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steht in keiner Konkurrenz zu irgendwelchen anderen Systemen. Die Meister testeten die Techniken oft in realen Szenarien, wobei sie meist mehr als nur einige Kratzer davontrugen. Es ist ziemlich respektlos, dieses Erbe einfach beseitigen zu wollen. Die Rede ist hier von einer lebendigen Tradition, die immer noch ihre Gültigkeit besitzt.

      Ich kann nicht leugnen, dass ich kein Anhänger der »Versportlichung« bewährter Kampfkünste bin. Ich habe mich davon überzeugen können, dass dieses Verbessern- oder Verändernwollen den Kampfkünsten von jeher mehr geschadet als genützt hat, getreu dem Sprichwort: »Wenn etwas nicht kaputt ist, repariere es nicht.« Diese Erkenntnis beruht auf meinen persönlichen Erfahrungen in ganz unterschiedlichen Schulen wie dem Karate, Boxen, Ringen und nun dem wushu. Jedoch geht es mir keineswegs darum, Turniere und Wettkämpfe schlechtzumachen. Beide haben ihren Sinn und positive Auswirkungen. Sie bringen Menschen zusammen und lassen Bekanntschaften und sogar Freundschaften entstehen. Ich selbst habe mit durchschnittlichem Erfolg schon an dem einen oder anderen Formenwettkampf oder Kampfwettbewerb teilgenommen und dadurch neue Freunde und Bekannte gewonnen. Man vergleicht und misst sich mit anderen, ohne dabei böse Absichten oder Gefühle zu haben. Olympische Spiele oder Weltmeisterschaften spielen in der heutigen Welt eine wichtige Rolle. Durch diese Wettkämpfe können wir unsere Stärke vergleichen, ohne dem Gegenüber feindlich gesonnen zu sein. Das bedeutet letztendlich Konfliktvermeidung durch Sport. Das hat auf jeden Fall etwas für sich.

      Anzumerken ist auch, dass die Sportrichtungen den Körper ruinieren. Sie sind verheerend für die Gelenke, besonders für Knie und Rücken. So trägt jeder Wushu-Profi irgendwelche Bandagen oder Stützen, um seine kaputten Gelenke zu schützen, und das, obwohl die meisten von ihnen erst um die Zwanzig sind. Ist das Kampfkunst, ist das gongfu? Nein, denn im wushu geht es darum, durch geeignete Trainingsmethoden zu einem starken Körper zu gelangen, den man durch gute Techniken im Notfall schützen kann und der seine Gesundheit bis ins hohe Alter behält.

       quan wu quan, yi wu yi, wu quan wu yi shi zhen yi

      Faust ohne Faust, Sinn ohne Sinn –

      ohne Faust, ohne Sinn ist der wirkliche Sinn.

Modernes und altes Wushu

      Das wushu erfreut sich heute einer so großen Popularität wie nie zuvor. Das gilt auch für China. Paradoxerweise schrumpfen gleichzeitig die Zuschauerzahlen bei den Wushu-Wettkämpfen. Mittlerweile sind dabei mehr Sportler als Zuschauer anwesend. Selbst das chinesische Volk lehnt das moderne wushu großenteils ab. Das war früher undenkbar. Einst drängten sich die Leute in den Hallen auf den Zuschauerplätzen, nur um einen Meister des wushu bei der Ausübung seiner Techniken zu sehen. In den 50er und 60er Jahren waren die Veranstaltungen ausverkauft, wenn dort alte chinesische Meister ihre Fähigkeiten demonstrierten. Die Frage ist, wie lange es noch Menschen geben wird, die den Unterschied erkennen und die Qualität einer echten Kunst zu würdigen wissen.

      Ich möchte hier noch ein wenig auf den Verfall des wushu eingehen. Schleichende Veränderungen sind in der Regel schwer wahrnehmbar. Aber wenn man mitten im Geschehen steht, das Neue und das Alte kennengelernt hat und dann die letzten Jahre in einem gedanklichen Zeitraffer vorüberfliegen lässt, dann wird dieser Verfall sehr greifbar.

      Während meiner Zeit in China konnte ich mit einigen der besten Sportler trainieren, alles Profis im wushu und im sanda. Das nanquan (Südfaust), das ich dort übte, ist im heutigen wushu das Beste. Üblicherweise ging das so vor sich: Ich zog durch die Straßen von Wuhan und trainierte früh bei Meister Tian Chuanqing (田传青) traditionelles zuibaxian (Boxen der acht betrunkenen Unsterblichen). Danach erhielt ich bei Meister Li die nächste Lektion. Im staatlichen Wushu-Verband folgte eine weitere Runde und abends, hinterm Restaurant, noch eine Einheit. So lernte ich gleichzeitig das Alte und das Neue kennen.

      Ich will den Unterschied zwischen der heutigen Ausführung der Techniken und dem ursprünglichen Sinn des wushu anhand des Beispiels der Bewegungsfolge xuan feng jiao (旋风脚) darstellen. Das ist ein Drehsprung in der Luft. Die ursprüngliche Technik ist, wenn man sie beherrscht, ohne Frage kampftauglich. Meister Chen Chongxi (陈重昔) erklärte die eigentliche Bedeutung und Anwendung sehr gut: »Als Vorbereitung schlägt man zwei schnelle Handkanten, während man in den Gegner hineingeht. Dann sinkt man in eine leichte Hocke und springt mit einer Drehung den Gegner an. Dabei versucht man, ihn am Hinterkopf zu treffen, was tödlich sein kann. Bei größerem Abstand trifft man mit dem Fuß, bei enger Distanz trifft man mit dem Knie. Ein kleinerer Kämpfer kann diese Technik an einem größeren Gegner einsetzen.«

      Im heutigen wushu sieht diese Technik dagegen etwa so aus: Man läuft ohne irgendwelche Vorbereitung mit vier Schritten an, springt ab, dreht sich möglichst zweimal in der Luft und landet in einem theatralischen Stand. Ohne zu wackeln, versteht sich, sonst gibt es Punktabzug. Jeder Gegner würde sich über einen derartig leichtsinnigen Angriff freuen. Während man bei der klassischen Variante das eine Knie eng an den Körper zieht, um eine dynamische Kraft aufzubauen – worauf es nun einmal ankommt –, springt man bei der modernen Version ohne Eigenschutz wie ein Eiskunstläufer in die Höhe. Dieser Vergleich ist durchaus angebracht, da man in beiden Fällen ein ähnliches Ziel hat: Ästhetik. Der Kraftaufbau und die Kraftübertragung, der Sinn der Technik und deren Nutzen werden beim »neuen« wushu vollkommen ignoriert. Speziell bei dieser Technik geht es nur noch um den Sprung. Die Techniken zwischendurch sind erfundene Verzierungen.

      Auch in anderen Kampfkünsten wurden Technik verändert, weil man meinte, man müsse sie der modernen Zeit anpassen. Im Karate gibt es beispielsweise die Technik age uke (jpn. 上げ受け), einen Block, der das Gesicht abdecken soll. Heute wird diese Technik weit weg vom Kopf ausgeführt (Foto 4). Warum? Das weiß keiner so genau. Tatsache ist, dass die analoge Technik in ziemlich vielen chinesischen Kampfkünsten enthalten ist, so z. B. im baji (八極拳), im tanglang und im tongbei (通背拳). Hier wird die Technik jedoch eng und knapp am Kopf ausgeführt und die Bewegung wird nicht so langgezogen. Gegnerische Attacken zum Kopf können so kurz und knapp abgewehrt werden (Fotos 5 bis 8).

      Foto 4: So wird der age uke heute auf stereotype Weise in vielen Stilen des Karate oder des wushu trainiert.

      Foto 5

      Foto 6

      Fotos 5 und 6: Tatsächlich lässt man den gegnerischen Angriff abgleiten. Die Technik funktioniert wie ein Keil, den man in den Angriff hineinsetzt und an dem man die Kraft ableitet.

      Ein weiterer Aspekt, an dem man die Abflachung des heutigen wushu deutlich erkennen kann, ist die ursprünglich entwickelte Dehnung. Die Übung, bei der man mit seinem Fuß die Kinnspitze berührt (Foto 9), ist typisch chinesisch. Zwar muss man dabei die Körperproportionen betrachten, aber innerhalb dieser Grenzen gibt es ein Richtig und ein Falsch. Die Chinesen sind durch ihren Körperbau für diese Dehnung in der Regel etwas besser geeignet als Europäer und können diese deshalb leichter durchführen.

      Foto 7

      Foto 8

      Fotos 7 und 8: Die Bewegung des age uke als aktiver Angriff oder als Abwehr und Angriff zugleich.

      Ursprünglich dehnten die Meister sich

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