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Die Reise nach Hause. Lee Carroll
Читать онлайн.Название Die Reise nach Hause
Год выпуска 0
isbn 9783867287166
Автор произведения Lee Carroll
Жанр Философия
Издательство Bookwire
Der Engel schwebte an die Seite der Liege, so dass Mike ihn besser sehen konnte. Dieser Traum, diese Vision oder was immer es sein mochte, war verblüffend. Mike hätte schwören können, dass es nach Veilchen duftete – oder war es Flieder? Warum nach Blumen? Wahrhaftig – der Engel hatte einen Geruch! Und je näher er kam, umso schöner war er. Michael spürte auch, dass der Engel über die Unterhaltung erfreut war. Er fühlte es, obwohl er seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen konnte.
»Sag mir, Michael Thomas, ist deine Absicht rein? Willst du wirklich das, was Gott will? Du möchtest nach Hause, aber du bist dir gleichzeitig eines größeren Planes bewusst – deshalb willst du uns nicht enttäuschen und dich spirituell nicht unangemessen verhalten.«
»Ja«, sagte Mike. »Genau so ist es. Ich möchte aus meiner Situation heraus, aber gleichzeitig scheint mein Wunsch widersprüchlich zu sein – er scheint mir egoistisch.«
»Und wenn ich dir sagte, du kannst beides haben?«, fragte der Engel mit einem Lächeln. »Und, dein Verlangen nach Hause zu kommen ist nicht selbstsüchtig, sondern natürlich und steht auch nicht im Gegensatz zu deinem Wunsch, den tieferen Sinn deines Menschseins anzuerkennen?«
»Aber wie? Bitte erkläre mir, wie ich beides haben kann«, wollte Mike jetzt aufgeregt wissen.
Der Engel hatte Mikes Herz gesehen, und zum ersten Mal ging er spirituell auf ihn ein.
»Michael Thomas von reiner Absicht – um zu entscheiden, ob dies dein Weg sein kann, muss ich dir, bevor ich mehr dazu sage, noch eine Frage stellen.« Der Engel schwebte ein wenig zurück. »Was glaubst du davon zu haben, wenn du nach Hause gehst?«
Mike dachte darüber nach. Sein Schweigen hätte bei einer normalen Unterhaltung seltsam gewirkt, aber der Engel verstand ihn vollkommen und wusste, dass dies ein geheiligter Augenblick für Michael Thomas’ Seele war. Nach irdischer Zeitrechnung schwieg Michael zehn Minuten oder länger; doch der Engel rührte sich nicht und sagte kein Wort. Er zeigte weder Ungeduld noch Ermüdung. Mike begann zu begreifen, dass diese Wesenheit tatsächlich zeitlos war, und die Ungeduld eines Menschen – für den nur die lineare Zeit Realität besaß – nicht empfinden konnte.
»Ich möchte geliebt werden und dort sein, wo Liebe ist«, war Mikes Antwort. »Ich möchte Frieden in meinem Leben.« Er machte eine Pause. »Ich möchte mit den Problemen und belanglosen Auseinandersetzungen der Leute um mich herum nichts zu tun haben. Ich möchte keine Geldsorgen haben. Ich möchte mich BEFREIT fühlen! Ich habe es satt, alleine zu sein. Ich möchte für andere Wesen im Universum etwas bedeuten. Ich möchte wissen, dass mein Leben einen Sinn hat und dazu beitragen, im Himmel – oder wie immer ihr es nennt – ein adäquater Teil von Gottes Plan zu sein. Ich möchte eigentlich gar kein Mensch sein. Ich möchte sein wie du!«
Er machte erneut eine Pause. »Das ist es, was nach Hause gehen für mich bedeutet.« Der Engel schwebte wieder ans Fußende der Liege.
»Dann, Michael Thomas von reiner Absicht, sollst du auch empfangen, wonach du strebst!« Es war, als strahlte der Engel in noch hellerem Licht – wenn es denn möglich gewesen wäre. Über seinem leuchtenden Weiß lag nun ein goldener Schimmer. »Du musst jedoch einem vorherbestimmten Weg folgen und du musst es freiwillig tun, aus eigenem Entschluss und Antrieb. Dann wirst du mit einer Reise nach Hause belohnt. Willst du das tun?«
»Ja, das will ich«, erwiderte Mike. Es war der Anfang eines wundervollen Gefühls, das sich vielleicht mit dem Wort »Liebeswäsche« beschreiben ließ. Die Luft schien sich zu verdichten. Der Schein des Engels begann, die Liege zu durchdringen und umspülte Mikes Füße. Schauer liefen Mikes Rücken hoch, und ohne sein Zutun begann er in einer so schnellen Schwingung zu vibrieren, wie er es noch nie erlebt hatte. Es war fast wie ein Summen, so schnell. Es fuhr seinen Körper hinauf bis in seinen Kopf. Seine Wahrnehmung veränderte sich, und es zuckten kleine blaue und violette Blitze auf – in starkem Kontrast zu dem intensiven Weiß, auf das er seit Beginn dieser ganzen Geschichte geschaut hatte.
»Was ist los?«, fragte Mike voller Angst.
»Deine Absicht ist dabei, deine Realität zu verändern.«
»Ich verstehe nicht.« Mike war entsetzt.
»Ich weiß«, sagte der Engel mitfühlend. »Hab’ keine Angst Gott in dein Wesen zu integrieren. Es ist ein Verschmelzen, um das du gebeten hast und es wird dir auf deiner Reise nach Hause zugutekommen.«
Der Engel wich von Mikes schmalem Bett zurück, als wolle er Platz machen.
»Bitte geh’ noch nicht fort!«, rief Mike, immer noch erschüttert und verängstigt.
»Ich passe mich deiner neuen Größe an«, sagte der Engel ein wenig amüsiert. »Ich gehe erst weg, wenn wir vollzählig sind.«
»Ich verstehe das immer noch nicht, aber ich habe keine Angst«, log Mike. Wieder lachte der Engel und erfüllte den Raum mit einem Klang, dessen Fröhlichkeit und Liebe Mike überraschten. Mike erkannte, dass es hier keine Geheimnisse gab, also sprach er weiter. Er musste wissen, was das für ein Gefühl war. Der Engel lachte.
»Was passiert eigentlich, wenn du lachst? Es berührt mich sehr, und ich habe noch nie so etwas gefühlt.« Der Engel freute sich über die Frage.
»Was du hörst und fühlst ist ein Attribut, das einzig und allein die göttliche Quelle besitzt«, sagte der Engel. »Humor ist eine der wenigen Eigenschaften, die ungehindert von unserer Seite auf eure Seite wechseln können. Hast du dich je gefragt, warum Menschen wohl die einzigen biologischen Wesen auf der Erde sind, die lachen? Man könnte meinen, auch Tiere lachen, aber sie reagieren nur auf Reize. Ihr seid die Einzigen, die den echten Funken spirituellen Bewusstseins haben, das euch dazu befähigt; ihr allein könnt einen abstrakten Gedanken oder eine Idee in Humor verwandeln. Das heißt, euer Bewusstsein ist der Schlüssel. Glaub mir, es ist heilig. Und deshalb ist es auch so heilend, Michael Thomas von reiner Absicht.«
Diese Erklärung war ausführlicher, als alles, was der Engel bis hierher geäußert hatte. Mike glaubte, dass er noch einige Schätze der Wahrheit aus ihm hervorlocken könnte, bevor seine Zeit abgelaufen wäre. Eifrig versuchte er es.
»Wie lautet dein Name?«
»Ich habe keinen.« Wieder herrschte Stille. Eine lange Pause entstand. Tja, dachte Mike, jetzt sind wir wieder bei den einsilbigen Antworten.
»Als wer bist du bekannt?«, bohrte er weiter.
»ICH BIN allen bekannt, Michael Thomas, und weil DAS ICH BIN allen bekannt ist, deshalb existiere ich.« *
»Das verstehe ich nicht«, entgegnete Michael.
»Ich weiß.« Wieder schwieg der Engel, was sich jedoch nicht gegen Mike richtete. Vielmehr respektierte er Mikes Naivität – man konnte in dieser Situation kaum mehr von Mike erwarten –, so wie Eltern die Neugier ihres Kindes verstehen, wenn es Fragen über das Leben stellt. Alles, was der Engel tat und sagte, geschah mit Liebe. Mike wusste, es war besser, nicht länger