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Menschen im Krieg – Gone to Soldiers. Marge Piercy
Читать онлайн.Название Menschen im Krieg – Gone to Soldiers
Год выпуска 0
isbn 9783867548724
Автор произведения Marge Piercy
Жанр Книги о войне
Издательство Автор
Es war nicht unbedingt eine interessante Landschaft, die mit weißen Schindeln verkleidete Offiziersmesse, die Garagen und die in aller Eile errichteten Nissenhütten, die neuer Nutzung zugeführten Nebengebäude, aber er ertappte sich dabei, wie er die Eichen vor der Veranda skizzierte, das Glitzern des Sonnenlichts auf den langen Lanzen des Magnolienlaubs. Niemand hier nannte ihn eine Schwuchtel, wenn er zeichnete.
Von den Männern seiner Gruppe zog er zwei den anderen vor. Carey war ein in kleinen Zeitschriften veröffentlichter Dichter gewesen, Aaron Graveur. Beide sprachen fließend Französisch, und der Graveur Aaron konnte Holländisch, denn er war Holländer gewesen, ein jüdischer Emigrant, für den Verwandte in den Vereinigten Staaten gebürgt hatten, nachdem ihm die Flucht nach Schweden gelungen war. Ein Jahr lang hatte er nun in Sicherheit gelebt. Er war eins fünfundsechzig groß, kräftig gebaut, mit karottenroten Haaren, die Jeff an seine Krankenschwester Betty Jo erinnerten, und katzenartigen Topasaugen. Er war ein auffällig aussehender Bursche, aber hielt nichts von Palaver. Selbst bei den Übungen im Töten war er effizient, aber phlegmatisch.
Carey redete genug für alle drei. Er hatte an einer Mädchenschule Englisch unterrichtet, im nördlichen Teil des Staates New York, was für ihn dem Nordpol gleichkam. Er stammte aus dem Shenandoahtal in Virginia, obwohl seine Mutter, so erzählte er ihnen bei jeder Gelegenheit, eine Culter aus Roanoke war. Er war mit seiner zweiten Kusine dritten Grades verlobt gewesen und häufig mit ihr ausgeritten, doch sie hatte ihm den Laufpass gegeben und einen Marineflieger vorgezogen. Er war ganz entzückt, wieder in der Zivilisation zu sein, die in Maryland begann und hinter North Carolina aufhörte, mit Ausnahme von Savannah, das er kultiviert fand, und vielleicht noch Charleston, obwohl er dort entsetzliche Verwandte hatte, ausgesprochen kläffige Leute, wie Hunde.
Jeff dachte, wahrscheinlich war Carey das, was Zach ihn schwul zu nennen gelehrt hatte, aber von ihm wollte Carey nur brüderliche Zuwendung. Jeff hatte gelegentlich Sex mit Männern gehabt, angefangen beim gegenseitigen Masturbieren mit dreizehn in einem Heuschober. Nur ein einziges Mal hatte er mit einem Mann den Liebesakt vollzogen, und das war mit Zach. Er fand im Geschlechtsverkehr mit einem Mann keine sinnliche Befriedigung, und er hatte den Verdacht, dass Zach ihn keineswegs überwältigend attraktiv fand. Zach mochte sie roh und rau. Er meinte, dass Zach ihn verführt hatte, um so seine Vorlieben darzutun und um eine Art droit de seigneur auszuüben. Jeff liebte Zach auf eigene Art, und dieser kurze Anfall sexueller Bindung im Alter von zwanzig war Teil seiner Erziehung gewesen. Von Zeit zu Zeit, in einer seiner Landstreicherphasen, hatte er Geschlechtsverkehr mit einem Mann als Mittel, für eine Mitfahrt oder ein Nachtquartier zu bezahlen. Mit Männern geschlafen zu haben war Teil seiner Bildung, ein Code, den er gelernt hatte und der Dingen einen Sinn gab, die sonst an ihm vorbeigegangen wären.
So hatte er nun fast ohne sein Zutun zwei Freunde. Viele der Männer, die mit ihm in der Ausbildung waren, sah er als Mitglieder künftiger Altherrenriegen: Sie gehörten der gleichen Verbindung an. Dieser ehemalige Country Club bot eine andere Atmosphäre als die Brutalität und das Plattwalzen auf den niedrigsten gemeinsamen Nenner seiner ersten Militärerfahrungen oder das kleinliche und rücksichtslos wetteifernde Durchschlängeln in den Offizierslehrgängen. Hier dagegen war Grips nicht etwas, was einem unbedingt ausgeprügelt werden musste. Vielleicht war dies hier die Truppe der schwarzen Schafe, dachte er oft, und dann fielen ihm die durchreisenden Wirtschaftsjuristen auf und die jüngeren Söhne von Bankiers.
Er lernte, Waffen zu benutzen, die nicht zur Grundausbildung gehörten, lernte, lautlos zu töten, mit einem Messer, mit den Fingern und sogar mit einer zusammengefalteten Zeitung, die als Behelfsdolch in den Bauch oder direkt unter dem Kinn in den Hals gestoßen wurde. Er lernte, Funkgeräte zu bedienen, mit Codes umzugehen, Karten zu lesen, zu beobachten. Wo waren die Arsenale? Die Depots für Waffen und Munition und Öl? Die Treibstofflager? Welche Eisenbahnlinien waren in Betrieb und was wurde wann darauf transportiert? Die Flugabwehrstellungen? Jeff war ein schlechter Funker, seine Funksprüche langsam und voller Fehler. Er hasste den Morsecode.
Er tat sich jedoch in einem Test hervor, bei dem ihnen auf einer Leinwand zwanzig Sekunden lang Personenfotos gezeigt wurden, unter deren Gesicht Name, Alter, Beruf und Adresse eingeblendet waren. Dann wurden ihnen die Fotos noch einmal dreißig Sekunden lang ohne den Text und in willkürlicher Reihenfolge gezeigt, und sie mussten alles aufschreiben, was sie sich von dieser Person noch ins Gedächtnis rufen konnten. Jeff brachte die Gesichter nicht durcheinander. »Ihr schaut hin, aber ihr seht nichts!«, schimpfte der Ausbilder, aber zu Jeff sagte er das nicht.
Er begann, mit Aquarellfarben zu malen, eine Zwischenstation. Er malte an den Ufern des Potomac. Er wanderte durch die Landschaft Virginias und merkte, wie er wieder in Ölfarben zu denken begann, den Farbtönen, der Struktur.
Allmählich bekam Jeff einen Eindruck von der OSS-Struktur. OSS hatte als völlig andere Dienststelle begonnen, als COI – Coordinator of the Office of Information, Koordinator des Informationsdienstes –, aber weil Robert Sherwood und Wild Bill Donovan nicht miteinander ausgekommen waren, gab es jetzt ein Office of War Information, ein Amt für Kriegsinformation, zuständig für Propaganda, und den Dienst, dessen langer Arm ihn aus dem Sumpf gezogen hatte, OSS.
OSS hatte eine Abteilung SI – Secret Intelligence –, den Geheimdienst, der Spione führte. Jeffs Abteilung war Special Operations – Sonderoperationen –, und er ging davon aus, dass er bald genug herausfinden würde, was genau die tat und mit wem und wo. R & A war die Abteilung für Recherche und Analyse und voller Akademiker. MO – Moraloperationen – erzeugte sogenannte schwarze Propaganda, die die Kampfmoral des Feindes unterminieren sollte. X-2 war die Spionageabwehr. Eine weitere Abteilung arbeitete an Geheimwaffen, unsichtbaren Tinten, Agentenschnickschnack.
Seine zwei Ausbildungsmonate vergingen rasch. Dann erhielt er achtundvierzig Stunden Urlaub, bevor er sich nach England einzuschiffen hatte. In New York musste er umsteigen, und als er von der Pennsylvania Station zur Grand Central hastete, überlegte er, ob es nicht Blödsinn war. Vielleicht sollte er sein letztes Wochenende lieber mit einer Frau verbringen, wie er sie in New York bestimmt fand. Doch nein, er wollte Brachvogel sehen, und er wollte sogar seinen Vater sehen.
Die Temperatur pendelte um achtunddreißig Grad; Schweiß durchweichte seine Uniform. Er musste den größten Teil der Fahrt nach Boston stehen, aber im Bus nach Bentham bekam er endlich einen Sitzplatz. OSS war lockerer als die übrige Armee, und er hatte schon früher aufbrechen können, mit einem Vorsprung auf sein Wochenende.
Er hatte nach Hause telegrafiert. Der Professor und Bernice warteten beide am Busbahnhof. Er fühlte sich schmuddelig und halb gekocht, aber Bernice reichte ihm seine Badehose und warf sein Zeug auf die Ladefläche des geliehenen Kastenwagens. »Was ist mit dem Austin?«
»Der ist auf Kriegsdauer aufgeblockt. Bernice hat diese absurde idée fixe, dass du sofort im Teich baden möchtest«, sagte der Professor.
»Das ist das Einzige, was mich wiederbeleben kann. Wessen Wagen ist das?«
Bernice, die am Steuer saß, antwortete. Sie war braungebrannt und grinste. »Er gehört einem Freund vom Flugplatz. Du ahnst gar nicht, wie vorteilhaft es für ihn ist, uns das Ding mit Benzin und allem zu borgen. Dafür werde ich die Tragfläche seines Flugzeugs reparieren, an der die Bespannung beschädigt ist.«
»Bernice fliegt an drei Tagen in der Woche für die Regierung«, sagte der Professor so griesgrämig, wie er nur konnte. Sie schuckelten dahin, auf der Sitzbank der Fahrerkabine zusammengezwängt.
Bernice hatte ihm alles über ihre Flüge geschrieben. »Ich kriege meine Verkehrspilotenlizenz, Jeff, ja, wirklich. Aber ich habe nicht genug Flugstunden für WAF, Women in the Air Force. Sie nehmen nur die besten Pilotinnen, Frauen mit Hunderten von Stunden mehr als ich. Aber diesen Herbst kriege ich meine Verkehrspilotenlizenz.«
Als er auf dem Rücken im Round Pond lag und die Schreie der Kinder wie eine Schar bunter Sittiche