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Der Sonnensturm Teil 1 Energiekrieg. Hardy Klemm
Читать онлайн.Название Der Sonnensturm Teil 1 Energiekrieg
Год выпуска 0
isbn 9783959630368
Автор произведения Hardy Klemm
Издательство Автор
Aber zu was für einem Preis!
Das Cockpitfenster, das einzige Fenster, zeigte die immer gleichen Sterne, einen Teil des Rumpfes und sonst nichts. Martin stellte sich vor, dass etwas durch die Scheibe schoss, Raumschrott. Er hatte bereits geahnt, dass dieser nicht so groß sein würde wie auf den Karten angezeigt. Martins Vorstellung, von einem gefrorenen Brocken Urin abgeschossen zu werden, brachte ihn nicht wirklich zum Lachen. Beim Überprüfen der Instrumente und der Systeme, da er langsam die natürliche Gravitation verließ, blinkten die ersten Sterne auf, die sich bewegten: Satelliten. Nach den ersten Kurskorrekturen durch den Autopiloten entdeckte Martin das Morgengrauen, mehr nicht. Es gab Witze darüber, wie wunderschön sich die Erde vom Orbit aus zeigte. So dicht, wie er davor war, dies zu sehen, war das auch einer. Er hätte gern die Tiefe begriffen, vielleicht, wenn er in die Senkrechte schwenkte …? Auch nicht, er konnte nur das Blau der Atmosphäre wahrnehmen.
Martin: Soll ich mich auf die Konsole legen und es so versuchen?
Aber dann dachte er, bei seinem Glück würde er auf die Schaltfläche kommen und im Bau-Modus zwischen den beiden Schiffen switchen, wenn er den falschen Knopf erwischte. Die Tür wäre da, Martin wäre der erste Mensch, der im Weltraum starb, was für eine Leistung. Das Schiff wäre weg und er würde brennend zur Erde zurückstürzen. Als nächstes sagte Martin, der Weltraumeroberer, schulterzuckend: »Scheiße.«
In der Hagakure, dem Ehrenkodex der Samurai, stand, man soll sich einmal pro Tag seinen eigenen Tod vorstellen. Es sollte immer auf eine andere Art geschehen. Zumindest war es vorstellbar, dass er beim ersten Mal der erste Mensch war, der dachte von Exkrementen abgeschossen wurde. Er hatte wie ein Bushidō eine Doppelschicht hinter sich gebracht. Der selbsternannte Samurai hatte ein neues Hobby.
Martin: Vielleicht werde ich beim Rückflug etwas sehen.
Er starrte auf einen Monitor, der zum Rückflugplan wechselte, überlegte, wie herum sein Schiff fliegen müsste und wo. Martin erkannte, dass er die Erde kurz auf der Tagseite zu Gesicht bekommen würde. Kurz ging gar nicht. Das wäre eine peinliche Sache, wenn sich die Unterhaltung seiner mutmaßlichen Kollegen um den Ausblick drehte, könnte er zu den Astronauten nur sagen: »Da war sie mal kurz.« Als würde er sein Genital beschreiben. Da will man doch lang sagen und nicht kurz!
Nach der Feststellung, dass die Konsole zu bullig schien, begann er einen achtstündigen Programmier-Marathon, eine richtige Sightseeing-Tour. Er wollte mitreden können. Da war er der erste Überlicht-Astro- oder Kosmonaut und das Tollste bekam er nicht zu Gesicht. Wo die Kontinente lagen, wusste er nicht, also verlief die Route von schräg nach links.
Den Raumschrott und die Satelliten ignorierte er dabei völlig. Um zwölf Uhr mittags machte er ein Schläfchen, nach zwei Stunden aß er eine Dose Ravioli. Er las gute Bücher und hörte dabei Musik von CD in Endlosschleife. Die Routine brach in den namenlosen Schiffskörper ein. Er las Nietzsche, den er nicht mochte, und Konfuzius, mit dem er sich stritt.
Martin: Ein Führer konnte am besten durch sein Vorbild dienen?
Er hatte grundsätzlich etwas gegen Führer und hier sollte wohl eher ein Kaiser Chinas sich benehmen, unter dem Konfuzius lebte.
Martin: Die größte Kraft erhält man, wenn die Gegensätze miteinander arbeiten. Aber wie macht man das? Natürlich, ein Kurzschluss!
Das Computerspielen wurde erst für ihn interessant, wenn er sich ein todsicheres System zum Gewinnen überlegt hatte. Programmierfehler waren eigentlich auch zu genießen. Jeder andere schmiss die Spiele weg, wenn dies zu oft passierte, aber für Martin war es Kleinkunst. Zum Beispiel Boras, der Spinnenkrieger, hatte den schnellsten Schlag, einen Speerhieb. Kein Gegner landete auch nur einen Treffer, weil er immer vorher getroffen wurde. Der machte alles nieder, da konnte angreifen, was wollte, das ganze Spiel bestand darin, sich auf den Boden zu hocken und mit dem Speer zu schlagen. Natürlich begann er auch, über seine Siege zu philosophieren.
Martin: Was nützt der größte Highscore, wenn ihn niemand sieht?
In die Filme, die er sah, kroch er hinein. Bei «Small Soldiers” sang er mit: »War? What is it good for? Absolutely nothing!«
Der Trick mit den zwei verschiedenen Schiffen musste bis zur Gänze ausgelastet werden. Ihm war brachial langweilig. Auf dieselbe Weise setzte er die Heizung unter die Liege, das war schön warm. Der Samurai legte sich dann auf die beheizte Liege, die Heizung bekäme einen Energiestoß und alles, was sich auf der Liege befand, verbrannte zu Asche, fiel durch das Gitter auf die Heizung und seine Füße, die nicht ganz auf der Liege Platz fanden, würden neben der Heizung auf den Sohlen landen.
Er wäre quasi nach dem Tod wiederauferstanden. Es stand die Frage im Raum, ob er der erste gewesen wäre, dem dies passierte. Die Kost war so einseitig, dass der Maître de micro-ondes, der Meister der Mikrowelle, die Mahlzeiten mit Absicht anbrennen ließ und unter anderem Bohnen und Fischsuppe kombinierte, am besten mit gerösteten Zwiebeln, nur um einen anderen Geschmack zu genießen, egal welchen.
Bei der üblichen Kurskontrolle setzte er sich um 16 Uhr in Shorts ins Cockpit. Er suchte einen Namen für sein Schiff.
Martin: PSS – Private Space Ship, da fehlt ein »i«. »Attila« – nein, nicht nach einem Feldherrn; »Blech« sagt, was es ist, »Aschenbecher« zu was es benutzt wird, »Phoenix« nach Gene Roddenberrys erstem Warpschiff. Die »Enterprise« wurde ja auch nach einem realen Schiff benannt, aber da ist ja noch das Shuttle, das nie im Weltraum war. Die Amis haben einfach die »Star Trek«-Ideologie genutzt. Ich nutze doch keine Ideologie!
Er spielte mit dem Gedanken, sich in »Kapitän Kirk« umzubenennen, als plötzlich ein hellbrauner Blitz erschien, dann nicht mehr, innerhalb von einer halben Sekunde. Als hätte der Vorführer im Kino die Weichstellung der Linse vergessen und dadurch sah man jedes Brandloch beim Rollenwechsel. So drehte er sich blitzschnell um und erstarrte, mit einem Lächeln, weil das Gesicht gefror, und großen Augen zwanzig bis dreißig Sekunden zur Schleuse, die das Cockpit mit Wohnkammer verband. Schockgefrostete Gedanken, die erst auftauen mussten. Jetzt fingen die Gedanken an, die Situation zu beurteilen, dazu waren sie da. Asteroid, möglich, er wäre ausgeleuchtet von der Sonne, die sich im Rücken befand. Eigentlich war die Wahrscheinlichkeit zu gering. Er flog nicht durch die Planetenscheibe und den Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Der Kuipergürtel war also weit entfernt oder die Oort'sche Wolke am Rande des Sonnensystems. Fehlfunktion, keine Ahnung, was transparentes Blech so auf die Dauer machte. Es hätte nur etwas für das Material typisches sein können.
Degradiert vom Groß-Kirk zum Kleinpassagier, strich er sich die Haare aus dem Gesicht. Wie oft wurde so was übersehen? Martin war zum in die Leere starren abkommandiert. Eigentlich bewegten sich alle Asteroiden auf einer Bahn. Stand dieser einfach da, auch beim Rückflug?
Die Aussicht beim Rückflug sah etwas anders aus. Der Asteroid würde nicht angestrahlt werden, wäre also ein schwarzer Punkt im schwarzen Weltraum. Er hatte sich aus zwei Gründen gegen den Flug durch die Planetenscheibe entschieden. Erstens, weil buchstäblich jeder die Planetenscheibe beobachtete, und zweitens aufgrund des interstellaren Krieges.
In der Schule bestand das Sonnensystem noch aus neun Planeten: Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun, und Pluto, dann kam etwas später Charon dazu und dann noch Sedna, also elf. Wir hatten zwei zusätzliche Planeten erobert. Dann waren es nur acht. Wir verloren, gegen wen auch immer. Da wollte sich Martin nicht einmischen. Mit den Zusatzschichten im Cockpit raste das Schiff weiter und Martins Selbstgespräche wurden immer lauter.
Martin: Stell dir mal vor, es kommt jemand zu Besuch, du stinkst, du brauchst ein Bad.
Für den Standard-Astronauten war ein Bad eine Utopie, obwohl er den halben Tag trainierte. Martin schuf sich Abhilfe. Er konstruierte eine Badewanne. Nach dem täglichen Sternbildergucken schuf der Designer nicht nur eine