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Trost der Physik. Harald Lesch
Читать онлайн.Название Trost der Physik
Год выпуска 0
isbn 9783831257386
Автор произведения Harald Lesch
Жанр Математика
Издательство Bookwire
Kaum war klar, dass das alles Quatsch ist, ging die Fragerei los. Wenn die Sterne sogar eigene Lichtquellen sind, woher bekommen die ihre Energie. Ein hochinteressantes Thema, aber ich schweife ab. Das gehört jetzt nicht hierher. Auf der anderen Seite, hey, wenn es zu meiner Beruhigung beiträgt.
Also, wie war das nochmal? Im 19. Jahrhundert wusste man oder ahnte zumindest, dass die Erde schon ziemlich alt sein muss. Es gab damals schon sehr ernstzunehmende Zeitgenossen, die sich folgende Gedanken machten: Wenn früher nicht alles besser war, sondern so wie es heute ist, dann braucht die Strömung eines Flusses einfach ziemlich lange, bis sie eine Schlucht ins Gestein gefräst hat. Für den Grand Canyon schon ein paar Millionen Jahre.
Also, die Herrschaften haben damals mit ihrem gesunden Menschenverstand schon leicht errechnet, dass die Kalkulation eines Bischofs, nämlich einfach das Alter der diversen biblischen Urväter zusammen zu zählen, und dann das Gesamtergebnis von ein paar Tausend Jahren als Weltalter zu verkaufen, dass diese Rechnung höchstens eine Milchmädchenrechnung war. Die Erde musste viel älter sein; spätestens seit Darwin von seiner Reise zu den Galapagos-Inseln zurückkam und die Welt mit der Evolutionstheorie erschütterte, da war klar: Was immer auch der Grund sein mag, aber die Sonne, als die Energiequelle schlechthin, muss mindestens so lange schon scheinen, wie die Erde alt ist; und das ist sehr sehr lange.
Im 19. Jahrhundert dachte man noch ganz mechanisch: Die Schwerkraft drückt den Gasball zusammen und erzeugt so Wärme. Diese Wärme existierte zwar für immerhin schon 30 Millionen Jahre, aber das reichte hinten und vorne nicht. Der tollste Vorschlag war, dass die Sonne durch einfallende Asteroiden ihre Masse erhöhen könnte und sich dadurch auch ihr Lebensalter verlängern würde.
Hey prima, nur würden sich dann auch die Planetenbahnen verändern. Die Planeten würden näher an die Sonne rücken. Das wäre für mich jetzt ganz schön, dann wäre wahrscheinlich der Atlantik auch nicht so tief, es gäbe mehr Inseln und ich hätte Chancen, doch noch zu überleben.
Aber leider alles Quatsch. Die Sonne strahlt, weil sich in ihrem Inneren Atomkerne miteinander verschmelzen. Alle Sterne strahlen, weil in ihnen Atomkerne fusionieren. Zuerst verschmelzen Wasserstoffkerne zu Helium, dann zu allen anderen Elementen. Je größer und deshalb schwerer ein Stern ist, umso mehr Elemente kann er erbrüten, bis zum Eisen.
Alle Elemente schwerer als Eisen entstehen in explodierenden Sternen. Sie geben ihr Material wieder ans Universum zurück und es können sich neue Sterne bilden. Und jetzt kommt der Hammer: Ich bestehe zu 92 Prozent aus Sternenstaub.
Mein Stern, die Sonne enthält bereits schwere Elemente. Im Vergleich zum Rest an Wasserstoff und Helium ist dieser Anteil zwar winzig, aber er ist da. Man sieht das nämlich an der Messung ihrer Strahlung.
Da kriecht die Gute über den Horizont. Komm nur meine Schöne. Leuchte, strahle, erwärme mir meinen vielleicht letzten Tag. Ach, was für ein Licht, das erste Licht des Tages!
Langsam wälzt sich mein Planet um seine leicht geneigte Achse. Sei mir geneigt, du Lichtreiche. Wenn ich doch deinen Photonenstrom nur zerlegen könnte, dann sähe ich die schwarzen Linien deiner Absorptionsspektren und die hellen Linien der Emission. Ich würde die Spektrallinien den chemischen Elementen zuordnen und wüsste von deiner Zusammensetzung.
Doch nicht nur das. Aus der Form deiner Linien, ihrer Position im Spektrum, würde ich sogar wissen können, was sich wie auf deiner Oberfläche bewegt. Kommt da etwas aus dir heraus oder versinkt es wieder in deiner brodelnden Oberfläche? Protuberierst du etwa wieder? Spritzt das glühend heiße Gas aus den Magnetfeldröhren ins All und rast mit 500 Kilometer pro Sekunde auf die Erde zu und wird in einigen Tagen am Nordpol den Himmel zum Leuchten bringen – Aurora borealis.
Dieser Stern da hält alles in seiner Nähe fest. Seine Schwerkraft hält die Planeten auf ihren Bahnen und das seit mehr als viereinhalb Milliarden Jahren.
Die Vagabunden im Sonnensystem, die Meteoriten und Asteroiden erzählen die ganze Geschichte. Aus ihrer chemischen Zusammensetzung und der Häufigkeit an radioaktiv zerfallenden Kernen lässt sich die ganze Dramatik der Urzeit des Sonnensystems ablesen.
Das können aber nur die lesen, die das radioaktive Alphabet der zerfallenden Atomkerne buchstabieren können. Wer die Elemente und ihre Zerfallsreihen kennt, der kann die Geschichte des Sonnensystems erzählen: 750.000 Jahre bevor unser Planetensystem und unsere Sonne entstanden, presste die Explosion einer Supernova deren Material in eine sich gerade in der Nähe befindende Gaswolke. Die wurde geschockt! Das Gas der Wolke wurde angereichert mit dem Supernova-Material und es wurde durch die Schockwellen der Sternexplosion zusammengepresst. Durch den erhöhten Druck spürten die Gasteilchen mehr voneinander und strahlten ihre überschüssige Energie immer intensiver ab.
Das Gas kühlte sich ab und fiel unter seiner eigenen Schwerkraft zusammen. Es entstanden viele neue Sterne in dieser Wolke.
Manche dieser neuen Sterne rasten recht nahe aneinander vorbei und drehten sich und ihre Kumpanen an. Das Gas der Umgebung fiel auf diese sich um ihre Achsen drehenden Gaskugeln und ordnete sich in Scheiben an.
Gas und Staub in Scheiben, da war es nicht mehr weit bis zu den Planeten und ihren Monden. Draußen die kalten Gasriesen und drinnen die heißen Felsenplaneten. Und so ist es auch bei uns zuhause.
Die Sonne ist ein Kind einer Supernova, und ich ebenso; und auch dieser ganze Planet ein Felsen aus Sternenmaterial. Da lässt es sich gut sterben. Man wird einfach wieder das, was man die meiste Zeit seines Nichtlebens auch schon mal war, nämlich Materie des Universums. Dereinst wird sich die Sonne ausbreiten und wird zu einem Roten Riesen werden, der alles auf Erden verbrennt. Finito, danach geht ihr Licht aus. Als hätte sie es gehört, scheint sie jetzt ganz ordentlich, der G2-Stern da oben. 150 Millionen Kilometer weit weg und doch so heiß. Das Licht dieses Gebildes braucht acht Minuten bis zu meinem Gesicht. Ich brauche mal was zu trinken.
Wasser! Daraus ließe sich auch eine Geschichte machen. Eine Meditation über Dihydrogenoxid: HA zwei OHHHHHHHHHH.
Zwei Gase miteinander verbunden ergeben eine Flüssigkeit, zauberhaft. Unser Planet hat Wasser und deshalb Leben, andere Planeten haben das nicht. Ob sonst irgendwo noch Leben existiert oder ob man sich auf anderen Planeten einen hinter die Binde kippen kann? Ich weiß es nicht. Extrasolare Planeten heißen die. Ach, das ist mir jetzt auch egal! Hallo, ihr Außerirdischen. Holt mich hier weg! Ich will dringend weg. Schießt mit mir in die Galaxis!
Wegen mir muss es nicht die Milchstraße sein, es kann auch ruhig mal was anderes sein. Es gibt doch so viele davon. Tanzt mit mir, ihr Trillionen Sterne in den Milliarden Galaxien.
Ich will durch die Leere des Universums rauschen, zeigt mir die Galaxien- und Superhaufen. Wo ist die Terrasse am Rande des großen Attraktors?
Reißt die große Wand ein, die paar Millionen Galaxien da sind doch kein Thema! Wir sind das Volk, aber wir wollen nicht hier bleiben.
Ich habe nichts anzubieten, nur mich. Hier schwimmt ein Mensch, der will nicht sterben. Vielleicht will er sich vernichten, sterben käme ihm aber ungelegen. Kommt also mit euren Flugscheiben und zieht mich durch den Traktorstrahl in den Himmel hoch. Vom Himmel hoch, da kommt ihr doch her. Ich muss euch sagen, hier unten ist es ganz schön schwer.
Ihr könnt mich alle mal!
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