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wie ich das ändern kann?“ Menschen kommen und sagen, dies oder das sei nicht leicht, nicht befriedigend, nicht bequem, und das wollen sie ändern. Sie möchten Antworten auf die Herausforderungen ihres Lebens finden. Diese Herausforderungen sind Angriffe, denen wir uns stellen müssen, deshalb ist es hier sinnvoll, anhand des Modells von Angriff und Verteidigung zu lehren und zu lernen – und das tue ich.

      Trotzdem, es gibt Leute, die es seltsam finden, dies zur Untersuchung von Entwicklungsmöglichkeiten heranzuziehen. Sie halten meine Vorgehensweise für grenzüberschreitend oder aggressiv. Tatsächlich ist im Aikido der Angriff ein Geschenk. Ein fürsorglicher, kooperativer Partner, der Angreifer, stellt sich als Objekt für die Übungspraxis des Verteidigers zur Verfügung. Ohne den Angriff hätte der Verteidiger keine Gelegenheit, lebensrettende Selbstverteidigungstechniken zu üben und zu lernen. Eine Angreiferin erlaubt sich, als Spiegel zu agieren, so dass der Angegriffene sich selbst sehen kann. Dann wechseln Angreiferin und Verteidiger die Rollen, so dass die zweite Person die Techniken ebenfalls praktizieren kann. Genauso ist in einer Arbeit, die darauf zielt, Missbrauchsüberlebende in ihre wahre Kraft zu bringen, die Herausforderung eine Gabe aus Fürsorglichkeit.

      Die Tatsache, dass Sie sich möglicherweise unwohl fühlen, wenn Sie sich einer Herausforderung gegenüber sehen, ist nicht etwa hinderlich, sondern hilfreich: Gerade im Unwohlsein zeigen sich die Themen, die Sie bearbeiten müssen, um zu wachsen. Es ist offensichtlich, dass, wie in einer Therapie, eine unterstützende, nährende Beziehung zu der Person vorhanden sein muss, die Ihnen Hilfestellung leistet. Ich sorge für die Klienten, mit denen ich arbeite, und ich bemühe mich, solch eine unterstützende und nährende Atmosphäre herzustellen, trotzdem und gerade weil der Gegenstand meiner Arbeit Angriff und Verteidigung sind.

      Missbrauchsüberlebende und Therapeuten reagieren vielleicht gleichermaßen verunsichert auf einen Angriff, aber für die Überlebenden ist der Angriff das ganze Problem. Wie auch immer Missbrauch sich zeigen kann, in jedem Fall ist Missbrauch Kampf. Indem sie lernen, einem Angriff zu begegnen und ihn abzuwehren, sprengen Überlebende die Ketten des Missbrauchs.

      Wenn Sie eine Übungsbeschreibung lesen, die Ihnen hart vorkommt und die Sie verstört, beobachten Sie Ihre Reaktion. Atmen Sie. Bleiben Sie in Ihrem Körper. So wird das Lesen dieses Buches selbst schon zu einer Selbststärkungsübung. Ganz gleich, ob Sie Gewichte heben oder Multiplikationstabellen auswendig lernen, Sie müssen an Ihre Grenzen gelangen, um besser zu werden. Sorgen Sie dafür, dass Ihre natürlichen Gefühle wie Angst und Ekel Sie nicht daran hindern, Ihrer Bestimmung zu folgen, sich Ihrem Angreifer entgegenzustellen und vorwärts zu gehen.

      Es stimmt, Sie brauchen einen starken Geist, wenn Sie sich Angriffen stellen wollen, um zu lernen und zu wachsen. Einige Missbrauchsüberlebende sind so tief von ihrer Machtlosigkeit überzeugt, dass sie den Schmerz der Selbsterforschung, des Wachsens und der Veränderung nicht ertragen: Der Schmerz, den das Starkwerden erzeugt, droht größer zu werden als der Schmerz, den es bedeutet, machtlos zu bleiben. Also lehnen sie die Gelegenheit, angegriffen zu werden, ab. Ich bedauere das immer. Gleichzeitig weiß ich, dass es Menschen gibt, die sich nicht in einem Zustand der Heilung befinden, in dem sie von meiner Art des Kriegertrainings profitieren könnten. Diese Menschen brauchen den weniger physischen, verbaleren Zugang einer Psychotherapie, um sich auf meine Art der Arbeit vorzubereiten. Einige von ihnen werden wachsen und sind irgendwann bereit, andere werden sich nie aus ihrer Machtlosigkeit befreien.

      Den richtigen Blickwinkel beibehalten

      Es gibt eine besondere Herangehensweise an Gefühle, die ebenfalls Teil der Kampfkünste ist. Gelegentlich beginnen Aikidoschüler in meinem Unterricht zu weinen, wenn irgendein Übungselement alte Gefühle in Erinnerung ruft. Ich sage ihnen dann, dass sie weinen können, wenn sie wollen, dass sie aber nicht damit aufhören dürfen, sich zu verteidigen. Im Kampfkunsttraining geht es darum, die Ruhe und Selbstdistanz zu finden, die es Ihnen erlauben, Ihre Schmerzen und Ihre Angst aus einem neutralen Blickwinkel wahrzunehmen. Wenn diese Angst, dieser Schmerz Sie überwältigen, werden Sie weder atmen noch sich effizient verhalten oder denken können. Ohne ein Mindestmaß an psychischer Selbstdistanz werden Sie nicht in der Lage sein, sich effektiv zu verteidigen, und das, was Sie am meisten fürchten, wird sich gerade wegen dieser Angst ereignen.

      Den gleichen Ansatz gebrauche ich in meinem Training mit Missbrauchsüberlebenden. Wenn Sie sich Ihrem Schmerz, Ihrer Angst, Ihrer Empfindungslosigkeit oder Wut hingeben, ist es schwierig, innezuhalten, um das, was Sie bewegt, leidenschaftslos zu analysieren. Aber wenn Sie das, was schmerzhaft ist, nicht untersuchen können – es kartografieren, die Regelmäßigkeiten registrieren, beobachten, wie es funktioniert und woraus es resultiert –, wie können Sie es jemals so weit verstehen, dass Sie es verändern können?

      Den Blickwinkel beizubehalten bedeutet, dass Sie genug körperlichen und mentalen Abstand zu Ihren Empfindungen und Affekten halten, um sich der Erforschung Ihres Schmerzes interessiert zuwenden zu können, ohne davon überwältigt zu werden. Dieser Prozess, bei dem Sie gleichzeitig den Angriff, dem Sie ausgesetzt sind, und Ihre Reaktion darauf studieren, ist die Grundlage eines jeden Kampfkunsttrainings. Das Kampfkunsttraining ist so angelegt, dass Sie einem realen Angriff, also einer echten Herausforderung, ausgesetzt sind. Dieser Angriff wird aber in seiner Intensität reduziert, so dass Sie die Möglichkeit zur Übung und Weiterentwicklung Ihrer Kampftechnik haben.

      Einen wichtigen Anteil am Entwickeln eines neutralen Blickwinkels haben Atem- und Körpertechniken, die Ihnen helfen, einen körper-seelischen Ruhezustand herzustellen und aufrechtzuerhalten. Es ist diese Ruhe, die es Ihnen ermöglicht, ein andernfalls überwältigendes Ereignis objektiv zu betrachten.

      Höflichkeit

      Meiner Herkunft aus der Kampfkunst verdankt sich auch meine Entscheidung, die Körperarbeit so zu beschreiben, wie sie tatsächlich abläuft. Möglicherweise fühlten sich der eine oder der andere durch die Beschreibungen oder die für die Fallbeispiele und Übungen verwandte Sprache unangenehm berührt. Vielleicht finden Sie sogar, dass eine explizite Sprache und deutliche Beschreibungen erschreckender und ekelerregender Ereignisse keinen Platz in einem gepflegten Buch haben sollten. Ich habe mich entschieden, hier die Wirklichkeit meiner Arbeit mit Missbrauchsüberlebenden darzustellen. Sprache und Ereignisse entstammen dem Kontext ihres tatsächlichen Auftretens in realen Arbeitssituationen. Ich habe die Fallbeispiele nicht geschönt, um die Wirklichkeit dieser Arbeit nicht zu verzerren. Erschreckende und ekelhafte Dinge sind zu vielen Menschen angetan worden, es muss von ihnen gesprochen werden.

      Missbrauch ist keine höfliche Angelegenheit. Missbrauchsüberlebende haben die unfaire Aufgabe, sich von der Krankheit eines Täters heilen zu müssen. In diesem Buch werden Sie lernen, grundlegendes Wohlbefinden und Handlungskompetenz zu erwerben und zu erhalten, die sie befähigen, ihre Missbrauchserfahrungen aufzusuchen und zu überwinden. Auch die Art und Weise, in der ich über die Dinge rede und schreibe, befördert diesen Prozess. Dadurch, dass Sie sich bei der Lektüre dieses Buches der Sprache und den beschriebenen Ereignissen aussetzen, statt sich in höflicher Distanz dazu zu bewegen, arbeiten Sie daran, Ihre Kraft angesichts des Missbrauchs zu erhalten. Indem Sie während des Lesens der Fallgeschichten entspannte Präsenz und warmherzige Stärke bewahren, tun Sie die Arbeit, die das Buch beschreibt.

      Direktiver Stil

      Der sehr direktive Stil meiner Arbeit verdankt sich ebenfalls meiner Kampfkunsterfahrung. Kampfkünste werden in der Regel überaus direktiv unterrichtet. Ziel der Schulung ist das schnelle und effiziente Beherrschen der Verteidigungstechniken, so, wie der Instrukteur sie bestimmt und lehrt. Der Schüler hat das zu lernen, was der Instrukteur für relevant hält und unterrichtet. Being In Movement® – Traumaverarbeitung ist ein Erziehungsprozess, in dem Überlebende Bewusstheit und Souveränität erlernen. Mein direktiver Unterrichtsstil kann auf psychotherapiegewohnte Beobachter wenig einfühlsam, hart oder einschüchternd wirken, tatsächlich ist aber gerade dieser Stil eine Form der Fürsorge und der Unterstützung.

      Gefühle entwirren

      Vielleicht wird es auch Sie zunächst irritieren, dass ich die Angewohnheit habe, Gefühle eher zu studieren als ihnen mit den üblichen sozialen und therapeutischen Klischees zu begegnen. Beim Unterrichten schiebe ich den ganzen Wust von Gedanken, Gefühlen und Ideen beiseite und konzentriere mich auf die objektiven Details: Muskeltonus, Atmung,

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