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einmal und untersucht, ob »Schlange« das einzige Fazit aus dem Gesehenen sein kann. Da das Objekt weder einen Kopf hat noch sich bewegt, bewertet er schließlich das Fazit zu »nasser Stock« um. Der ist nicht gefährlich, also ebbt die Angstreaktion ab.

      Wovor wir Angst haben und wie intensiv wir sie erleben, ist individuell sehr unterschiedlich. Heute geht es nur noch selten um Lebensgefahr. Doch auch weniger greifbare Bedrohungen machen uns Angst. Zwei von drei Deutschen etwa haben Angst vor den Auswirkungen der Politik Donald Trumps. Rund die Hälfte fürchtet sich davor, einmal zum Pflegefall zu werden und auf Hilfe angewiesen zu sein.18 Wir sollten uns allerdings immer daran erinnern, dass Angst eine Eigendynamik entwickeln kann und dann zu sehr unguten Ereignissen führen kann, besonders wenn sie die Masse ergreift.

      Der Schwarze Freitag – der größte Börsencrash der Geschichte – war (auch) ein Produkt der Angst. Dabei fing alles so rosig an. Es waren die Goldenen Zwanziger, und die Stimmung in Bevölkerung und Wirtschaft war positiv wie nie. Die Börse brummte, und so mancher nahm sogar einen Kredit auf, um auch einen Teil des Kuchens abzubekommen. Doch dann kippte im Jahr 1929 die Stimmung. Erst machte man sich Sorgen, später hatten viele wirklich Angst um ihr Geld – und verkauften, was noch zu verkaufen war. Es kam, wie es kommen musste. Im Oktober nahm die Börse eine rasante Talfahrt auf. Die Preise rutschten immer weiter in den Keller, und mehr und mehr Anleger versuchten, irgendwie noch mit einem blauen Auge davonzukommen. Die Angst wurde zur Panik und gipfelte im Börsencrash am 24. Oktober 1929. Und so ging dieser Tag als Schwarzer Freitag in die Geschichte ein. Die Auswirkungen unserer Ängste sind natürlich längst nicht immer so dramatisch. Nachhaltig bemerkbar können sie sich trotzdem machen.

      Bauen Sie Ihre Ängste ab!

      Manche Ängste sind sinnvoll. Andere sind einfach nur Bremsklötze auf Ihrem Weg. Wer zum Beispiel Angst hat, vor Kollegen das Wort zu ergreifen und sich dabei zu blamieren, wird es nicht tun. So kann er aber auch nicht positiv auffallen und seine Karriere befeuern. Räumen Sie unnütze Alltagsängste deshalb aus dem Weg!

      ➤ Die Angst erleben

       Nehmen Sie sich eine halbe Stunde Zeit, und stellen Sie sich am besten einen Timer, um sich ganz auf die Übung konzentrieren zu können. Setzen Sie sich gemütlich hin. Atmen Sie tief und gleichmäßig in den Bauchraum. Die Redewendung »tief durchatmen« ist mehr als bloß ein Klischee. Wenn Sie spüren, dass Sie innerlich zur Ruhe gekommen sind, stellen Sie sich Ihre Angst vor: Sie sind in den Sitzungsräumen. Das Meeting läuft, und alle, inklusive Ihrem Chef oder Ihrer Chefin, sind anwesend. Dann kommt der Moment, wo Sie Ihre Idee anbringen könnten … Was fühlen Sie? Wie reagiert Ihr Körper? Schwitzen? Schnelle Atmung?

       Machen Sie diese Übung zwei- bis dreimal, und notieren Sie anschließend Ihre Eindrücke.

      ➤ Sich mit der Angst konfrontieren

       Beim nächsten Schritt endet in Ihrer Vorstellung die Szene nicht bei der Gelegenheit zu sprechen. Jetzt bringen Sie Ihren Vorschlag an. Alle schauen auf Sie. Gestalten Sie Ihren Auftritt dabei möglichst selbstbewusst. Wie er ausgeht – ob Ihr Vorschlag also ankommt –, ist noch unwichtig. Notieren Sie hier wieder Ihre Eindrücke. Haben Sie vielleicht einen Kloß im Hals? Sind Ihnen die Blicke unangenehm? Wiederholen Sie diesen Schritt so lange, bis Sie in Ihrer Szene den Vorschlag selbstbewusst und ohne zitternde Stimme mit gutem Gefühl vorgetragen haben.

      ➤ Erfolgreiches Ende

       Mit dem selbstbewussten Vortrag ist Ihre Angst vor der Szene schon ordentlich geschrumpft. Stellen Sie sich das Geschehen jetzt noch weiter vor: Sie tragen den Vorschlag nun mit fester Stimme vor – der Vorschlag bekommt ein positives Feedback und wird angenommen.

       Notieren Sie Ihre Eindrücke, und genießen Sie diesen Ausgang ruhig. Sie dürfen sich gut fühlen.

      ➤ Scheitern ist nicht schlimm

       Nachdem Sie das positive Ende erlebt haben, wenden Sie sich nun dem negativen zu: Ihr Vorschlag wird abgelehnt. Vielleicht passt er doch nicht so gut, wie Sie dachten, oder ein anderes Hindernis steht im Weg. Das ist kein Weltuntergang und nicht persönlich gemeint. Betrachten und drehen Sie diese Version Ihrer Szene so lange, bis Sie mit gutem Gefühl wissen, dass auch dieser Ausgang gut ist – immerhin haben Sie Engagement für Ihr Unternehmen oder Ihre Abteilung gezeigt. Darauf dürfen Sie auch in dieser Szene stolz sein.

       Notieren Sie in diesem Schritt ebenfalls bei jedem Mal Ihre Eindrücke.

      ➤ Und nun noch mal von vorn

       Inzwischen dürfte sich einiges an Notizen angesammelt haben. Lesen Sie diese jetzt in chronologischer Reihenfolge noch einmal.

       Sie werden sehen, wie sich sowohl Ihre rationale als auch Ihre emotionale Sicht auf das Geschehen gewandelt hat. Die Angst ist vielleicht nicht ganz weg – aber nun keine Bremse mehr.

      ➤ Von der Vorstellung zum Alltag

       Ihr Gehirn hat nun gelernt, keine Angst mehr vor der Situation zu haben. Zeit also, aus Ihrem Kopfkino Tatsachen zu machen. Wenn Sie etwas zu sagen haben, ergreifen Sie künftig das Wort. Zu Beginn muss es ja nicht gleich das wichtigste Meeting sein. Auch das kleine Montagmorgen-Kickstartmeeting mit dem eigenen Team bietet schon einen guten Rahmen für reale Gehversuche. So können Sie Ihren Erfolg aus der Szene in den Alltag holen.

      Um die Anatomie und Funktionsweise unseres Gehirns zu verändern, müssen wir es in systematischer Weise aktivieren. Vereinfacht gesagt: Stellen Sie sich vor, Sie gehen mit Ihren Neuronen ins Fitnessstudio, wo sie diejenigen, die zu schwach ausgeprägt sind, gezielt trainieren. Das funktioniert beim Gehirn genau wie bei unserer Muskulatur, denn unser Gehirn besitzt eine lebenslange Plastizität.19 Es kann sich ein ganzes Leben lang anpassen, wenn wir es nur lassen.

      Vergangenheitsbewältigung kann von Vorteil sein, wenn sie hilft, Erfahrenes neu zu bewerten. Beispielsweise: Mir ist etwas Schlimmes passiert, aber ich habe die Situation überlebt. Ich war schlau genug und habe Ressourcen entwickelt, die mich da durchgebracht haben. Alles, was Sie durchgestanden haben, ist ein Hinweis auf Ihre Stärke! Mindestens ebenso wichtig – und auf Dauer sogar wichtiger – ist es, nach vorn zu blicken. Was wir alle brauchen, sind positive Erfahrungen. Also schaffen wir uns welche!

      Eine Person, die es von ganz unten nach ganz oben geschafft hat, ist Oprah Winfrey. Wir alle kennen sie, Amerikas berühmteste Talkshowmoderatorin, Schauspielerin und Unternehmerin. Oprah hat sich ein Imperium geschaffen, ist extrem einflussreich und verfügt über ein geschätztes Vermögen von drei Milliarden Dollar.20 Die Übermutter der USA, wie sie manchmal genannt wird, wuchs in sehr, sehr armen Verhältnissen auf. Sie trug teilweise sogar Kartoffelsäcke, weil echte Kleidung nicht ins Familienbudget passte. Sie wurde Opfer von Inzestmissbrauch und körperlichen Misshandlungen.21 Dennoch schlug sie sich durch, war in der Schule sogar Klassenbeste. Im Alter von 15 Jahren gebar sie ein Kind, vermutlich gezeugt von ihrem Onkel, das jedoch wenige Wochen später starb. Auch ihre Halbgeschwister starben, der Bruder an AIDS, die Schwester an Drogenmissbrauch. Oprah entschied sich für einen anderen Weg. Im Lauf der Highschool erkannte sie ihre Leidenschaft für Medien und Kommunikation. Noch während der Schulzeit jobbte sie nebenbei beim lokalen Radiosender und sicherte sich ein volles Stipendium für die Tennessee State University. Doch statt dort anzutreten, folgte sie entgegen aller rationalen Überlegungen ihrem großen Traum und stieg im Alter von 19 Jahren direkt in ihre Medienkarriere ein. So wurde Oprah zur ersten schwarzen Nachrichtenberichterstatterin unter 20 Jahren. Wieder wurde sie sexuell belästigt und unterdrückt. Aber Oprah gab nicht auf. Binnen weniger Monate verwandelte sie die »AM Chicago« von der am niedrigsten bewerteten Talkshow in Chicago zu der am höchsten bewerteten. Drei Jahre später wurde die Show nach ihr benannt: die legendäre Oprah-Winfrey-Show.22 23

      Oprah ist ein Extrembeispiel, doch genau das zeigt uns, dass uns nichts, wirklich gar nichts aufhalten kann, wenn wir es anders entscheiden. Doch wie schafft man es, derartige Kräfte zu sammeln und sich sogar aus einer wirklich desolaten Situation herauszuhieven? Es ist tatsächlich wie im Fitnessstudio: Beginnen Sie mit den einfachsten Übungen, um Ihre neuronalen Pfade und Botenstoffe sukzessive zu verändern und positiv aufzubauen. Rufen Sie

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