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Maschinerie des Gehirns, um die eingehenden sensorischen Informationen zu ordnen und aus ihnen klug zu werden.

      Aber dann denke ich an die Poesie – einen anderen Gebrauch von Sprache –, bei dem die streng hierarchischen Prozesse der linken Gehirnhälfte top-down, „von oben herab“ also, unsere unverfälschte Erfahrung in einem vorgefassten Raster organisieren. Dichtung schafft wie Stille eine neue Balance zwischen der Erinnerung und dem Moment. Wir sehen mit frischem Blick durch die Kunstfertigkeit des Dichters, die mit Worten eine neue Landschaft erhellt, die vorher hinter dem Schleier der Alltagssprache verborgen war. Unsere gewöhnliche Sprache kann ein Gefängnis sein; sie kann uns in unseren eigenen Redundanzen gefangen halten, unsere Sinne abstumpfen lassen, unseren Fokus trüben. Dichter und ihre Dichtungen hingegen bieten uns neue, nicht gekannte Möglichkeiten, das Leben zu erfahren, indem sie Mehrdeutigkeiten präsentieren, Worte in unvertrauter Weise verwenden, Elemente der wahrgenommenen Realität in neuen Kombinationen gegenüberstellen und Bilder evozieren. Vielleicht wird die Stille dieser Woche ja dasselbe bei mir bewirken.

      Erster Tag

      Ich komme bei der Insight Meditation Society an, wo ich die Woche mit anderen Wissenschaftlern verbringen werde. Nach einem kurzen Abendessen, einem Rundgang, der Zuweisung der täglichen Reinigungsaufgaben und einem einführenden Gespräch haben wir bereits mit der Stille begonnen. Es geht darum, in die subjektive Realität unseres eigenen Geistes einzutauchen. Mit einigen Anweisungen von den hier tätigen Lehrern der Einsichtsmeditation versehen, sollen wir tief in die Gewässer unseres eigenen inneren Ozeans eintauchen. Die Form der Achtsamkeit, die wir in dieser Woche erlernen werden, entstammt der zweitausendfünfhundert Jahre alten buddhistischen Praxis der Vipassana-Meditation, was häufig mit „klares Sehen“ übersetzt wird.

      Am ersten Tag lernen wir, mit der kurzen Anweisung, einfach „unseren Atem zu beobachten“, in der Meditationshalle zu sitzen. Diese Fähigkeit, unsere Aufmerksamkeit zu fokussieren, ist der erste Schritt des Trainings in achtsamem Gewahrsein. Wenn wir merken, dass unsere Aufmerksamkeit sich vom Atem wegbewegt hat, so sagen uns die Lehrer, dann sollen wir den Fokus unserer Aufmerksamkeit sanft wieder auf den Atem richten. Das ist alles. Immer und immer wieder. Ich fühle mich erleichtert. Wie schwer kann das sein?

      Doch gegen Ende des ersten Tages, an dem ich diesen Konzentrationsaspekt der Meditation geübt habe, ist meine Zuversicht definitiv in den Keller gesunken. Ich hatte geglaubt, das zu haben, was die Lehrer eine „gute Aufmerksamkeit“ nennen, doch tatsächlich folgt mein Geist wiederholte Male nicht der Anweisung, sich „einfach nur auf den Atem zu konzentrieren“. Einige Momente später scheint es mir, als könne ich kaum einen ganzen Atemzug machen, ohne dass sich mein Geist zu verschiedenen Gedanken hingezogen fühlt, wie ein Hund, der auf einem Spazierweg im Zickzack läuft und sich von diesem oder jenem verlockenden Duft auf dem Weg in die eine oder andere Richtung gezogen fühlt.

      Unsere Lehrer sagen uns, dass dieses ständige Umherwandern ein vollkommen natürlicher Teil des Geistes sei, und sie schlagen uns vor, wir sollten einfach nur versuchen, uns jeweils auf einen halben Atemzug zu konzentrieren – einatmen, dann ausatmen. Das hilft etwas, doch mein Geist wandert immer noch in alle möglichen Richtungen ab. Manchmal wird das als „Wuchern des Geistes“ bezeichnet, so sagt man uns – die Art und Weise, wie die Gedanken immer mehr begriffliches Denken hervorbringen. Die Lösung für dieses Dilemma – sobald wir uns dessen bewusst werden, dass unser Geist von verirrten Gedanken „entführt“ worden ist – besteht darin, sich ruhig darauf zu konzentrieren, den Fokus wieder auf den Atem zu richten, wieder und immer wieder – mindestens eine Million Mal, so scheint mir, während der fünfundvierzig Minuten, die die Sitzmeditation dauert.

      Nach jeder Sitzphase machen wir eine Gehmeditation, die von einer halben bis zu einer Stunde dauert. Während wir gehen, sollen wir den Fokus auf die Empfindungen in unseren Füßen und Waden richten, Schritt für Schritt. Wenn wir merken, dass sich unser Geist von dem Empfinden der Schritte entfernt, dann sollen wir unseren Fokus wieder zum Gehen zurückbringen. Es passiert genau dasselbe: Mein Geist hat ein Eigenleben und wandert, wohin er möchte, und nicht, wohin ich möchte.

      Unsere Anweisungen werden im Laufe dieses ersten Tages erweitert. Wir lernen, dass die Konzentration auf den Atem den ersten Schritt zur Achtsamkeit, das heißt, unsere Aufmerksamkeit zu richten und aufrechtzuerhalten, verstärken wird. Indem wir lernen, unsere Aufmerksamkeit fokussiert zu halten, können wir den ständigen Strom eigensinniger Gedanken verhindern, die Konzepte, die unsere geistigen Prozesse umfassen und die sich dem wahren Erleben von Empfindungen in den Weg stellen. Empfindung ist das Tor zu unmittelbarem Erleben, sagen sie uns. Wenn wir einfach nur sehen, riechen, schmecken, berühren oder hören können (unsere ersten fünf Sinne), dann betreten wir das Reich des Im-Moment-Seins – ein von meiner jetzigen Position weit entferntes Reich, mit all dem Wirrwarr im Kopf, während ich einfach sitze und gehe und sitze und gehe. Es scheint, dass die Annäherung an die Empfindung uns befähigen soll, einfach nur zu erfahren, ohne das unerwünschte Eingreifen des Denkens.

      Der erste Tag ist seltsam und anstrengend gewesen. In Stille zu sein und nicht direkt mit jemandem kommunizieren zu können, gibt mir ein Gefühl leichter Klaustrophobie. Ich habe den Drang, in Kontakt zu treten, aber es ist uns verboten, mit irgendjemandem mit Worten oder Gesten zu kommunizieren, Augenkontakt aufzunehmen oder durch den Gesichtsausdruck zu kommunizieren. Das ist die Regel, die es uns unmöglich macht, uns auf irgendeine Weise zusammenzutun; und ich fühle, dass ein Teil meines Gehirns darauf brennt, die vielen anderen zu erreichen, die hier sind. Ich fange an, mit mir selbst zu sprechen, und zwar nicht nur in Gedanken, sondern laut. Ich erzähle mir sogar selbst Witze und lache darüber. Dann sage ich „sch!“ zu mir selbst und erinnere mich an die Regel von der edlen Stille: keine Kommunikation mit irgendjemandem. Aber was ist mit mir selbst?

      Während der Praxis versuche ich mich zu erinnern, was ich mir gesagt habe, bevor das hier begonnen hat: Lass jeden Atemzug zu einem Abenteuer werden. Jetzt sage ich mir: „Lass jeden halben Atemzug zu einem Abenteuer werden.“ Aber ich sage das mit Worten, und Worte sind irgendwie zum Feind geworden, sind wie wuchernde Konzepte, die mich vom unmittelbaren Empfinden abhalten. Ich bin gefangen. Ich fühle mich verwirrt. Ich fühle die Empfindungen unmittelbar, ich fühle oder ich denke, aber ich gebe auch nicht den gedanklichen, auf Worten basierenden Dialog in meinem Kopf auf – die Worte, die zusammenfassen, was ich tue, wie zum Beispiel spazieren gehen, einen Apfel essen –, statt dass ich es mich einfach tun lasse. Ich habe einen Erzähler in mir, der einfach nicht locker lässt. „Also los, versuche einfach diese Sojamilch zu trinken.“ S-O-J-A-M-I-L-C-H, lese ich auf der Packung, und die Buchstaben springen in mein Gesichtsfeld wie ein lange verlorener Freund. Die Worte sind sogar in meinem Geist aktiv, wenn ich während unserer Sitzungen sitze und gehe. Das gibt mir das Gefühl, dass ich nicht „achtsam meditiere“. Vielleicht bin ich einfach zu intellektuell und mit Ideen und Fragen, Worten und Konzepten angefüllt, um etwas wie das hier zu tun.

      Zweiter Tag

      Heute hat sich etwas verändert. Wir stehen jeden Tag um 5.15 Uhr auf und sind um 5.45 Uhr in der Sitzmeditation. Am Ende der ersten fünfundvierzigminütigen Sitzung hatte ich das erstaunliche Gefühl, als sei überhaupt keine Zeit vergangen. Ich setzte mich hin, begann, meinen halben Atem zu beobachten, und ehe ich mich’s versah, wurde die Glocke für unser Frühstück um 6.30 Uhr geschlagen. Ich war nicht eingeschlafen, da ich immer noch vollkommen aufrecht saß, mit geradem Kopf und unter mir gekreuzten Beinen. Dann brach ich zu einem langen, achtsamen Spaziergang im Schnee im Wald draußen vor dem Hauptgebäude auf. Auf einmal hatte ich einen wunderbaren Ausblick auf ein schneeüberzuckertes Tal, das von dem ebenfalls mit Schnee bedeckten Ast einer riesigen Kiefer eingerahmt wurde. Eiszapfen hingen von einem nahe gelegenen Felsblock herunter. Zu meiner Überraschung brach ich angesichts des lebendigen Anblicks, der Gerüche und der kühlen Luft auf meinem Gesicht, des Säuselns des Windes in den Bäumen und des knirschenden Schnees unter meinen Stiefeln in Tränen aus. Und dann hörte ich genauso schnell einen Gedanken in meinem Kopf sagen: „Du wirst eines Tages sterben, und nichts von dem hier wird für dich mehr vorhanden sein.“ Meine Heiterkeit schwand augenblicklich und wich einem tiefen Unglücklichsein. Ich fühlte mich niedergeschlagen und ernüchtert. Es war, als ob ein uralter Krieg zwischen Gedanken und Empfindungen ausgefochten würde, der in meinem isolierten Kopf noch um ein Vielfaches vergrößert erschien.

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