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wird. Der zweite Teil unterstützt das Gewebe und die inneren Organe. Diese Bewegungen sind wesentlich komplizierter. So benutzt man jeweils nur ein Bein, um in die Hocke zu sinken und sich anschließend wieder aufzurichten. Auch zieht man seine Knie oft zum eigenen Körper, was sehr gut ist für die inneren Organe. Der dritte Teil ist sehr schwer. Er dient allen inneren Organen und fördert eine innere Körperkraft. Es wird statisch trainiert, in tiefen Stellungen, ohne sich zu bewegen. Ich selbst, obwohl kein trainingsfauler Mensch, habe mit dieser Art des Übens Schwierigkeiten. Wenn man dieses gong durchhält, ist der Effekt allerdings sehr gut. Bei meinem Lehrer Li Zhenghua und auch bei ein oder zwei anderen Meistern, die in ihren jungen Jahren ähnliche Trainingsmethoden anwendeten, sah ich Muskelpartien am Bein, die ich bis dahin noch gar nicht kannte. Und das, obwohl diese Herren schon um die 60 Jahre alt sind.

      Foto 14

      Foto 15

      Fotos 14 und 15: Bewegungsfolge aus dem ersten Teil des yanchigong. Man beachte die eingezogene Brust; das Herz wird durch diese Stellung »eingewickelt« und dadurch in eine pflegende und beruhigende Position gebracht. Man geht hierbei ganz langsam nach unten und wieder nach oben; je langsamer, desto besser.

      Foto 16

      Foto 17

      Foto 18

      Fotos 16 bis 18: Sequenz aus dem zweiten Teil des yanchigong. Die Bewegungen werden ganz langsam ausgeführt. Man dreht sich von der Haltung auf Foto 17 in die von Foto 18, ohne dabei zu wackeln, den erhobenen Fuß abzusetzen oder die Höhe zu verändern.

      All das gilt nicht nur für das yanchigong, sondern für sämtliche echten Gong-Übungen. Welches Training das Beste ist, lässt sich nicht sagen. Die Frage stellt sich nicht einmal. Meister Li, der seit frühster Kindheit mit den verschieden Meistern trainierte und dabei auch die verschiedensten Arten von gong übte, bevorzugt das yanchigong, aber andere Meister haben andere Ansichten. Doch solche Widersprüche sollten zu keinem Streit zwischen den einzelnen Vertretern der Kampfkünste führen. Streit über derartige Dinge hat meines Erachtens oft nur den Grund, dass jemand von eigenen Schwächen ablenken will.

      Foto 19

      Foto 20

      Foto 21

      Fotos 19 bis 21: Bewegungsfolge aus dem dritten Teil des yanchigong. Hier bewegt man sich nicht mehr, sondern steht statisch in tiefen Stellungen (über eine Stunde lang). Der gesamte Körper hält die ganze Zeit über eine starke Innenspannung aufrecht und baut dadurch eine große und effektive Kraft auf. Wie man im Bildausschnitt auf Foto 20 b erkennen kann, werden in Position 20 die Fersen angehoben, so dass man auf den Ballen steht.

      Foto 20 b

      In den vorliegenden Abschnitt über das gongfu sind viele Gedanken aus Clausewitz’ großartigem Werk »Vom Kriege« eingeflossen. Das ist kein Zufall. Gongfu ist, wie oben dargelegt, durch ein Buch grundsätzlich nicht vermittelbar. Es ist durch lange Zeit hingebungsvollen Trainings erworbenes Können, das jederzeit abrufbar und praktisch einsetzbar sein muss. Erst durch die sinnvolle Anwendung des Könnens ist das gongfu vollständig.

      Im Kapitel »Über die Theorie des Krieges« schreibt Clausewitz folgendes:

       Das Wissen muß ein Können werden

      Wir haben jetzt noch einer Bedingung zu gedenken, welche für das Wissen der Kriegführung dringender ist als für irgendein anderes: daß es nämlich ganz in den Geist übergehen und fast ganz aufhören muß, etwas Objektives zu sein. Fast in allen anderen Künsten und Tätigkeiten des Lebens kann der Handelnde von Wahrheiten Gebrauch machen, die er nur einmal kennengelernt hat, in deren Geist und Sinn er nicht mehr lebt, und die er aus bestaubten Büchern wieder hervorzieht. Selbst Wahrheiten, die er täglich unter Händen hat und gebraucht, können etwas ganz außer ihm Befindliches bleiben. Wenn der Baumeister die Feder zur Hand nimmt, um die Stärke eines Widerlagers durch einen verwickelten Kalkül zu bestimmen, so ist die als Resultat gefundene Wahrheit keine Äußerung seines eigenen Geistes. Er hat sich die Data erst mit Mühe heraussuchen müssen und diese dann einer Verstandesoperation überlassen, deren Gesetze er nicht erfunden hat, und deren Notwendigkeit er sich zum Teil in dem Augenblick nicht einmal bewußt ist, sondern die er großenteils wie mechanische Handgriffe anwendet. So ist es aber im Kriege nie. Die geistige Reaktion, die ewig wechselnde Gestalt der Dinge macht, daß der Handelnde den ganzen Geistesapparat seines Wissens in sich tragen, daß er fähig sein muß, überall und mit jedem Pulsschlag die erforderliche Entscheidung aus sich selbst zu geben. Das Wissen muß sich also durch diese vollkommene Assimilation mit dem eigenen Geist und Leben in ein wahres Können verwandeln. Dies ist der Grund, warum es bei den im Kriege ausgezeichneten Männern so leicht vorkommt, und alles dem natürlichen Talent zugeschrieben wird; wir sagen: dem natürlichen Talent, um es dadurch von dem durch Betrachtung und Studium erzogenen und ausgebildeten zu unterscheiden.31

      In den letzten Jahren habe ich sehr viele Bücher und Ausarbeitungen über das Thema gelesen oder mir audiovisuelle Darstellungen dazu angesehen. Den Begriff gongfu hörte ich überall, gerade wenn es um chinesische Kampfkunst geht, auch wenn gongfu sich nicht darauf beschränkt. So gut wie alles, was ich darüber las, war unvollständig, oberflächlich oder schlicht falsch. Manchmal waren die Ausführungen auch zu sehr verklärt. Tatsächlich fand ich im Buch »Vom Kriege« die beste und zutreffendste Erklärung über das gongfu. Es war der Deutsche Clausewitz, der, obwohl er den Begriff nicht kannte, die Bedeutung und Anwendung des gongfu am besten beschrieben hat, so dass kaum noch Ergänzungen nötig sind.

      Gongfu hat allerdings noch ein wichtiges Merkmal, das besonders bedeutsam ist, wenn es um Kampfkünste geht: Gongfu ist etwas, das man nicht vernachlässigen darf. Um dies zu verdeutlichen, möchte ich einen Ausspruch von Funakoshi Gichin, dem »Vater« des modernen Karate, benutzen: »Karate ist wie warmes Wasser. Es kühlt ab, wenn man es nicht ständig erwärmt.« Den Begriff »Karate« kann man hier ohne weiteres durch »gongfu« ersetzen. Funakoshi drückte mit seinem Spruch die Bedeutung des gongfu in den Kampfkünsten, in seinem Fall im Karate, aus.

      In China gibt es ein anderes Sprichwort, das auf das gleiche hinausläuft. Es lautet: »Yitian bu lian, tian he ziji zhidao, liang tian bu lian, neihang ren zhidao, santian bu lian, waihang ren zhidao« (一天不练, 天和自己知道. 两天不练,内行人知道. 三天不练, 外行人知道). –»Trainiert man einen Tag nicht, wissen es nur der Himmel und man selbst. Trainiert man zwei Tage nicht, wissen es auch die Experten (der Kampfkunst). Trainiert man drei Tage nicht, wissen es auch die Laien.«

      Etwas zu wissen ist eine Sache, Wissen zu verstehen eine andere, und das Wissen zu verinnerlichen wieder eine andere. Aber das verinnerlichte Wissen muss man auch anwenden können, so dass aus Wissen Können wird. Und das

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