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Der bürgerliche Staat. Группа авторов
Читать онлайн.Название Der bürgerliche Staat
Год выпуска 0
isbn 9783929211290
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3 Die Unterwerfung der Bürger unter das Gesetz, das der Staat selbst macht, entsprechend dem Gesetz zu regeln, ist Gegenstand des öffentlichen Rechts: es befasst sich daher mit der Verfassungsmäßigkeit von Form und Inhalt der Gesetzgebung und -anwendung und betrifft so verschiedene Bereiche wieparlamentarische ProzedurenGerichtswesen und PolizeiSteuernWissenschaft usw. usw.Insofern sich der Staat in all seinen Handlungen dem von ihm selbst gesetzten Recht unterwirft, sich als Rechtssubjekt beurteilt, wenn er seine Gesetze erlässt (Legislative), Recht spricht (Judikative) und ausführt (Exekutive), eröffnet sich die sinnreiche Frage nach dem gewaltigen Nutzen der wechselseitigen Kontrolle der Staatsgewalten: Ideologie der Gewaltenteilung. (MEW 7/498)
d)
Die legitime Gewalt des Staates, deren beschränkende Wirkung auf die Interessen der Bürger hingenommen wird, ist Resultat von Auseinandersetzungen mit einem Souverän, dessen Macht über die Gesellschaft nicht mit ihrer Unterordnung unter die Zwecke der Gesellschaft einherging, welche den Rechtsstaat auszeichnet.
Gegenüber einem Fürsten, dessen Wort Gesetz war, galt es die Allgemeinheit des Rechts, die Loslösung von seinem persönlichen Willen durchzusetzen: neben die Forderung nach Freiheit und Gleichheit tritt der Kampf um die Verpflichtung der Gesetzgebung auf den Willen des Volkes, um die Unterwerfung der Regierung unter das Gesetz und die Unabhängigkeit der Gerichte: hier der Ursprung der Lehre von der Gewaltenteilung.
Während in anderen Ländern sich das Bürgertum darin bewährte, diesen Kampf auszuführen, zeichnete sich Deutschland dadurch aus, dass es die Notwendigkeit des bürgerlichen Staats, der nicht zustandekam, durch philosophische Traktate über seine Ideale verkünden ließ. Die Aufklärungsphilosophie und Literatur propagierte den bürgerlichen Staat mit der Deduktion seiner moralischen Prinzipien: praktische Philosophie Kants / Fichtes.
Die Entstehung der amerikanischen Demokratie unterscheidet sich von der Konstitution europäischer Demokratien dadurch, dass die Inbesitznahme des herrenlosen Landes, die daraus erwachsene freie Konkurrenz mit dem dazugehörigen Recht des Stärkeren die Bürger zwang, einen Staat zu machen. Der Staat war als Resultat der Aktivitäten der freien Eigentümer, die der Staatsgewalt nur soweit Hoheitsrechte übertrugen, wie es für die Konkurrenz nützlich erschien, von vornherein nur Mittel für die Interessen des Volkes: erste Demokratie mit ihren heute noch rauhen Sitten.
e)
Seines Vorteils wegen will der Bürger das Recht, das ihm zugleich als Beschränkung entgegentritt; mit seinem Nutzen muss er also auch seinen Verzicht wollen: Moral. Er rechtfertigt seine Unterwerfung unter die Gewalt, die ihm schadet, mit dem Ideal dieser Gewalt und ergänzt den ihm auferlegten Zwang durch seine Tugend. So gehorcht er nicht nur dem Gesetz, er hat auch eine rechtliche Gesinnung, die ihn seinen Gehorsam ertragen lässt. Alle seine Handlungen misst er am Ideal der Rechtschaffenheit, und weil er in der Verfolgung seiner Vorteile seine Pflichten beständig verletzt, tut er dies mit schlechtem Gewissen. Die Gewohnheit des dabei erreichten Vorteils mag ihn die Beurteilung seines Tuns als Gut oder Böse vergessen lassen, das Urteil anderer bringt sie ihm beständig in Erinnerung, ebenso wie er selbst den anderen gegenüber als schlechtes Gewissen fungiert: öffentliche Heuchelei. Hier gelingt der moralischen Betätigung der eindrucksvolle Nachweis, dass das Gute nur Schein ist, und als Ideal die besten Dienste leistet, weswegen ein Idealist derjenige verächtlich genannt wird, der die Ideale zu praktizieren sich anschickt. Während die Bürger ihrer Jugend gestatten, gewissen Idealen anzuhängen – sie sind sich sicher, dass die harte Welt des Erwerbs auch die Begeisterung für die Ideale in die schlichte moralische Funktionalisierung derselben für den Eigennutz verwandelt –, wird ihnen der Moralismus Erwachsener zum lästigen Charakterzug. Einem Erwachsenen Idealismus bescheinigen heißt daher stets auch, ihn der Realitätsblindheit, -untüchtigkeit bezichtigen, was auch gegenüber Kommunisten üblich ist, solange sie keine Gefahr darstellen.
Die Moral ist also alles andere als ein überflüssiges Beiwerk im bourgeoisen Zirkus, sondern die Versubjektivierung des Zwangs, auf den man um des eigenen Erfolgs willen eingeht, die Einstellung, die man benötigt, um mit dem Verzicht, den der Erfolg fordert, zurechtzukommen. Sie überdauert sogar längere Perioden, in denen sich partout kein Fortkommen abzeichnet, und erweist sich als ihrem Zweck gemäß auf der Sonnen-wie auf der Schattenseite der Gesellschaft. Den einen dient sie als willkommene Ergänzung ihres Vorteils – légèrement verkünden sie, dass ihnen um Höheres zu tun sei, mit Sprüchen über das Gute, Wahre sowie Schöne; den anderen bietet sie in ihren vulgären Formen Trost angesichts ihres Elends; und beiden Seiten ist sie praktizierte Enthaltsamkeit in Sachen Veränderung.
So nimmt es nicht wunder, dass in der modernsten aller Gesellschaften radikale Kritik im Moralismus ihrer Adressaten eine harte Nuß zu knacken hat, und dies nicht nur im Moralismus als theoretischem, als Form des falschen Bewußtseins. Die Ideale des Altruismus, der Bescheidenheit, der Ehrlichkeit, des Mitleids, der Nächstenliebe etc. zu praktizieren, drängt es das Volk, von der Näherin bis zur Präsidentengattin; und alle tragen ihr Scherflein zur Krebshilfe bei; in der Aktion Sorgenkind kann man dasselbe mit dem Anreiz eines möglichen Gewinns tun. Sie versammeln sich in Vereinen zur organisierten Verdummung und Verwahrlosung der Jugend, in dem festen Glauben, hier hätten sie Gelegenheit zu dem, was ihnen das normale Leben versagt: Gemeinsamkeit der Zwecke mit anderen, Solidarität, Freundschaft – sie kompensieren den Zwang zur Konkurrenz gegen andere mit der widerlichen Vereinigung auf Basis ihrer Ideale, selbst dann, wenn sie ihr Idealismus weitere Opfer kostet.
Die Religion nimmt bei alledem den ersten Rang ein. Das Christentum ist von Marx als dem Kapitalismus entsprechende Religion bezeichnet worden. Der Kult des abstrakten Christenmenschen praktiziert die Vorstellung von Gott als dem obersten allmächtigen Richter, dem man so gut wie alles verdankt, von dem man andererseits auch nichts geschenkt bekommt – außer der Gnade, auf sich als Erbsünder höllisch aufpassen zu dürfen. Jeder sündigt, bekennt sich reumütig dazu und spielt sich ganz bescheiden als Richter über die Taten anderer auf. Kleine Unterschiede sind auch bei dieser Form der „geistigen Unterwerfung“ in der Gemeinde Christi nicht zu übersehen: die einen predigen und erziehen anderen die gebotene Moral an, was ein echter Beruf geworden ist – die anderen machen sie sich zueigen, und ihre Heuchelei auf dem Felde christlicher Maßstäbe nimmt eher amateurhafte Züge an. Der neben dem Materialismus der kapitalistischen Gesellschaft praktizierte Idealismus der Religion kann die schwindende Botmäßigkeit der Menschen – die aus der Kirche austreten, weil diese sich nicht auf die theoretische Propaganda der Moral beschränkt, sondern aus dem Glauben ihrer Gemeinde die Vorschrift zu weltlichem Engagement gemacht hat; der mangelnden Attraktivität säkularisierten Glaubens entspricht die Einmischung der Institution quasi als Interessenverband – umsomehr verkraften, als der Staat im christlichen Krankenpfleger und Jugendpfarrer längst die nützliche Seite des Glaubens entdeckt hat und Kirchensteuer verlangt. Der Eifer christlicher Caritas gestattet ganz nebenbei den Haß gegen Leute zu erwecken, die weder tierlieb sind noch praktisch den Fortbestand des bürgerlichen Elends unterstützen, indem sie die anderen abverlangten Opfer um ihr eigenes bereichern.
f)
Die Logik des moralischen Denkens entspricht seinem Grund, dem Preis der Unterwerfung unter den Staat, den man für die goldene Freiheit entrichten muss. Wo der mit den staatlichen Einschränkungen einverstandene Bürger anderen gegenüber seinen Vorteil herausschlagen will, kommt er ihm mit dessen eigenen Nachteil daher sowie der Herleitung eines allgemeinen Schadens, der sich einstellt, wenn sich der Kontrahent von dem nicht abbringen lässt, was er vorhat. Die Normalform der Missbilligung unterscheidet sich erheblich von Kritik: an den Zwecken, die in unserer schönen Gesellschaft von Staats wegen gebilligt und verordnet werden; sie richtet