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gehört die Mitwirkung einer alles überragenden Kraft: der Kraft des Mittlers.

      Als Gegensatz zu der Religion des Osiris, zugleich zur weiteren Klärung der Bedeutung der Vorstellung von einem Mittler, weise ich auf die Religion des Mithras hin, welche in den letzten Jahrhunderten des römischen Kaiserreiches große Verbreitung gewann und eine Zeitlang bestimmt schien, das Christentum aus dem Felde zu schlagen. Hier ist – zunächst – von einem Mittler nicht die Rede. Mithras ist einfach der Allgott, verehrt in der Gestalt des krönenden Werkes seiner Schöpfung: der Sonne. Der Wert dieser Religion – und er ist ein hoher – beruht auf ihrem rein arischen Ursprung, der zwar durch allerhand semitische und völkerchaotische Zutaten getrübt und überdeckt ward, doch zu viel Leben und Kraft besaß, um jemals den Stempel des Arischen zu verlieren. »Vollkommene Reinheit« war das Ziel, dem das Dasein des Gläubigen zustreben sollte: diese vollkommene Reinheit unterscheidet die persischen Mysterien von denen aller anderen orientalischen Götter (Franz Cumont: Die Orientalischen Religionen, deutsch v. Gehrich, S. 184). »Keine Religion der Welt war jemals dem Reinheitsideal so fanatisch ergeben wie diese« – sagt Farnell von der persischen Urreligion, aus der die des Mithras entstammt ( The Evolution of Religion, S. 127). Letztere kennzeichnet nun außer der Reinheit, die, mit ihr verwobene, außerordentlich starke Betonung der Tat; das Erwecken aller Anlagen zur Energie, um aus jedem Menschen die Höchstleistung herauszuholen, bildet ihre Hauptsorge, sie verkörpert gleichsam Goethe's Mahnung »Gedenke zu leben!«: so wurde die Religion des Mithras die Religion der militärischen Legionen und hat hierdurch einen unermeßlichen Einfluß auf den Bestand des römischen Reiches gewonnen, indem, dank diesem segensreichen Einfluß, zu einer Zeit des allgemeinen Sittenverfalles das Heer rein und stark blieb. Es ist gewiß kein Zufall, wenn die meisten Trümmer der Andachtsstätten dieser Gottesvorstellung heute auf deutschem Boden gefunden werden: die Religion des Mithras sagte unseren germanischen Altvordern zu.

      Eingehende Beachtung verdient die Tatsache, daß auch dieser Glaube auf die Dauer des Mittlers nicht hat entbehren können. Zwar sind wir, trotz der bewundernswerten Arbeiten des belgischen Gelehrten Cumont, noch wenig über die Einzelheiten der Lehren dieser Mithras-Religion unterrichtet – so gewissenhaft streng wurde das Gebot des Verschweigens gewahrt, doch hat Albrecht Dieterich's Entdeckung von Bruchstücken einer Mithras-Liturgie Einiges ans Tageslicht gebracht, darunter namentlich die Tatsache, daß innerhalb der Gottheit zwischen Vater und Sohn unterschieden wurde: beide bildeten ein einziges Wesen in unio mystica vereint, jedoch unterscheidbar: Mithras, der Vater, Helios, der Sohn. Das Amt des Sohnes ist es, zwischen dem Menschen und seinem Vater im Himmel zu vermitteln (vergl. Eine Mithrasliturgie, 1903, S. 68, 135). Von alten christlichen Apologeten ist behauptet worden, diese Gotteslehre entstamme einer späteren Zeit, als Nachbildung halbverstandener christlicher Glaubenssätze; dem Urteil der Kirchenväter ist jedoch wenig zu trauen; hier brechen wahrscheinlich uralte, sorgfältig geheimgehaltene Lehren durch; so hören wir z. B. von dem Chaldäer Nebukadrezar dem Großen, der keinem der zahlreichen Götter des babylonischen Pantheons die öffentliche Verehrung versagte, daß »wenn nicht in der Theorie, so doch in der Praxis Maruduk (der Hauptgott) sein eigener, einziger Gott war, und er Nabû als dessen Sohn und Offenbarung verehrte« (Tiele, Gesch. d. Religion im Altertum, deutsch v. Gehrich, 1, 202). Uns kann die Entscheidung gleichgültig lassen; denn es genügt uns, es zu wissen, daß auch diese große Religion des Mittlers nicht hat entbehren können. Und zwar stand der Mittler den Glaubenden Tag und Nacht bei: »Er beschützte sie in ihrem ununterbrochenen Kampf gegen die Mächte der Finsternis; er half ihnen, der Wahrhaftigkeit treu zu bleiben, Gerechtigkeit zu üben und die Reinheit sich zu bewahren... und nach dem Tode führte er die Seelen hinüber zu den Gefilden der Seligen« (Cumont in Daremberg 3, 1953).

      Noch bleibt eine Religion zu erwähnen, für uns Christen wohl die bedeutungsvollste – die des Dionysos.

      In der Schule pflegte man uns zu lehren: die Tatsache, daß Dionysos nur einmal in der Ilias genannt werde (VI, 132 fg.), und zwar flüchtig und nicht sehr ehrenvoll, genüge zum Beweise, es handle sich um eine damals neuauftretende Gestalt, noch kaum unter die Götter aufgenommen und wahrscheinlich von auswärts eingeführt; eine Auffassung, die durch die Belehrung ergänzt wurde, der dionysische Kult bilde im griechischen Leben eine früher unbekannte Erscheinung, die den Verfall einleite. In Wirklichkeit stammt gerade Dionysos – das wird heute von allen Fachgelehrten zugegeben – aus den allerfrühesten Zeiten, von denen wir Kunde besitzen, und ist beträchtlich älter als der ganze homerische und vorhomerische Olymp. Dionysos ist nämlich identisch mit dem Gott Agni-Soma, der schon in den ältesten Teilen des Rigveda verehrt wird. Nicht allein bildet hier wie dort das Verhältnis zu körperlichem und auch zu seelischem Rausch und Überschwang den leitenden Zug der mythischen Gestalt – einen Zug, der bis in Seelentiefen alles Bezeichnende bestimmt; sondern selbst Züge, die zunächst den Eindruck recht willkürlicher Erfindungsphantastik machen, stimmen bei beiden genau überein: ebenso z. B. wie der zur Geburt unfertige Dionysos von Zeus dem toten Mutterleib entnommen und in den eigenen Schenkel zur Ausreifung eingenäht wird, ebenso verfährt Indra mit Soma – weswegen der indische Gott den Beinamen des »Zweimalgeborenen« erhielt, genau entsprechend dem griechischen Beinamen des Dionysos, Dithyrambus. Beide Götter sterben, und beide stehen mächtiger als vorher wieder auf; vor allem: beide gewinnen vielfach die Bedeutung von Mittlern zwischen Mensch und Gott. Diese aus den urältesten Zeiten eines reinen Ariertums stammende Religion des Dionysos durchzieht, wie wir jetzt wissen, alle Stufen der hellenischen Kultur, von den Uranfängen an bis weit ins Christentum hinein; die Namen haben oft gewechselt, doch erkannten die Griechen z. B. im Zagreus der Kretenser und im Sabazius der Thraker – um nur die zwei bedeutendsten zu nennen – sofort ihren vertrauten, zugleich heiter ausgelassenen und tiefsinnig geheimnisvollen Gott wieder, der zu allen Zeiten ihr eigentlicher Religionsgott war und blieb. Man weiß z. B., daß in Delphi Apollo zuerst als Eindringling empfunden wurde und er seine spätere herrschende Stellung lediglich der Verschmelzung mit Dionysos verdankte. Zwar führte die allen Mythologien gemeinsame Lust zu ewig wechselnden Beziehungen, Vertauschungen, Angleichungen auch hier zu mancher Verdunkelung und Irreleitung – so namentlich die Heranziehung der in Syrien und Kleinasien beliebten Vegetations- und Jahreszeitgötter Attis und Adonis, wodurch mancherorten die Dionysosverehrung auf bedenkliche Abwege geriet. Attis und Adonis verschwinden – wie Demeter – alljährlich zu einer bestimmten Zeit, nämlich beim Einschlafen der Vegetation, und kehren im folgenden Frühjahr mit deren Erwachen zurück; auch für Dionysos ist es bezeichnend, daß er manchmal mitten unter seinen von Freudentaumel beseelten Anbetern weilt und dann wieder von der Erdoberfläche verschwindet: bei ihm aber verhält es sich anders. »In diesem Verschwinden und Wiederkehren des Gottes, wie es üblich ist, allegorische Versinnbildlichung der Vernichtung und Wiederherstellung der Vegetation zu sehen, besteht keine Veranlassung«, lehrt uns Rohde und fügt ironisch hinzu, »außer in den ein für allemal feststehenden Axiomen der Lehre von der griechischen Naturreligion« ( Psyche 2, 12 fg.). Dionysos bleibt ja zwei Jahre lang fern, was allein zum Beweise genügt, daß hier tiefere Vorstellungen walten. Dionysos ist »Herr der Seelen und Geister«; er wird verehrt als »König der Toten«, als »Gott der Toten«, und – was noch mehr sagen will – als » Besieger des Todes«, als der Gott, der gerade vermittelst des sonst gefürchteten Todes die Seelen der Gläubigen in die Unsterblichkeit hinüberrettet, weswegen er auch den Namen Dionysos Soter trägt, das heißt »der Erlöser« (siehe Daremberg unter »Bacchus«). Auch hier – sobald die Vorstellung des Mittlers nach letzter Deutlichkeit verlangt – findet die Spaltung des Eingottes in Vater und Sohn statt und führt bisweilen zu dem Begriff der Dreieinheit (Trigonos) hinüber, – wofür wir das Zeugnis Augustin's besitzen. Fügt man hinzu, daß den gebildeten Bekennern dieses Glaubens (nämlich den orphischen Brüderschaften) die Lehre des Sündenfalles sowohl wie diejenige des Logos nicht fremd war und daß sie Keuschheit und Abkehr von dieser Welt mit Inbrunst predigten, so übertreibt man sicher nicht, wenn man sie als Pfadfinder für manche grundlegenden Religionsgedanken der christlichen Kirche einschätzt.

      Es könnten noch mehr Bekenntnisse aufgezählt werden, doch schreibe ich keine Religionsgeschichte, sondern will nur die Wege aufzeigen, welche die europäische Menschheit in ihrer steigenden Sehnsucht nach Vermittelung geführt wurde. So grundverschieden diese Bekenntnisse auch waren, wir finden nichtsdestoweniger

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