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und stürzt sich auf den Mann. Der ist etwas kleiner als er und hat die Schirmmütze tief ins Gesicht gezogen. Mit dem werde ich allemal fertig, denkt Bruno. Bis ein Schuss kracht.

      Hanna schreit laut auf.

      «Hau ab!», ruft Bruno ihr zu. «Hol die Polizei!»

      Hanna verschwindet in der Dunkelheit.

      Bruno holt zu einem neuen Schlag gegen den Räuber aus, da knallt es ein zweites Mal. Er sinkt zu Boden. Dass der heimtückische Schütze seine Taschen durchwühlt, spürt er nicht mehr.

      Zwei Minuten später hat der düstere Wald den Mann verschluckt. Er kennt sich hier aus. Der Kleine Stern, wo die Spandauer Straße auf die verlängerte Koenigsallee trifft und sich mit dem Weg von Paulsborn zum Großen Stern kreuzt, ist nur einen Kilometer entfernt. Aber dahin will er nicht. Allzu oft haben sie dort Beute gemacht. Da liegen die Bullen auf der Lauer. Der Mann zieht die Mütze vom Kopf, wickelt das Portemonnaie und die Pistole darin ein. Das Päckchen muss er loswerden, dazu die übergezogene Arbeitskleidung. Ihm bleibt nicht viel Zeit. Das Mädel braucht zum Bahnhof nur Minuten, dort gibt es eine Telefonzelle. In zehn Minuten werden die Grünen ausschwärmen wie die Hornissen.

      Wie immer hat er an alles gedacht. Unter einer Baumwurzel ist ein Versteck vorbereitet. Hunde könnten ihm gefährlich werden. Also hat er Pfeffer verstreut. Jetzt muss er nur noch ungesehen die Bahngleise kreuzen und dann die Avus und den Königsweg.

      Auf der anderen Seite liegen die Sportplätze der Berliner Hochschulen, da könnte er sich über Nacht einquartieren, wäre heute nicht ein Feiertag, an dem möglicherweise Studenten dort feiern oder nächtigen. Er muss weiter in Richtung Teufelssee und Heerstraße. Da wird ihn keiner vermuten. Er ist gut zu Fuß, und der nächtliche Wald schreckt ihn nicht.

      Als er auf der Westseite von Avus und Koblenzer Bahn zwischen den Stämmen verschwindet, grient er vor sich hin. Mal sehen, ob am Dienstag was in der Zeitung steht. Max wird staunen, die alte Pfeife. Ohne ihn ist der ein Nichts. Dem geht bei jedem Ding der Arsch auf Grundeis, und der Polizeiwagen in Friedrichshagen hat ihm den Rest verpasst. Er hört ihn schon jammern: Du hast einen Polizisten erschossen. Und jetzt vielleicht noch einen jungen Burschen. Das wird uns den Kopf kosten!

      Dazu müssen sie uns erst mal kriegen, wird er antworten. Das haben die in zweieinhalb Jahren nämlich nicht geschafft! Der junge Kerl hätte sich ja nicht wehren müssen. Hätte er sich vielleicht von dem verhauen lassen sollen? Und der Polizist? Was hätte der gesagt, wenn er in der Ledertasche nur Lumpen gefunden hätte?

      Dabei war der Plan perfekt gewesen. Kam ein Lieferwagen, wollte er die Geldtasche einfach auf die Straße legen, so als hätte sie jemand verloren. Hielt die Karre, war das Übrige ein Kinderspiel, selbst für einen einzelnen Mann. Abschließend ein Schuss in die Reifen - und weg in den Wald. Er hätte die Kleidung und das Zeug vergraben und wäre irgendwo harmlos in die nächste Straßenbahn gestiegen.

      Angefangen hatte alles eher wie ein Spaß. Dass sich allabendlich ein paar reiche Säcke mit ihren Damen rund um den Kleinen Stern sammelten, um sich in ihren Autos zu verlustierten, war ihnen durch Zufall aufgefallen. Beim ersten Mal waren sie dorthin gefahren, um die Sache auszubaldowern, dann hatten sie gleich viermal Erfolg gehabt. Nur einer war getürmt. Die anderen hatten freiwillig gezahlt, die meisten wahrscheinlich nicht mal Anzeige erstattet.

      «Ich habe mir Ihre Adresse auf dem Führerschein gemerkt. Ihre Frau wird sich freuen, wenn Sie erfährt, dass Sie …»

      Das genügte als Drohung. Nur sind die Kerle mit der Zeit widerspenstiger geworden. Manche behaupten, kein Geld bei sich zu haben, wehren sich oder veranstalten irgendein Theater. Gleich beim ersten Mal hatte eine Frau die ganze Zeit über gehupt und rumgeschrien, bis Max sie auf die friedliche Art zur Ruhe brachte. Die meisten hatten einfach Schiss, wenn sie die Waffe sahen. Ein paar Mal hatten sie erfolglos wieder abziehen müssen, weil es so verdammt nach Polente roch, dass Max sich fast in die Hosen schiss. In einem Auto saßen mal zwei, von denen die angebliche Frau todsicher ein verkleideter Bulle war.

      Da war ihm die Idee mit den Bäumen und später mit den Drahtseilen gekommen. Die Bäume anzusägen und im passenden Augenblick per Wäscheleine zum Umkippen zu bringen, wollte gekonnt sein. Die Autos steckten jedenfalls fest. Am besten waren Lieferwagen, die mit Geld in die Stadt zurückfuhren. Oder welche, die Zigaretten ausfuhren. Allerdings mussten sie dazu das Revier wechseln. Im Westen war auf der Avus oder auf der Heerstraße viel zu viel los, um ungestört zu arbeiten. Im Osten dagegen führten beinahe alle Ausfallstraßen durch Wälder. Im Sommer ließ sich das alles per Fahrrad gut erkunden, und die Bahnverbindungen, um wieder nach Hause zu kommen, waren auch nicht schlecht.

      Doch für eine echte Autofalle braucht er Max. Und der kneift im Augenblick. Wahrscheinlich steckt seine Frau dahinter, die neigt zu ulkigen Anwandlungen von Ehrsamkeit.

      Er selbst bleibt lieber solo. Bloß keinen noch so hübschen Klotz am Bein, der alles besser weiß und vielleicht noch Rechenschaft über jede Minute und jede Mark fordert. Das ist nichts für ihn. Wenn er eine braucht, dann findet er sie, auf ein paar Mark kommt es ihm dabei nicht an. Solange der Ofen eben raucht. Er ist gespannt, für wie viel Mark der Bursche am Hundekehlensee sich auf einen aussichtslosen Kampf eingelassen hat. Das wird er erst in einigen Tagen erfahren, wenn es in der Gegend wieder ruhiger geworden ist. Vielleicht steht es ja in der Zeitung.

      Dem müde wirkenden jungen Mann, der am Ostermontag morgens gegen halb sechs in Pichelsberg in die S-Bahn steigt, sieht keiner an, dass er in der Nacht quer durch den Grunewald marschiert ist. Und dass er vorher kaltblütig den Maurer Bruno Lietz niedergeschossen hat, der im Martin-Luther-Krankenhaus mit dem Tode ringt, schon gar nicht.

      ÜBER NACHT ist es Frühling geworden. Was für ein Trost nach dem langen, grauen Winter! Die Knospen an den Linden in der Großen Frankfurter sehen aus, als könnten sie jeden Augenblick mit einem Knall platzen. Hermann Kappe ist an diesem Morgen nur im leichten Überzieher losgegangen und kommt selbst darin ins Schwitzen. Das mag auch daran liegen, dass er an nichts anderes denkt als an den Schwerverletzten vom Hundekehlensee. Die Ärzte hätten wenig Hoffnung, hieß es gestern. Und richtig: Im Präsidium empfängt ihn die Nachricht vom Tod des 21-jährigen Bruno Lietz, verstorben an den Folgen einer Nahschussverletzung in den Hals.

      Was für ein Saukerl muss das sein, der einen jungen Menschen wegen ein paar Mark aus fünfzehn Zentimeter Entfernung niederschießt!

      Schwer atmend und ungewohnt früh sitzt auch Gennat hinter seinem Schreibtisch und blickt ernst in die Runde. Nicht mal dem Schandmaul Galgenberg will eine alberne Bemerkung einfallen. Zwei Tote innerhalb einer Woche, einer davon ein Kollege, da braucht Gennat nicht lange über den Ernst der Lage zu referieren.

      Der Herr Kriminalpolizeirat Dr. Brettschieß glänzt glücklicherweise durch Abwesenheit, da er mal wieder in höheren Gefilden weilt. Seit er einen Dienstrang bei der SS bekleidet, trägt er stolz die schwarze Uniform und spielt den Verbindungsmann, sprich Spitzel und Hofhund beim Reichsführer SS. Niemand vermisst ihn. Nebe sieht endlich eine Möglichkeit, den Schwätzer loszuwerden, und sei es an die vorgesetzte Behörde.

      So geht es ja immer, denkt auch Kappe, Dünnbrettbohrer wie Brettschieß werden so lange befördert, bis sie auf einem Posten sitzen, wo sie maximalen Schaden anrichten können.

      Vom Schaden, den die Polizeiarbeit durch das dreiste Auftreten der Räuber erleidet, ist ausführlich die Rede. Theorien werden durchgekaut, weshalb die wohl neuerdings einzeln arbeiten.

      Kappe hält sich aus dem Palaver heraus. Weshalb Gennat ihm Kommissar Alfons Busch vom Einbruch zugeteilt hat, von allen nur «der Einbrecher» genannt, ahnt er vorerst nicht, zumal der junge Busch wenig begeistert scheint.

      «Die vom Raub halten nicht viel davon, wenn einer vom Wohnungseinbruch ihnen ins Handwerk pfuscht», gesteht er Kappe.

      Kappe winkt ab. Das ewige Kompetenzgerangel ist ihm vertraut und verhasst zugleich, obwohl er selber natürlich froh ist, beim Mord geblieben zu sein. Da gilt die amtliche Ansicht über die Berufsverbrecher als hauptsächliche Tätergruppe naturgemäß nur bedingt. Im Fall der beiden Toten allerdings …

      Es

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