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schnelllebig und nicht selten merkantilisiert. Angebot und Nachfrage und nicht die Menschen selbst bestimmen hier. Und so werden die einen reich und die anderen verarmen. Die einen sind erfolgreich, weil die anderen am eigenen Misserfolg verzweifeln.

      Und trotzdem strömen die Menschen in die Stadt. Und trotzdem glauben sie, gerade hier den Glauben an sich selbst wiederzufinden. Denn hier pulsiert das Leben. Hier entstehen permanent „neue Jobs, neue Lebensformen, neue Landkarten“17. Hier entsteht Gesellschaft. Wenn es überhaupt in der Welt einen Ort mit Zukunft gibt, dann ist das die Stadt.

       1.4. Gemeinde Jesu – Lichtblick am Horizont

      In der Stadt bauen Christen Gemeinden. Ihre Mission orientiert sich an Gottes Auftrag. Jesus selbst hat es ihnen ins Stammbuch geschrieben: „Wie der Vater mich gesandt hat, so sende ich euch“, hat er gesagt (Joh. 20,21). An mehreren Stellen präzisierte er dann den Auftrag. So sprach er zu seinen Jüngern in der berühmten Bergpredigt:

      „Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ (Mt. 5,14-16.)

      Nach Jesus sind Jünger Licht der Welt, eine Stadt, die auf dem Berg liegt, ein Licht, das im Haus auf die höchste Stelle gestellt wird, damit es allen darin leuchtet. Licht garantiert Leben in der Welt. Würde die Sonne uns ihr Licht nicht mehr spenden, würde alles Leben binnen kurzer Zeit sterben. Und Licht garantiert Orientierung im Haus. Wenn die Nacht einbricht und es in mondlosen Tagen stockdunkel wird, dann braucht man Licht im Haus, wenn man sich nicht den Hals brechen möchte. Als Licht zu leuchten heißt, so viel, wie Orientierung zu geben, den Weg anzuzeigen. Licht steht aber auch für Wärme und Lebensenergie. Wenn Jesus seine Gemeinde als Licht der Welt bezeichnet, dann schreibt er ihr eine lebenswichtige Funktion im Alltag der Menschen zu. Ohne sie ist das Leben in der Welt gefährdet und gefährlich.

      Ähnlich bedeutsam ist das zweite Bild. Die Gemeinde ist eine Stadt, die auf einem Berg liegt. Das Bild steht zum einen für ein Gemeinwesen, das von weitem sichtbar ist. Man kann sich an dieser Stadt orientieren. Und sie liegt auf einem Berg und ist somit für die Feinde nicht so leicht erreichbar – ein sicherer Hort für alle, die Geborgenheit und Sicherheit suchen. Eine Stadt auf einem Berg stand aber auch seit Urzeiten für eine Machtzentrale. Hier residierten die Mächtigen, Könige, Statthalter und dergleichen. Von hier aus regierte man das Umland, bestimmte die Politik, Kultur, den Wohlstand und das Zusammenleben der Menschen. Um diese erhöht gelegene Stadt entwickelten sich dann ganze Metropolen.

      Wenn Jesus seine Gemeinde eine Stadt auf einem Berg nennt, dann schreibt er ihr Verantwortung für die Welt um sie herum zu. Ganz ähnlich wie in Mt. 16,18, wenn er zu Petrus sagt, dass er seine Gemeinde bauen will, und dabei den Begriff ekklesia verwendet. Der Begriff entstammte dem politischen Alltag der griechischen Stadtrepubliken und stand hier für die Vollversammlung aller Bürger der Stadt, die von Zeit zu Zeit zusammengerufen wurden, um gemeinsam über die Geschicke ihres Ortes zu entscheiden.18

      Die Gemeinde der Jünger Jesu ist in der Welt, um Verantwortung für die Welt zu übernehmen. Sie ist die aus der Welt herausgerufene Gemeinschaft, die Verantwortung für die Welt übernehmen soll. Gottes ekklesia als die Stadt auf einem Berg ist somit als lebensentscheidende Institution für die gesamte Stadt gedacht. Und der Ort, an dem sie zu agieren hat, ist „der höchste“ vor Ort. Hoch ist sicher nur bedingt geographisch gedacht. Vielmehr geht es um den Ort, von dem Einfluss ausgeht und von dem aus Orientierung und Lebensenergie weitergegeben werden. Solche Hochorte markierten in der Antike die Plätze, an denen Könige, Richter und Parlamente saßen. Heute werden Gesellschaften von Kräften gestaltet, die sowohl in den sozialen Welten als auch in den etablierten Systemen des Ortes wiedergefunden werden können.

      Jesus selbst hat es seinen Jüngern angetragen, Licht der Welt zu sein. Ein Licht, das an der höchsten Stelle der Stadt aufgestellt allen in der Stadt leuchten soll (Mt. 5,14-15). Allen – das bedeutet, solchen, die erfolgreich sind, in der Stadt angekommen und reich geworden sind, und solchen, die an ihr verzweifeln. Übrigens, gerade die Letzteren, die Mühevollen und Beladenen, lud er ganz besonders ein, zu ihm zu kommen und Ruhe zu finden. „Kommet her alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken“, hat er gesagt (Mt. 11,28). Jesus will seine Stimme in der Stadt hörbar machen.

      Aber wie baut man Gemeinde in einer Stadt, die zu einer Kloake neigt? Wie durchbricht man den Kreislauf der Emanzipation von Gott und des Glaubenssterbens? Wie schafft man jene Orte der Ruhe und des Friedens inmitten der pulsierenden Suche nach Selbstbefriedigung und Wohlstand? Fragen, die sich stellen, sobald man in eine Stadt wie Sao Paulo oder Berlin kommt. Aber gerade hier in diesen Mega- und Großstädten entstehen fast jeden Monat neue Gemeinden. Viele dieser Gemeinden kommen und gehen, andere bleiben, und wiederum andere werden zu den größten Gemeinden in der Welt, die Zehntausenden von Menschen eine Heimat bieten. Gemeindebau funktioniert, und das auch in einer Stadt wie Sao Paulo oder Berlin. In den nächsten Kapiteln dieses Buches gehen wir nun systematisch den Antworten auf die Fragen nach, die man sich stellen muss, wenn man erfolgreich Gemeinde in urbanen Räumen bauen möchte. Freilich beginnt eine solche Reise mit der konsequenten Bekehrung zur Stadt.

       1.5. Gott in die Stadt folgen

      Christen, allen voran Freikirchen, scheuen die Stadt. Mit den Täufern sind sie eher die „Stillen auf dem Lande“. Und sogar dann, wenn sie mitten in der Stadt leben, denken sie eher ländlich, wie der amerikanische Theologe Ray Bakke so treffend feststellt. Die Welt der Stadt ist ihnen fremd, und sie macht ihnen Angst. Bakke konstatiert: „Die meisten Christen lesen die Bibel mit ländlichen Brillen.“19 Entsprechend ist dann ihre Theologie und Evangelisation geprägt. Evangelikale und pietistische Gemeinden trifft man in der Regel eher in den Vororten der Stadt, wie Tim Foster feststellt.20

      Gott, der Vater, sandte seinen Sohn zu den Menschen, weil er sie liebt (Joh. 3,16). Wo Menschen leben, da ist Er mit seinem Liebesangebot. Er ist in den sozialen Ballungszentren dieser Welt, lange bevor Christen da auftauchen. „Wo wir hinkommen, ist Gott schon da“, schreibt Harald Sommerfeld in seinem überaus lesenswerten Buch zur urbanen Mission.21 Und er fordert von den Christen eine neue Hinwendung zur Stadt.22 Nur so können sie zu einem Licht in der Stadt, zu Agenten der Veränderung und Transformation, werden. Sommerfeld nennt vier Aufgaben urbaner Mission christlicher Gemeinden:23

      (a) Die sozialwissenschaftliche Aufgabe: Die Stadt verstehen;

      (b) Die theologische Aufgabe: Gottes Spuren in der Stadt erkennen;

      (c) Die evangelistische Aufgabe: Gottes Gegenwart in der Stadt aufzeigen und deuten;

      (d) Die transformatorische Aufgabe: Sich für Gottes Ziele in der Stadt engagieren.

      Missionarischer Gemeindebau stellt sich solchen Aufgaben, weil er die Stadt als Ort der Liebe Gottes ausgemacht hat und sich bewusst an diesen wendet. Und weil er die Platzzuweisung Jesu, eine Stadt auf einem Berg zu sein, ernst nimmt. Christen, die in Christus eine neue Schöpfung geworden sind, sind Gottes Botschafter der Versöhnung und der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt (2Kor. 5,17-21). Sie sollen der Stadtbevölkerung Gottes Version einer urbanen Lebensweise vorleben und predigen. Gemeindebau in der Stadt ist somit für die Stadt selbst von Bedeutung. Die Stadt kollabiert, korrumpiert und asozialisiert, weil man ihr keine Alternative zeigt. Sie braucht Licht, Salz, Gerechtigkeit. Und nicht weniger als das kann und soll ihr die christliche Gemeinde bringen. Mission im Sinne Jesu kann es für die Christen nie an der Stadt vorbei geben. Ja, urbaner Gemeindebau ist geradezu ein Gradmesser ihrer missionarischen Gesinnung.

       Ich kam nach Berlin zum Studium. Aufgewachsen bin ich an der Ostsee

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