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Ausbeutung - made in Germany. Frank Mehler
Читать онлайн.Название Ausbeutung - made in Germany
Год выпуска 0
isbn 9783960081050
Автор произведения Frank Mehler
Издательство Автор
Oder anders herum: Ich als kleiner Zeitarbeiter bin einfach nur neidisch, wenn ich auf meine magere Abrechnung schaue und mir deshalb eben nicht all die schönen Dinge in dieser kapitalistischen Konsumwelt leisten kann.
Aber egal ob im Kleinen oder auf den globalen Wirtschafts- und Klimabarometern im Großen gesehen, es sagt nur aus: Der moderne Turbo-Kapitalismus hat die Gier ganz klar nicht im Griff.
Wiederum 1 Monat später: Für mich liegen 1000 neu zugeschnittene Bleche bereit. Daraus sollen am Ende möglichst genauso viele Tabletts werden. Auch das Werkzeug zum Beschneiden der Ecken ist bereits installiert. Ich kann also ohne Verzögerung gleich voll loslegen.
Als ich mir den ersten Stapel Bleche zum Arbeitstisch hole, sehe ich, dass sie diesmal anderweitig zugeschnitten worden sind. Irgendwie sauberer, viel glatter, zumindest was die Schnittfläche anbetrifft. Dafür liegen heute umso mehr Späne zwischen den einzelnen Blechen, oder vielleicht ist es auch eine Art gesprühtes Material. Ich kehre die Bleche einfach ein bisschen ab.
Später schaut der Pole um die Ecke und fragt: »Na, alles okay bei dir?«
»Ja«, sage ich und staple mir nebenher neue Bleche.
»Hab diesmal den Zuschnitt am Laser getätigt«, sagt er und kommt ein Stück näher. »Das kommen aber von den Büroleuten oben. Sehen doch ganz gut aus, oder?«
»Ja, echt saubere Schnittfläche! Es liegen nur mehr Späne drauf als sonst.«
»Späne? Na ja, der Laser halt ein wenig sprühen. Aber du hast ja einen Handfeger, wie ich sehen. Und sonst, machen es Spaß?«
Er fragt das nicht zum ersten Mal, und ich sage ihm wie jedes Mal: »Es ist ziemlich monoton, aber das weißt du ja selbst.«
»Schönes Wetter heute draußen, es scheinen Frühling zu werden …«
»Ja …« Ich drehe mich kurz um und schaue ebenfalls zum Fenster, und tatsächlich sehe ich erst jetzt, wie schön es draußen geworden ist. Ich bin aber auch nicht blöd und merke genau, dass er eigentlich ein wenig Kontakt knüpfen möchte, weil ohnehin die Unterhaltung im Zuschnitt eher dürftig ist. Er scheint offenbar gerade ein wenig Luft zu haben. Ich höre, dass der Laser im Hintergrund arbeitet. Was er gerade ausbrennt, verrät er mir nicht. Ich frage auch nicht. Stattdessen frage ich: »Lohnt es sich immer noch in Polen zu tanken?«
»Ja, aber nur in Grenznähe. Am besten man hat eine Autogasanlage installiert.«
»Du wohnst in Grenznähe?«
»Nein. Früher haben in Cedynia gewohnt. Jetzt ich wohnen hier.«
»Aber du fährst doch zu Besuch zu deinen Eltern?«
»Nicht so oft …« Er lächelt über irgendwas. »Du klingen auch nicht wie von hier.«
»Ja, ich bin aus Sachsen«, sage ich, weil der Preuße das immer denkt, dass ich das bin, obwohl ich selbst ein Preuße bin.
Ich schalte die Presse ein und er hebt die Hand – wir müssen wieder. Einen Blick werfe ich noch aus dem Fenster, es ist die kräftige Märzsonne, die so fasziniert.
Der Pole ist mit Abstand der netteste Mitarbeiter im Zuschnitt. Eigentlich kein Wunder, wenn er ein Gastarbeiter aus Polen ist, zumindest wäre das nach seinem polnischen Autokennzeichen so zu vermuten. Und im Gegensatz zu mir kann er sich wenigstens ein Auto leisten, ein ziemlich neues sogar. Bei mir hingegen reicht es derzeit nicht einmal für ein gut gehendes Fahrrad. Doch eines verbindet uns dennoch: Wir beide wollen arbeiten, etwas bewegen, auch wenn unsere heimatlichen Wurzeln vom Lande herstammen.
Es geht zur Sache: Ich schlage voll rein …, das heißt, ich bin gerade beim Lochen der Tabletts angekommen und will nun unbedingt meine Quantität etwas steigern. Zwar könnte ich mich genauso gut fragen, warum ich das bei der mageren Bezahlung überhaupt tue, aber genau diesen Punkt versuche ich heute, zu verdrängen. Es muss wohl vielmehr so sein: Ich hab schon die Taschen voller Geld – zumindest in den Träumen. Ich tue es, um mir selbst etwas zu beweisen, so eine Art Test. Nein. Damit der Einrichter nicht wieder rumnölt, dass wir zu langsam sind. Verdammt! Ich will einfach nur ordnungsgemäß den Auftrag erledigen.
Nach gut fünf Stunden ist jedoch klar, dass ich ganz sicher keine neuen Rekorde aufstellen werde. Wie auch, wenn ich erst bei Tablett 430 bin. Scheinbar habe ich mir zu viel vorgenommen. Zwar ist es schön, wenn der Wille da ist. Nützt aber wenig, wenn der Motor die ganze Zeit über stottert.
Warum suche ich überhaupt die Schuld bei mir, dass es nur schleppend voran geht? Soll ich das vielleicht sogar, damit andere es einfacher im Leben haben?
Tatsächlich sieht die Sache nämlich so aus: Fast jedes 10. Tablett hat einen sichtbaren Sprenkel (eingepressten Metallsplitter) beim Lochen abbekommen, weshalb ich nun wie ein Blöder die Tabletts nachschleifen muss. Und obwohl ich das Werkzeug inzwischen nach jedem zweiten Lochdurchgang mit einem Öl-Lappen reinige, wird es nicht viel besser. Ich kotze voll ab, und irgendwie schleicht sich auch die Einbildung heran, dass ich es bin, der hier in der Metallverarbeitung pfuscht. Aber mehr wie Mühe geben, kann ich mir nicht. So versuche ich, das Beste daraus zu machen.
Mit der Zeit, nach viel Schleifarbeit und einigen Überlegungen habe ich so einen Verdacht: Der viele »Ausschuss« entsteht, weil sie neuerdings die Bleche mit dem Laser zuschneiden. Der Laser sprüht, und er sprüht so feines Material auf die Oberflächen der Bleche, dass ich fegen und mit dem Lappen wischen kann wie ich will, es bleiben dennoch fast unsichtbar feine Metallblättchen zurück, die sich dann mit verpressen.
Es ist kurz nach 1930 Uhr und ich beschließe, es vorerst zumindest dem Polen zu sagen.
Es geht richtig zur Sache: Ich trete meine Spätschicht an und schaue als Erstes in die Tonne der Wahrheit. Die Tonne ist bis oben hin voller Ausschuss. Mich wundert es nicht. Mein Kompagnon, der Kollege, hat noch nie gerne Tabletts nachgeschliffen. Stattdessen raucht er gerade umso genüsslicher seine Feierabend-Zigarette.
»Also, Jungs«, sagt der Einrichter, als er unser Arbeitspensum einmal genauer durchrechnet. »Wir ziehen hier ständig einen Faden hinterher, und der Faden wird dann von Woche zu Woche immer länger. Es muss so gearbeitet werden, dass die nächste Schicht, also du jetzt, einen ganzen Auftrag bewältigen kann.« Gemeint ist natürlich: Ihr seid zu langsam und wenn ihr nicht schneller werdet, dann hat das Konsequenzen. Er schaut nun konkret mich an: »Zum Beispiel hat dein Kollege vor zwei Stunden den neuen Auftrag angefangen, und wenn du jetzt gut weiterarbeitest, dann bist du wahrscheinlich so gegen 1900 Uhr schon fertig. Dann ist aber keiner mehr da, der die Presse für den nächsten Arbeitsschritt umbauen kann. Versteht ihr, ein Auftrag pro Schicht! Übrigens schaffen das unsere Leute hier ganz locker, und ihr beide müsst euch einfach nur richtig ins Zeug legen.«
»Ja, weißt du«, bemerke ich, »neuerdings werden die Bleche auch mit dem Laser zugeschnitten, und komischerweise verpressen wir seitdem viel mehr kleine Metallblättchen als früher. Ich meine, wir schleifen uns dann dumm und dämlich …«
»Dann müsst ihr das Werkzeug eben sauberer abwischen, und die 60 oder 70 Tabletts mit den Sprenkeln werft ihr halt gleich in die Tonne.«
»Wie jetzt? Ich denke, wir sollen nicht so viel Ausschuss produzieren?«
»Hm!«, macht der Einrichter und schaut nun ernster. »Du sollst nicht so viel denken, du bist nämlich schneller, wenn du noch 400 Teile mehr durch die Presse jagst, anstatt den Schrott 2 Stunden lang akribisch zu schleifen. Kapiert?!«
Nun ist es soweit und ich lasse es heraus: »Weißt du, wie du redest, und weißt