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glänzt.

      Egal, denkt der Chauffeur, drauf - und drüber, wenn es sein muss! Schon holpert und scharrt er durch das Geäst der Baumkrone. Wo der Mann mit der Pistole und der Lampe geblieben ist, kann er nicht erkennen. Es ist ihm auch egal.

      Hinter ihm knallt es zweimal, er hört die metallischen Schläge irgendwo am Fahrgestell und tritt das Gaspedal durch. Wenn die Karre doch nur ein bisschen schneller wäre!

      «Scheißkerl!», zischt der Mann an der Baumfalle, der im letzten Augenblick zur Seite gesprungen ist, und sieht dem knatternden Lieferwagen voller Wut hinterher.

      Von der Kurve her nähert sich eine zweite, größere Gestalt, ebenso dunkel gekleidet und maskiert wie der Pistolenmann. Hinter ihm wird das Licht von Autoscheinwerfern heller. «Wir müssen sofort abhauen!», ruft der Größere und nestelt an seiner Maske. Beide haben Damenstrümpfe mit Augenschlitzen über den Kopf gezogen.

      «Immer mit de Ruhe, und denn mit ’n Ruck», erwidert ungerührt der Kleinere. «Erst nehm’ wir den noch mit.»

      Er meint den Opel, der sich aus Richtung Hangelsberg genähert hat und angesichts der Blinksignale die Fahrt verlangsamt. Unmittelbar vor dem gefällten Baum kommt er zum Stehen.

      Unmissverständlich klopft der Kleine mit der Pistole gegen die Seitenscheibe und leuchtet in den Wagen. Ein Mann im Ledermantel sitzt neben einer jungen Frau. Ergeben dreht der Mann die Scheibe runter und reicht seine Brieftasche raus.

      Der Kleine durchblättert sie flüchtig und schnauzt: «Nich bloß Papier! Portemonnaie her!»

      Auch das erweist sich als unergiebig. Nur ein paar Münzen drin, die der Räuber verächtlich verschmäht. «Arme Leute, wat?», knurrt er und wirft dem Lederbemantelten die Börse in den Schoß.

      Die junge Dame lächelt. «Vielleicht kann ich aushelfen …»

      «Danke. Von Damen nehm’ wa nischt!», entgegnet der Große.

      Der Kleine schiebt ihn ärgerlich zur Seite. «Fahr da rein!», fordert er den Opelfahrer auf und weist auf die Lücke, die der Lieferwagen gerissen hat. «Da bleibste stehen! Sonst …» Drohend hebt er die Pistole.

      Folgsam rumpelt der Opel über die Baumkrone.

      «Nischt wie weg hier!», zischt der Große. «Da kommt schon die Polente!»

      Tatsächlich nähert sich aus östlicher Richtung ein weiteres Fahrzeug.

      «Seit wann kann die Polente fliegen?», fragt der Kleine seelenruhig zurück. «Woll’n mal sehen, was das für ’n Vogel ist.»

      Der Vogel ist der Lieferwagen einer Bäckerei. Appetitlich duften die Schrippen. Also fährt der erst Ware aus und hat noch kein Geld bei sich.

      «Is ja wie abgeschnitten heute!», flucht der Kleine und steckt ganze fünf Mark ein, während der Große erneut mahnt: «Los, bloß weg hier! Der Milchfritze hat längst die Bullen alarmiert.»

      Der Kleine ist nicht aus der Ruhe zu bringen. «Na wenn schon. Fuffzich Meter rin in den Wald, und kein Aas findet uns.» Aus Richtung Berlin nähert sich ein weiterer Lieferwagen mit einem Pkw im Schlepp. Auch diesem Fahrer schwant, was ihm blüht, und er versucht, dem Hindernis links auszuweichen. Der geschleppte Wagen bleibt hängen, das Seil reißt.

      Der um fünf Mark erleichterte Bäcker nutzt die Gelegenheit. Mit aufheulendem Motor bricht er eine Bresche durch den Baumwipfel und rast in Richtung Hangelsberg davon.

      Der Große versucht zu schießen, doch die Waffe streikt.

      Jetzt wird es eng. Bis zum Dorf sind es kaum anderthalb Kilometer.

      Die beiden aus dem Schleppzug sind ausgestiegen und nähern sich drohend.

      «Hände hoch!», verlangt der Große. Hoffentlich haben die den Versager nicht mitgekriegt.

      Haben sie anscheinend nicht, denn sie heben brav die Hände und leeren anschließend ebenso brav ihre Taschen. Geld haben sie angeblich nicht bei sich.

      «Durchsuch die Wagen!», fordert der Kleine barsch. Widerstrebend fügt sich der Große.

      Aus Fürstenwalde rasselt bereits ein weiterer Wagen heran. Ein Lastzug der Schultheiss-Patzenhofer-Brauerei. Der kann die Sperre beim besten Willen nicht durchbrechen.

      Der Kleine hat die beiden Fahrer in das geschleppte Fahrzeug dirigiert und bedroht jetzt die Bierkutscher, die nur zögernd aussteigen.

      Der Beifahrer hat die lederne Geldtasche umgehängt und sieht sich suchend um. Der dunkle Waldrand ist nur ein paar Meter entfernt.

      «Mach dir nich unglücklich, Fritze», mahnt sein Kollege.

      «Denk an Frau und Kinder.» In der Tasche sind 228 Mark.

      «Einsteigen und nich vom Fleck rührn!», befiehlt der Kleine. Vom Dorf her nähert sich ein weiteres Auto.

      «Nischt wie weg hier!», fleht ihn der Große an. «Meine Knarre klemmt!»

      «Meine ooch!», erwidert der andere kaltblütig und steigt über das Geäst, um die Neuankömmlinge ins Visier zu nehmen.

      In dem Wagen rührt sich nichts. Vorsichtig schleichen sich die beiden in einem Bogen von hinten an. «Hände hoch!», ertönt scharf das Kommando.

      Im Gegenlicht des Brauereiwagens sehen sie, dass der Befehl von den Pkw-Insassen ausgeführt wird. Vier Männer sitzen darin.

      «Pass uff! Det is ’ne Falle!», zischt der Große.

      Doch der Kleine lässt sich nicht aufhalten und reißt die Wagentür auf. «Moneten her, oder es knallt!», schnauzt er. «Los, los!» Die vier kramen ihre Brieftaschen hervor. Der Fahrer trägt ein goldenes Parteiabzeichen am Revers. Von hinten spricht ihn einer mit «Kreisleiter» an, als er seine Geldbörse nach vorn reicht. Auf der anderen Seite steckt der Große zwei Portemonnaies ein.

      «Türen zu, Fenster hoch und keinen Mucks, verstanden!», herrscht der Kleine die vier Insassen noch einmal an und hastet davon.

      Gerade ist der siebente Wagen zwanzig Meter vor der Sperre zum Stehen gekommen. Der Fahrer will zurückstoßen und wenden. Zu spät.

      Der Kleine steht schon neben ihm und reißt die Tür auf.

      Nur zwanzig Mark hat der ältere Herr aus sichtbar besseren Kreisen bei sich. «Brieftasche!», fordert der Räuber gebieterisch.

      Die wird ihm gereicht, enthält jedoch nur Papiere. Der Kleine beleuchtet sie mit der Taschenlampe und stutzt. «Nischt für unjut, Herr Oberstleutnant!», sagt er und deutet vor dem Kommandeur des 4. Reiterregiments ein Hackenzusammenschlagen an.

      Als er sich umdreht, muss er unwillkürlich lächeln. Sieben Autos stehen da kreuz und quer mit eingeschalteten Schweinwerfern um den gefällten Baum herum. Sein Kumpan ist schon in den Wald abgetaucht. Er jedoch steht im Scheinwerferlicht und brüllt: «Wer durchkommt, darf weiterfahren!» Dann ist auch er im Gehölz verschwunden.

      Niemand versucht, ihn zu verfolgen. Alle sind damit beschäftigt, sich aus der Falle zu befreien. Blech knirscht, Glas splittert, lautes Gezänk hebt an. Als das Brauereifahrzeug durch die Sperre bricht, schiebt es einen Pkw in den Straßengraben.

      Zehn Minuten später trifft endlich die Polizei ein. Es vergeht mindestens eine weitere Stunde, bis die Beamten die Streithähne beruhigt und sich einen groben Überblick über das Geschehen verschafft haben. Dass sich unter den Überfallenen ein SS-Oberführer, ein NSDAP-Kreisleiter, ein Gauamtsleiter, ein Regimentskommandeur und der Oberstleutnant befinden, macht die Sache nicht leichter für sie.

      HERMANN KAPPE, seit Kaisers Zeiten Kriminalkommissar im Berliner Polizeipräsidium, ja schon Oberkommissar gewesen und 1933 mit einer Maßregelung davongekommen, ist den ganzen Tag unterwegs gewesen. In einem vom Schwamm angefressenen Haus in der Joachimstraße am Rosenthaler Tor sind drei Personen ermordet worden, zwei Männer und eine junge Frau, und wenn man ihn fragt, ist der Fall eigentlich

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