieler Länder erwies sich das Unterfangen indes als äußerst schwierig. Es begann das Ringen um Visa, Affidavits und Schiffspassagen, um die Aktivierung von Bekannten oder Verwandten im Ausland, die bereit waren zu bürgen, sowie um das Auftreiben benötigter Gelder angesichts der wachsenden finanziellen Verelendung der deutschen Juden. In den Jahren zwischen 1933 und 1939 verließen über 250 000 Juden das Deutsche Reich. Nach den Novemberpogromen erreichte die Massenflucht mit ca. 80 000 Juden ihren Höhepunkt.

      Die Novemberpogrome offenbarten, dass sich die nationalsozialistische Judenpolitik in Richtung einer Existenzbedrohung genozidalen Ausmaßes wandelte. In der Reichspogromnacht sowie in den Tagen darauf wurden bis zu 1500 Juden ermordet oder starben an den Folgen der Übergriffe sowie der KZ-Haft. Im November verschärften die Nazis gleichfalls ihre Maßnahmen zur Beraubung der Juden. Am 12. November 1938 unterzeichnete Hermann Göring die Verordnung über eine Sühneleistung der Juden deutscher Staatsangehörigkeit, die den Juden eine Kontributionszahlung von einer Milliarde Reichsmark (»Judenvermögensabgabe«) auferlegte. Der groß angelegte staatliche Diebstahl jüdischer Vermögen wurde begleitet von einer Beschlagnahmung der Versicherungsansprüche der Schäden, die jüdische Geschäfte wie Privatwohnungen durch die Novemberpogrome erlitten. Als weitere Maßnahme wurde am 12. November 1938 die Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben verabschiedet, die Juden u. a. das Führen von Einzelhandelsgeschäften sowie von Handwerksbetrieben ab dem 1. Januar 1939 untersagte. Diverse weitere Verordnungen, wie die vom 21. Februar 1939, welche den Juden die Ablieferung von Schmuck, Gegenständen aus Gold, Silber, Platin und Perlen auferlegte, erschwerten die ökonomische Lage der Juden zusehends, zumal angesichts des Tatbestands, dass eine berufliche Existenz für Juden ohnehin immer schwieriger geworden war.

      Die soziale Isolation der Juden wurde vor Kriegsbeginn durch weitere Anordnungen verschärft, wie u. a. durch die Verordnung, dass jüdische Kinder keine öffentlichen Schulen mehr besuchen durften (15.11.1938) oder im April 1939 durch das Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden, das den Kündigungsschutz für Juden aushebelte, die nunmehr auch in wohnungspolitischer Hinsicht von der nichtjüdischen Bevölkerung getrennt wurden.

      Der deutsche Überfall auf Polen am 1. September 1939 war der Beginn des Zweiten Weltkriegs. Die Verordnung »Juden dürfen nach 8 Uhr abends (im Sommer 9 Uhr) ihre Wohnungen nicht mehr verlassen« vom selben Tag spiegelt bereits den »Polenfeldzug«. Den Überfall auf Polen nutzten die Nazis dazu, Juden überlebenswichtige Informationen vorzuenthalten sowie Kommunikationswege mit der nichtjüdischen Bevölkerung einzuschränken. Per Verordnung vom 23. September 1939 mussten Juden ihre Rundfunkgeräte abliefern. Einige Monate später kündigte die deutsche Post per Erlass vom 29. Juli 1940 den Juden ihre Telefonanschlüsse.

      Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion vom 22. Juni 1941 ging mit der völligen Entrechtung der deutschen Juden einher. Es war folglich kein Zufall, dass nur wenige Wochen nach dem Überfall auf die Sowjetunion die Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden festlegte, dass ab September 1941 alle Juden, die nach den »Nürnberger Gesetzen« als solche galten, vom vollendeten sechsten Lebensjahr an, einen »Judenstern« sichtbar auf der linken Brustseite des Kleidungsstücks in

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