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Es gibt zur Vernunft viele Meinungen: „Die Vernunft unterscheidet uns Menschen von Tieren.“* „Einsicht ist der erste Schritt zur Vernunft“ (S. Gönül). „Durch Vernunft, nicht durch Gewalt, soll man Menschen zur Wahrheit führen“ (D. Diderot). „Wenn du eine weise Antwort verlangst, musst du vernünftig fragen“ (J.W. von Goethe). Rudolf Walter Leonhardt betont folgende pro-Argumente zur Vernunft: Wo die Vernunft nicht in höhere Vernunft abhebt, leistet sie einiges. Wenn wir selbst unsere Interessen durchboxen und gegen eine allgemeine Vernunft handeln, dann spüren wir, dass es eine solche gibt. Auch wer überall nur Unvernunft zu entdecken meint, setzt damit eine Norm, die Vernunft heißt. Die Vernunft ist der größte Hauptnenner der Menschheit (z. B. gegen den Atomtod). Zum Schluss: Ohne Vernunft gäbe es die Wissenschaft nicht.90

      ► „Der Mensch ist vielerlei, aber vernünftig ist er nicht“ (O. Wilde). „Vor allem ökonomische Interessen können die Vernunft am Gängelband führen.“* „Fast nie kommt der Mensch aus Vernunft zur Vernunft“ (C. de Montesquieu). „Wo der Mut keine Zunge hat, bleibt die Vernunft stumm“ (J. Müller). „Kein Vormarsch ist so schwer wie zurück zur Vernunft“ (B. Brecht). „Mit unserer Vernunft ist es so weit nicht her: was vermag sie gegen die Liebe?“ (unbekannt). Und vor allem: „Die Vernunft ist des Herzens größte Feindin“ (G. Casanova). Auch: „Gegen Emotionen hat die Vernunft kaum eine Chance.“* Interessant: „Wer sich ständig von der Vernunft leiten lässt, ist nicht vernünftig“ (Ch. Tschopp). Ähnlich: „Vielleicht ist es unvernünftig, immer vernünftig zu sein.“ (S. Rogal). „Wenn man sich von der Vernunft lange genug leiten lässt, kommt man zu ganz unvernünftigen Schlussfolgerungen“ (S. Butler). Auch die „großen“ Philosophen konnten nicht einheitlich klären, was „vernünftig“ ist.91

      ► Ein Fazit zieht Grillparzer: „Die Vernunft ist der durch die Phantasie erweiterte Verstand.“ Wir Menschen haben aber mitunter unsere Probleme mit der Vernunft. Die Vernunft ist wohl auch nicht die Schaltzentrale unseres Verhaltens. Deshalb kommen Wissenschaftler zu dem folgenden Ergebnis:92

      „Der klare Verstand als zentrales Merkmal des menschlichen Handelns ist eine Fiktion“

       (Richard David Precht)

      Die wichtigsten Impulse unseres Verhaltens kommen nicht aus dem Großhirn – dem Sitz der Vernunft, sondern sie kommen aus unserer Gefühlszentrale im Zwischenhirn. J.J. Rousseau meint dazu: „Die Vernunft formt des Menschen, das Gefühl leitet ihn.“ Als Vordenker in der Zeit der Aufklärung war Rousseau überall in Frankreich bekannt. Er war zu einem kleinen Waldgasthaus gewandert und er merkte, dass die Leute wieder einmal über ihn tuschelten. „Das ist der Lohn meines Ruhmes“, brummelte er vor sich hin und setzte sich an einen freien Tisch. Ein älteres Weib wagte sich an seinen Tisch und fragte: „Sind sie nicht der bekannte Philosoph Voltaire?“ „Nein, Madame! Der bin ich nicht!“ knurrte Rousseau. Dennoch ließ die Frau nicht von Rousseau ab, der in Ruhe gelassen sein wollte und nun bereits etwas unwirsch reagierte. Endlich kam der Wirt mit dem Wein: „Madame!“ sagte er tadelnd zu der Frau: „Wisst Ihr denn nicht, wer dieser Herr ist? Es ist der vortreffliche Diderot, Frankreichs Stolz und unter den Lebenden unser gewaltigster Philosoph.“93

      Der Verstand ist die Fähigkeit des Menschen, durch das Denken, Bedeutungen, Beziehungen und Sinnzusammenhänge zu erfassen und zu erschließen.94 Deshalb die Folgerung: „Der Mensch sollte sich immer darum bemühen, vernünftig zu handeln.“ Der kategorische Imperativ fordert: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde“ (E. Kant). Also postulieren wir mit Kant: „Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“ Auch gilt: „Der Verstand steht als schlussfolgerndes Denken“ (Aristoteles) in enger Beziehung zur Vernunft. Folge deshalb dem guten Rat eines weisen Menschen:

       „Lass die Zunge nicht dem Verstand vorauseilen“

       (Chilon aus Sparta)

      ► „Verstehen setzt einen Verstand voraus“ (E. Klepgen). Aber: „Menschenverstand ist viel seltener als man denkt“ (Friedrich der Große). „Derer sind wenige, die Verstand haben“ (Dante). „Wer großen Verstand hat, weiß viel“ (L. de Vauvenargues). „Wo Verstand ist, braucht es nicht viele Worte“ (Sprichwort); denn: „Verstand zeigt sich im klaren Wort“ (Euripides). G. Klopstock geht noch weiter: „Verstand ist ein Edelstein, der am schönsten glänzt, wenn er in Demut gefasst ist.“ Und es gilt: „Horizont ist keine Frage der Größe“ (H. Lahm). „Immer etwas Schönes zu ersinnen, ist die Gabe eines göttlichen Geistes“ (Demokrit). Daraus entsteht die weitere Folgerung: „Möge Gott dir gesunden Menschenverstand geben“ (irischer Spruch).

      ► Verstand kann aber mitunter auch hinderlich sein: „Verstand hemmt die Spontaneität“ (Querulix). Auch: „Der Verstand schützt uns nicht vor Launen“ (Vauvenargues). „Nicht jeder, der Verstand hat, hat auch Verständnis“ (H. Lahm). Ähnlich: „Wo Verständnis fehlt, hat es der Verstand schwer“ (K.W. Dickhöfer). Interessant sind Zusammenhänge zwischen Gefühl und Verstand: „Ohne den Verstand würde das Gefühl mitunter ausufern.“* Stärker ausgedrückt: „Der Verstand ist die Zwangsjacke unserer Gefühle“ (P. Sereinigg). „Wo unser Verstand aufhört, beginnt unser Herz“ (A. Maggauer-Kirsche). Ähnlich: „Manchmal versteht das Herz mehr als der Verstand“ (J.M. Kulmer). „Das Herz kennt Gründe, von denen der Verstand nichts weiß“ (Pascal). Das Verhalten von Menschen hängt auch vom Kopf ab: „Leere Köpfe verlieren ihren Verstand viel leichter“ (M.G. Reisenberg). Und: „Mit dem Kopf durch die Wand, deutet auf wenig Verstand“ (E.H. Bellermann). Resignierend, aber wahr: „Es gibt so weniges, worüber wir richtig urteilen“ (L. de Vauvenargues). Zum Nachdenken: „Das Unbegriffene verbirgt das Unbegreifliche.“ (S. Weil).

      ► Fazit: Gefühle, Spontaneität, Launen und Eitelkeit wirken zuweilen dem Verstand entgegen. „Wo die Eitelkeit anfängt, hört der Verstand auf“ (M. von Ebner-Eschenbach). Auch: „Wo Verstand befiehlt, ist Gehorsam leicht“ (Th. Fontane). „Ohne Verstand ähnelt der Kopf einem leeren Topf“ (aus Spanien). Der Verstand lässt sich treffend anhand des Verstandesmenschen erklären:95 Er zeichnet sich durch logisches Denken, seine Vernunft, seine Abstraktionsfähigkeit und durch sein scharfsinniges Urteil aus. Dabei verbindet er logische Denkarbeit mit einem guten Gedächtnis. Aber: „Das Gefühl ist nicht die Stärke des Verstands.“* Und: „Das Gefühl versteht, was der Verstand nicht begreift“ (Bonaventura). Auch: „Das Herz hat seine Gründe, die der Verstand nicht kennt“ (B. Pascal). Außerdem: „Der Verstand und die Fähigkeit, ihn zu gebrauchen, sind zwei verschiedene Gaben“ (Grillparzer). Aber: „Je weniger Verstand einer hat, umso weniger merkt er den Mangel“ (aus Großbritannien). Und: „Nicht alles, das man nicht versteht, muß deshalb gleich falsch sein“ (K.W. Dickhöfer). Interessant: „Der Blick des Verstandes fängt an scharf zu werden, wenn der Blick der Augen an Schärfe verliert“ (Platon). Zum Schluss das treffende Zitat von Wilhelm Hey: „Verstand und Witz kann leicht entzücken, doch fesseln kann allein das Herz.“ Diesen schönen Satz habe ich 1974 meiner Isolde in das Album zu unserer Hochzeit geschrieben.

      Das Gefühl ist ein Gestimmtsein, das sich im Fühlen des Menschen ausdrückt und mit Sensibilität verbunden ist. Wir Menschen erleben alles, was uns fördert als Wert und alles, was uns hemmt als Unwert. Diese Erlebnisse heißen Gefühle.96 Das Gefühl ist ein Grundphänomen des Erlebens einer Erregung (Spannung) oder Beruhigung, z. B. Entspannung. Es wird mehr oder weniger von Lust oder Unlust begleitet. Menschen haben negative Gefühle, wie Angst bzw. Ärger und positive Gefühle, wie beispielsweise Freude und Liebe. Gefühle sind mit Affekten, Emotionen und Empfinden verbunden.97 Gemütsbewegungen im Sinne eines

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