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die Glocken in heftigem Rhythmus schlugen, flüsterte der Sterbende mit trockenen Lippen: „Christos anesti!“ Der Herr ist auferstanden! Die ersten Sonnenstrahlen fielen vom Berg herab.

      Tief unten an der Anlege wartete ich auf das erste Boot, das vom Athos-Kap heran tuckerte. Das Meer schäumte, selbst die See war ausgelassen. Dann kreuzten wir, vorbei an den Klöstern Dionysiou, Grigoriou und Simonos Petras, mit Kurs auf das Rossikon, dem mächtigen Kloster Panteleimonos der Russen, von denen 1917 vor der Revolution noch zweitausend Mönche hier lebten. Jetzt waren es in der letzten Bastion des heiligen Russland nur noch zwölf bärtige Steinalte in ärmlichen Kutten.

      Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs sind junge Russen in ihr Heiligtum zurückgekehrt und haben damit begonnen, das zerfallende Klosterdorf wieder aufzurichten. Ihren spirituellen Antrieb verdanken sie einem heiligen Mönch, Siluan, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in einem Schuppen das einfache Leben eines Arbeiters führte und dennoch in seinen Gebeten auf mysteriöse Weise die großen Fragen seiner Zeit berührte. In seinem Dorf galt der ehemalige Schreiner als Lebemann, den Frauen und dem Wodka verfallen, bei einer Schlägerei einen Kameraden lebensgefährlich verletzend. Auf dem Athos, den er als „heilige Flamme“ empfindet, geht es ihm nur noch um die „Liebe für die Welt und ihre Rettung“. Er möchte der elendste und letzte aller Sünder sein. Nach heftigen Dämonen-Attacken und einer Christusvision beginnt er einen „inneren Abstieg in die Hölle“, um den allverzeihenden, liebevollen Blick des Herrn „festzuhalten“. Siluans Lebensfrage: „Wie bleibe ich in der Gnade?“ Es wird ein Ringen zwischen Frieden und der Qual um das „verlorene Paradies“, bis ihm auf die entscheidende Frage, was er tun soll, um demütig zu werden, die Antwort zuteil wird: „Halte dich mit Bewusstsein in der Hölle und verzweifle nicht.“

      Das habe ich noch zu lernen. So ist der Athos: Umgeben von Abgründen zieht er in geistliche Gipfelregionen. Im Schweigen der Gottesnähe werden brutale Kämpfe „mit offenem Messer“ ausgefochten und die Gnade des „unerschaffenen Lichtes“ geschenkt. Von allem getrennt, doch mit allen verbunden, lehrt der 73-jährige Einsiedler Dimitri, den ich oben im Kastanienwald treffe. Er gleicht einem Clochard: struppig, langes ergrautes Haar, Kleiderfetzen, Holzsandalen. Tatsächlich hat der gebürtige Franzose Jahre lang in einer Hafenbar von Mykonos als Kellner gearbeitet. Den Sirtaki-Schritt von Alexis Sorbas beherrscht er noch, und „Jesus was a sailor …“ brummt er, den Song von Leonard Cohen.

      Die Zeit ist hier oben wild geblieben, vor allem wenn er nachts von den Dämonen heimgesucht wird. Sie sind ihm vertraut, er könnte sie beim Namen nennen, neben seinem Gebetspult steht tatsächlich ein Knüppel. Als ich lächle, warnt er: „Du hast keine Ahnung.“ Er sagt es in einem überraschend heftigen Ton. Über sein Gesicht kullern Tränen, er schämt sich ihrer nicht und nennt sie „Taufwasser, Segenstropfen“, die sein „Steinherz“ aushöhlen. Nie habe er in seinem Leben so viel geweint wie auf dem Heiligen Berg. Er spricht von einem „Geschenk des Glücks“. Ich blicke ihn etwas ratlos an als er sagt: „Im Dank kann nur der stehen, der gefallen ist.“

      In diesem Zustand begann seine leidenschaftliche Geschichte mit Gott, eine, zu der vor allem die „tragischen Sünder“ fähig sind. Es treffe zu für jeden Menschen in seinen persönlichen Verstrickungen: „Gott verlässt den Sünder nicht“, so erinnert er sich an einen Dichter, „im Gegenteil, er bearbeitet ihn, man könnte fast sagen, dass er ihn dort am wenigsten verlässt.“ Als er seinen geistlichen Vater Antonios um Rat bat, wann diese Kämpfe mit den Dämonen endlich ein Ende nehmen, erhält er zur Antwort: „Auf deinem Sterbebett.“

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