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nämlich dadurch anzuzeigen, mit wie mannigfachen Tugenden der Priester geschmückt sein müsse. Im hohenpriesterlichen Gewande erglänzt vor Allem das Gold, weil der Priester durch Verstand und Weisheit hervorragen muß. Hyacinth, dessen Farbe himmelblau, findet sich daran, weil der Priester durch Alles, was er im Verstande erfaßt, sich zur Gottesliebe erheben, aber nicht nach Menschengunst trachten soll, damit er nicht, indem er unvorsichtig sich vom Lobe einnehmen läßt, sogar das Verständniß der Wahrheit verliere. Dem Gold und Hyacinth ist Purpur beigemischt, weil im Herzen des Priesters, der die höchsten Wahrheiten zu verkündigen hat, keine lasterhaften Einflüsterungen Gehör finden dürfen, sondern gleichsam mit königlicher Macht sogleich zum Schweigen gebracht werden müssen, damit er den Adel seiner geistigen Wiedergeburt immer im Auge habe und sein Erbrecht zum Himmelreiche durch seine Tugenden sich wahre. Von diesem Geistesadel sagt Petrus: „Ihr seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priesterthum." 39Welche Kraft zur Unterdrückung böser Neigungen wir aber besitzen,versichert uns Johannes, indem er spricht: „Denjenigen aber,die ihn aufnahmen, gab er die Macht, Kinder Gottes zu werden.“40 Zum Golde, dem Hyacinth und dem Purpur kommt zweimal gefärbter Carmosin, weil vor den Augen des innern Richters alle Tugendwerke erst durch die Liebe ihren Werth bekommen und Alles, was vor den Menschen ein schönes Aussehen hat, vor dem Angesichte jenes verborgenen Richters mit der Flamme herzlicher Liebe brennen muß. Weil die Liebe in ihrer Beziehung auf Gott und den Nächsten eine doppelte ist, so erglüht auch der Carmosin in doppelter Färbung. Wer also über der Gottesliebe die Sorge für den Nächsten vernachlässigt oder mit dieser letzteren sich so zu thun macht, daß er dadurch in der Liebe Gottes lau wird, der versteht es nicht, weil er Eines von Beiden vernachlässigt, als Schmuck des Schulterkleides den doppelt gefärbten Carmosin zu tragen. Wenn aber die Seele sich bestrebt, das Gebot der Liebe zu erfüllen, so erübrigt noch ohne Zweifel, daß auch das Fleisch durch Enthaltsamkeit abgetödtet werde. Deßhalb kommt zum zweimal gefärbten Carmosin der gezwirnte Byssus, der sehr schön aus der Erde hervorsproßt.41Was bedeutet er anders als die Keuschheit, den blendend weissen Schmuck körperlicher Unversehrtheit? Gezwirnt ist er in den Schmuck des Schulterkleides verwoben, weil nur dann die Keuschheit zum vollen Glanze der Reinheit gelangt, wenn das Fleisch durch Enthaltsamkeit gezügelt wird. Wenn nun zu den übrigen Tugenden auch das Verdienst leiblicher Abtödtung kommt, so erglänzt gleichsam der gezwirnte Byssus am Schulterkleide in verschiedenen Farben. Wenn ich ferner die Pflicht des Hirten, da zu reden, dort zu schweigen, erwäge, so bemerke ich mit Furcht, wie nothwendig es sei, daß er vorsichtig im Schweigen und nutzbringend im Reben sei, damit er nicht schweige, wo er reden, und rede, wo er schweigen soll. Denn wie unvorsichtiges Reden zu Irrthum führt, so überläßt unzeitiges Stillschweigen Jene beim Irrthum, die man hätte belehren können. Oft scheuen sich ja sorglose Seelenhirten, die Wahrheit freimüthig auszusprechen, weil sie sonst die Gunst der Menschen einbüßen könnten, und bewachen so die Heerde, wie die ewige Wahrheit selbst sagt, nicht mit Hirtensorgfalt, sondern nach Art der Miethlinge, weil sie den Wolf kommen seben und fliehen, indem sie sich in Stillschweigen hüllen. Deßhalb tadelt sie der Herr durch den Propheten als „stumme Hunde, die nicht bellen können.”42Darum klagt er an einer ändern Stelle: „Ihr erhebet euch nicht zum Widerstand und setzet euch nicht zur Mauer für das Haus Israel, um fest zu stehen im Streite am Tage des Herrn.“43 „Sich zum Widerstand erheben” heißt, zur Vertheidigung ber anvertrauten Heerde mit freimüthigem Worte der weltlichen Macht entgegentreten. „Am Tage des Herrn aber im Streite fest stehen heißt, aus Liebe zur Gerechtigkeit ungerechten Gegnern Widerstand leisten. Wenn ein Hirte sich fürchtet, die Wahrheit zu sagen, was ist das Anderes, als die Flucht ergreifen durch eben dieses Stillschweigen? Wer aber für seine Heerde sich der Gefahr aussetzt, der setzt sich als Mauer für das Haus Israel den Feinden gegenüber. Darum wird dem sündhaften Volke gesagt: „Deine Propheten erschauten Dir Lüge und Thorheit und enthüllten Deine Missethaten nicht, Dich zur Buße zu bewegen.“44 Die Lehrer werden nemlich in der hl. Schrift bisweilen Propheten genannt, weil sie auf die Vergänglichkeit der gegenwärtigen Dinge hinzuweisen und die Zukunft zu enthüllen haben. Sie wirft ihnen vor, daß sie Lüge erschauen, weil sie sich fürchten, die Sünden zu strafen und mit eitler Beruhigung dem Lasterhaften schmeicheln. Sie decken die Ungerechtigkeit der Sünder nicht auf, weil sie jedes Wort des Tadels unterlassen. Die Strafrede ist der Schlüssel, der die Einsicht in eine Sünde erschließt, die oft Derjenige selbst nicht erkannte, der sie beging. Darum sagt Paulus: „Er soll im Stande sein, in der gesunden Lehre zu unterrichten und die Widersprecher zu widerlegen.” 45Und Malachias: „Die Lippen des Priesters sollen die Wissenschaft bewahren, und das Gesetz soll man holen aus seinem Munde; denn ein Engel des Herrn der Heerschaaren ist er.“46 Und der Herr ermahnt durch Isaias: „Rufe ohne Aufhören, wie eine Posaune erhebe deine Stimme!”47Ein Heroldsamt hat nämlich übernommen, wer immer zum Priesterthum emporgestiegen ist; denn rufend geht er der Ankunft des Richters vorher, der vom Schrecken begleitet ihm nachfolgt. Wenn der Priester aber nicht zu predigen weiß, welche Stimme wird er als stummer Herold von sich geben? Darum ließ sich der hl. Geist in Zungengestalt auf die ersten Hirten nieder; augenblicklich machte er beredt, die er erfüllt hatte. Aus demselben Grunde würde dem Moses empfohlen, daß der Hohepriester bei seinem Eintritt in das hl. Zelt von Glöckchen umgeben sei. Dieß bedeutete, daß der Priester zu predigen verstehen müsse, damit er nicht den vom Himmel blickenden Richter durch sein Stillschweigen beleidige. Denn es steht geschrieben: „Sein Schall werde gehört, wenn er aus- und eingeht im Heiligthume, damit er nicht sterbe.“48 Der Priester stirbt bei seinem Eintritt oder Austritt, wenn man keinen Schall von ihm hört, weil er den Zorn des verborgenen Richters sich zuzieht, wenn er ohne den Schall der Predigt einhergeht. Bedeutungsvoll wird beschrieben, daß die Glöckchen an seinen Kleidern befestigt waren. Denn was Anderes als die guten Werke haben wir unter den Kleidern des Priesters zu verstehen, nach dem Zeugniß des Propheten: „Deine Priester sollen mit Gerechtigkeit bekleidet sein.”49 An den Kleidern hängen also die Glöckchen, weil auch die Werke des Priesters zugleich mit dem Schall seiner Stimme den Weg des Lebens verkündigen sollen.

      Aber auch Dieß ist in Erwägung zu ziehen, wenn der Seelenhirte zu reden sich anschickt, mit welch sorgsamer Vorschrift er zu reden habe, damit er nicht, wenn er vom ungeordneten Redestrom sich fortreissen läßt, die Herzen der Hörer in schädlichen Irrthum führe und das Band der Einheit unweise zerrisse, während er vielleicht als Weiser erscheinen möchte. Mit Bezug hierauf sagt ja die ewige Wahrheit: „Habet Salz in euch und Frieden unter einander!“50Das Salz bezeichnet nämlich die Weisheit des Wortes. Wer daher mit Weisheit reden will, muß sich sehr in Acht nehmen, daß er nicht durch seine Rede bie Einigkeit unter seinen Zuhörern störe. Aus diesem Grund mahnt Paulus: „nicht höher zu denken, als sich geziemt, sondern bescheiden zu denken.”51Deßhalb wechselten nach göttlichem Befehl an dem hohepriesterlichen Gewande Granatäpfel mit den Glöckchen ab. Denn die Granatapfel bedeuten die Einheit im Glauben. Wie bei dem Granatapfel eine äussere Rinde viele Kerne im Innern umschließt, so umfaßt die Einheit im Glauben der hl. Kirche die unzähligen Völker, die innerlich durch ihre verschiedenartigen Verdienste mit einander verbrüdert sind. Dann also lassen wir die Glöckchen mit Granatäpfeln abwechseln, wenn wir bei Allem, was wir sagen, die Einheit im Glauben behüten.

      Wenn ich dann zu erwägen suche, wie der Seelenhirte beschaffen sein müsse in Bezug auf das Mitleid gegen den Nächsten und in Bezug auf die Betrachtung, so finde ich, daß er Allen ber Nächste sein müsse durch mitIeidige Liebe und mehr als Alle der Betrachtung ergeben. Denn mit einem Herzen voll Liebe muß er die Schwachheit der Andern auf sich nehmen und durch erhabene Beschauung sich im Verlangen nach der unsichtbaren Welt über sich selbst erheben, damit er nicht Hohes erstrebend die Schwachheit des Nächsten verachte oder bei der Herablassung zu dem Elend des Nächsten das höhere Streben aufgebe. So wurde Paulus in das Paradies geführt und erforschte des dritten Himmels Geheimnisse, und doch gibt er diese Betrachtung himmlischer Dinge auf und richtet sein Augenmerk auf das Ehebett fleischlicher Menschen. Und obwohl die Ehe nur heilig ist im Hinblick auf die Kindererzeugung, so läßt er doch auch der Fleischeslust einigen Spielraum, indem er spricht: „Um die Unzucht zu meiden, habe Jeder sein Weib, und eine Jede habe ihren Mann.“52 Siehe, schon war er in die himmlischen Geheimnisse eingeweiht, und doch beschäftigt er sich aus herablassender Liebe mit dem Ehebette fleischlicher Menschen, und dasselbe Geistes-Auge, das er entzückt zu den unsichtbaren Dingen erhebt,

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