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Kritik von Ansprüchen an den Staat wird um die rechte Begeisterung für ihn geworben, wobei über den abgeschmackten Vergleich mit früher und drüben auch der idiotische „Widerspruch zwischen Freiheit und Gleichheit“ entdeckt zu werden pflegt: mehr vom einen muss angeblich mit einem weniger vom anderen erkauft werden, so dass man alles sowieso nicht kriegen kann und es am besten ist, die Unzufriedenheit bleiben zu lassen und sich der Realisierung des dritten Grundwertes, der Brüderlichkeit (modern: Solidarität) zu befleißigen. Hier zeigt sich, dass auch die Unzufriedenheit mit der Unzufriedenheit anderer das falsche Denken über die abstrakteste Bestimmung des Staates gehörig ankurbelt. Das Interesse am Staat, die positive Stellung zu ihm beschwört das gemeinsame Anliegen und versucht, die offenkundigen Nachteile seines Wirkens mit einer Staatsableitung eigener Prägung als notwendiges Übel akzeptabel zu machen. Die Deduktion des Staates aus der Menschennatur gehört zum Standardrepertoire jedes aufgeklärten Studienrates und Professors, wobei einmal die Gegensätze der kapitalistischen Gesellschaft bemüht werden, und nicht die liebenswerten Unterschiede. Die Deduktion übersieht, damit sie geht, den Zwang zur Konkurrenz , den der Staat setzt, samt sämtlichen ökonomischen Eigentümlichkeiten, um das schiere Gegeneinander zum Ausfluss der Menschennatur zu erklären: homo homini lupus, ergo müssen ein paar Wölfe für den Frieden unter den restlichen Wölfen einstehen, und das ist dann die notwendige staatliche Ordnung. Im Werkeltagsleben kürzt sich die Zurückweisung von Kritik, die ja das staatliche Wirken am Interesse misst, ihn für sich als Mittel zu gebrauchen, auf die Bemerkung zusammen, dass Ordnung eben sein muss: wo kämen wir denn hin, wenn alles jedem gehört! Die Bereitschaft, es im eigenen Interesse mit anderen aufzunehmen und zugleich für die Schranken Partei zu ergreifen, die von der Ordnung anderen gesetzt sind, lebt also in einer Demokratie. Auch in ihrer faschistischen Abwandlung, die das Konkurrenzinteresse tadelt und dem einzelnen gebietet, sein Trachten ganz im Gemeinwesen aufgehen zu lassen, was echte Freiheit wäre.

      Die öffentlichen Festredner von Gleichheit & Freiheit, die im jeweiligen Staat die dem Menschen angemessene Sorte Ordnung erkannt haben wollen, finden die detaillierte Ausgestaltung dieser Frechheit wohlpräpariert in der wissenschaftlichen Literatur vor: keine Geistes-und Gesellschaftswissenschaft will es sich nehmen lassen, eine Definition des Menschen zu liefern, wobei die geringfügigen Variationen des Themas „Der Mensch ist von Natur aus ein Vieh, aber er zeigt sich gewöhnlich auch zu Höherem fähig!“ dem jeweiligen praktischen Fachinteresse entspringen, welches an der Ausgestaltung des „Höheren“ beteiligt sein will. Den Staatsbürger mit seinen beiden Seiten, dem Materialismus der Konkurrenz und dem von Abhängigkeit diktierten Staatsidealismus, machen sie sich allesamt zum Anliegen, verfabeln ihn zur anthropologischen Konstante, so dass die Zurichtung des Willens als eine einzige Bestätigung der Menschlichkeit erscheint: psychologisch, pädagogisch, politologisch, betriebswirtschaftlich und literaturtheoretisch-linguistisch. Als ob die Anwendung der Wissenschaften nicht darauf beruhen würde, dass die Individualität der Leistung, von sich zu abstrahieren, manches entgegenstellt! Zur Sache mit den vielen Einzelwesen, die einen Staatsvertrag eingehen, steht bei Marx alles Wichtige; ebenso über die Rolle Robinsons in der Geistesgeschichte! Die Würde des Menschen verlangt eben den wissenschaftlichen Staatsdienern auch das Ihre ab, zumal sie ja auch Kriterien dafür geben müssen, was von dem, das nur Menschen mit Staat im Kopf zuwege bringen, unter die Rubrik „unmenschlich“ fällt.

      © 2018 GegenStandpunkt Verlag

      § 2

       Souveränität – Volk – Grundrechte – Repräsentation

      Der Wille zur politischen Herrschaft findet seine Erfüllung in der Souveränität des Staates. Die Staatsgewalt geht vom Volke aus und entspricht seinem politischen Willen, indem sie ihn als das Allgemeininteresse gegen die Privatsubjekte durchsetzt. In der Verfassung werden die Beziehungen der Bürger untereinander bestimmt, und zwar in Form von gültigen Prinzipien staatlicher Gewaltanwendung. Die Grundrechte setzen das Bürgern und Staat Erlaubte fest, definieren also die Pflichten, für deren Erfüllung professionelle Repräsentanten des Volkswillens sorgen. Die bürgerliche Gesellschaft erhält ihre Gegensätze durch die Scheidung ihrer Mitglieder in grundberechtigte Menschen und zur Gewaltanwendung verpflichtete Volksdiener.

      Der souveräne Staat ist die von den Bürgern getrennte, selbständige Instanz, die mit keinem besonderen Interesse identisch ist und gerade und nur deswegen von allen anerkannte Gewalt ist, weil er sein Interesse, das Allgemeinwohl, gegen die Privatsubjekte durchsetzt. Indem er seine Gewalt dafür einsetzt, dass die besonderen ökonomischen Mittel nur gemäß seinem Interesse an Person und Eigentum verwandt werden, macht er sich den Interessen dienstbar, die der Verfügung über produktives Eigentum entspringen. Ihrem Inhalt nach ist seine Souveränität eine sehr relative Sache. Das gegen die einzelne Person und ihr Eigentum rücksichtslose Staatshandeln gilt der Funktion des Eigentums: nur durch seine Souveränität ist dieser Zweck gewährleistet. Diese wird erhalten durch den Willen des Volkes: der gemeinsame Wille mit dem Inhalt „Staat“ macht aus den Individuen einer Gesellschaft ein Volk , wobei sich dieser Wille in der Bestätigung der staatlichen Entscheidungen äußert. Ob Staat sein soll, ist nie Gegenstand einer freien Entscheidung, sondern durch Gewalt entschieden. Alle wollen Repräsentanten, ob sie diese wählen oder ob sie vom Staat selbst eingesetzt werden; und „im Namen des Volkes“ sollen sie souverän handeln.

      Der Schutz vor gewaltsamen Übergriffen der Privatsubjekte gegeneinander ist als Maxime staatlicher Souveränität Akt ihrer Gewährung. In den Grundrechten wird die negative Beziehung der konkurrierenden Privaten untereinander in der Form von Rechten und Pflichten gegenüber der politischen Gewalt fixiert. Nur soweit sie Pflichten gegenüber dem Staat auf sich nehmen, gewährt ihnen der Staat das Recht, freie Privatperson zu sein. Der Staat ist also Mittel der Gesellschaft, die er seiner Souveränität unterwirft und mit den Grundrechten zu einer Wahrnehmung ihrer Freiheit anhält, die positiv zum Staat steht. Die Grundrechte formulieren allgemein gültige Beschränkungen: in der Form der Zusicherung dessen, was er alles darf, erfährt der Bürger, was ihm alles verboten ist, bzw. wie der Staat mit ihm verfahren darf – so dass jedes Grundrecht seine Bedingungen gleich mitformuliert.

      Die Wahrnehmung von Grundrechten muss stets mit dem staatlichen Eingriff rechnen, und dies umso mehr, je näher ein Grundrecht auf das Verhältnis Staat - Bürger abzielt. Die Grundrechte verpflichten, was Hegel wusste und dann lieber die Umkehrung zur Feier des Staates bemühte. Die Gleichung Recht = Pflicht besagt, dass der Staat seine Macht dafür einsetzt, dass jede Beziehung der Bürger staatlichen Grundsätzen genügt. Die Grundrechte werden auch Menschenrechte (im Unterschied zu Tier-und Pflanzenrechten) genannt, nach der Vorstellung, dass sie der Natur des Menschen gemäß seien. Die „Natur“, die verlangt, ihn zu einem Grundberechtigten zu machen, ist die Welt der Konkurrenz, in der das Eigentum nicht viel von der gegenseitigen Achtung der Menschen übriglässt. Die positive Bestimmung des Menschen , die ihm von Staats wegen beigebracht wird, ist ihrem Inhalt nach eine negative. Die Staatsgewalt sorgt für Konkurrenz und Rücksicht!

      Wenn die Staatsdiener – vom höchsten Politiker bis zum kleinsten Beamten – ihre Geschäfte ausführen, repräsentieren sie neben der Gesellschaft das allgemeine Interesse, das in ihr nicht existiert. Sie wirken für die Privatsubjekte, indem sie gegen sie vorgehen. Dabei zeichnen sie sich durch die Rücksichtslosigkeit aus, die dem guten Gewissen, als Staatsgewalt den Willen des Volkes geltend zu machen, eigen ist. Die individuellen Wünsche der Volksangehörigen, in deren Namen sie handeln, erscheinen ihnen als unberechtigtes Hindernis, weil die Souveränität des Staates mit ihrer Durchsetzung zusammenfällt. Die Leistung der Repräsentanten ist andererseits nicht immer selbstverständlich, da auch sie individuelle Interessen haben und ihr Amt da manche Verlockung bereithält. Die unvermeidlichen Kollisionen von staatlichem und Privatinteresse

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