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versuchte sich wieder an einer Simultanübersetzung: „Sieber hat mit seine Exzellenz gesprochen. Über die Santi-Figli-di-Dio-Organisation. Mehr weiß er auch nicht, er war nicht dabei.“

      „Bellini, mach ihm doch bitte deutlich, dass wir ganz genau wissen müssen, was er Tag für Tag gemacht hat, seit er hier in Bamberg mit Eposito angekommen ist, wohin er wann seinen Bischof gebracht hat, ob Eposito Leute getroffen oder gesehen hat, die er kennt, und was sein Dienstherr in seiner freien Zeit gemacht hat. Sag ihm am besten, dass wir das unbedingt wissen müssen, um den Mörder von Carlo Eposito zu überführen.“

      Rund eine Minute redete Nino Bellini auf Giuseppe Bertone ein, der zwischendurch häufig und heftig mit dem Kopf nickte und immer wieder „Già, già…“ murmelte.

      „Er sagt, dass er uns kann zeigen, wo er seine Exzellenz hingefahren hat und wo. Und dass meistens ein Mann in einem schwarzen Mercedes sich um seinen Bischof gekümmert hat.“

      „Kennt er den Mann? Hat er einen Namen?“

      „Hat er nicht, es war aber ein Kirchenmann aus Bamberg. Bertone kennt die Nummer von dem schwarzen Mercedes und den Name von dem Fahrer und er sagt, dass Bischof Eposito ganz komisch und … come si dice – durcheinander, verstört war, seit er … aus einem schönen Haus gekommen ist … früh am Morgen vom 20. August.“

      „Welches schöne Haus?“

      „Weiß er nicht, hat keinen Name. Sieht aus wie eine Villa … mit großem Kreis und großem Kreuz in Gold.“

      „Eine Villa mit einem großen Kreis und einem Kreuz in Gold? Eine Kirche vielleicht?“

      „Keine Ahnung. Er meint, er kann uns das zeigen, uns hinführen.“

      „Aha. Ja, das müssen wir noch sehen. Vielleicht klappt’s ja auch mit der Erinnerung, wenn wir ihm einen Stadtplan zeigen. Als Chauffeur muss er doch mit einem Navi in Bamberg unterwegs gewesen sein. Da erkennt er vielleicht den Straßennamen wieder. Bellini, frag ihn doch mal, wie der Bischof als Mensch und Vorgesetzter war.“

      Nach fünf Minuten bereute Kommissar Schmuck seine Frage. Giuseppe Bertone war in einen wahren Rederausch verfallen. Schmuck verstand zwar kein Wort, konnte aber schon an der Gestik und an Bertones Stimmlage erkennen, dass der Fahrer seinen ermordeten Bischof verehrt hatte und nun auf das Höchste lobte. Bald liefen dem Mann Tränen der Trauer über sein bärtiges Gesicht, wenn er über Papà Eposito sprach.

      Schmuck wechselte mit Bellini einen langen Blick und zuckte dann leicht mit den Schultern. Bei allem Respekt vor dem Verlust Bertones durfte er noch nicht lockerlassen: „Wann ist er denn genau mit seinem Bischof von Rom nach Bamberg aufgebrochen?“

      Bellini räusperte sich und wieder ging ein italienischer Wortschwall zwischen dem Fahrer und Bellini hin und her.

      „In der Nacht vom 17. auf 18. August, sagt Bertone. Aber fast hätte Reise nicht geklappt.“

      „Und warum nicht?“

      „Ah, das ist eine Geschichte: wegen der Mercedes-Limousine. Papst Franziskus mag nicht, wenn Kleriker aus dem Vatikan mit Autos reisen, die … lussuoso, wie sagt man – viel Luxus haben. Franziskus mag Limousinen nicht, er mag die kleinen Wagen, dabei haben die letzten beiden papa vor Franziskus noch viele eingekauft: Mercedes und so … Weißt du, Schmuck, dass es mehr als 60 Papamobile im Vatikan gibt? Sagt man so.“ Bellini zeigte das begeisterte Gesicht eines wahren italienischen Autoliebhabers. „Aber Franziskus benutzt sie nicht. Er will direkte Kontakt mit den Menschen haben. Und wenn er doch mal eine Pkw nimmt, dann nimmt er eine Ford Focus – usato, gebraucht! Stell dir das vor, Schmuck! Im Vatikan gibt es eine oceano von Wagen. Alte und neue. Und dazu der Museo delle Carozze im Lateranpalast. In dem Museum gibt es Schätze: Oldtimer aus den 1920er Jahre. Von Fiat, Bianchi, Graham-Paige, Itala, Citroën – meraviglioso! Andere sind in der Tiefgarage des papa weggesperrt – für alle andere tabù…“ Der italienische Kollege gestikulierte leidenschaftlich.

      Schmuck hatte jetzt aber genug: „Danke, Bellini – aber weshalb wäre es mit Bamberg fast nichts geworden?“

      „Ah sì … Es ging um die Genehmigung von der Reise nach Bamberg. Als dann der Chef vom parco rotabile, von alle Autos im Vatikan, endlich ja gesagt hat, fehlte die bomboniera…“

      „Die was?“

      „Gastgeschenk war noch nicht angeliefert und …“

      „Und das Geschenk war?“, unterbrach Kommissar Schmuck Bellini schon wieder.

      „Ein Karton Fotos von papa Franziskus im Postkartenformat, mit gesegnete Wünsche.“

      Die Befragung des Fahrers zog sich noch bis zur Mittagszeit hin, dann hatte der Kommissar eine recht übersichtliche Tabelle vor sich auf dem Tisch liegen, die zeigte, wo und wann sich Eposito während seines Bamberger Besuchs in etwa aufgehalten hatte. Aus dem Papier war allerdings nicht immer ersichtlich, mit wem sich der Kurienbischof getroffen hatte, und Bertone versicherte glaubhaft, keine Ahnung zu haben, um welche Themen es dabei gegangen war. Zudem schien Eposito seinen Fahrer nicht durchgängig beansprucht zu haben, was ein paar zeitliche Lücken in Schmucks Tabelle offenbarten. Ganz zufrieden mit seinem Ergebnis war Schmuck deshalb nicht, aber vielleicht brachte der Nachmittag neue Erkenntnisse. Da wollte Bertone ihnen alle Orte zeigen, zu denen er seine Exzellenz gefahren hatte. Das Vorzeigen eines Bamberger Stadtplans hatte leider nichts gebracht. Hoffentlich hatte er hinter dem Steuer eines Wagens ein besseres Erinnerungsvermögen.

      Du sollst nicht lügen

      Mittwoch, 30. August

      Vor fünf Minuten hatten Hauptkommissar Hagenkötter und seine Mitarbeiterin Tina Meisel ihr Büro verlassen und waren unterwegs zum Heinrichsdamm 32. Das Erzbistum hatte sie zum erbetenen Gespräch ins Bistumshaus St. Otto eingeladen, in das Gebäude, wo einst die Priesterseminare des Erzbistums abgehalten worden waren. Am Domplatz selbst stünden gerade keine freien Besprechungsräume zur Verfügung, hatte man ihnen am Telefon gesagt. „Wer’s glaubt, wird selig“, raunzte Hagenkötter jetzt und zupfte an seinem Schnauzer, „die zeigen uns damit nur, welche Sympathien sie für uns haben.“

      Vor 89 Jahren, am Festtag des heiligen Kaisers Heinrich, dem 13. Juli, war das neue Seminargebäude eingeweiht worden – nach mehr als 70 Jahren Generalsanierung – und diente heute hauptsächlich der Unterbringung zweier Hauptabteilungen des Erzbischöflichen Ordinariats und weiterer diözesaner Einrichtungen.

      Pünktlich um 14 Uhr trafen die Ermittler im Gruppenraum 4 ein. An den Wänden hingen Bilder von Papst Franziskus, dem ehemaligen Papst Benedikt und von früheren Bischöfen des Erzbistums. Die Beamten wurden bereits erwartet. Ein Mitarbeiter der erzbischöflichen Pressestelle, der sich selbst vom Domplatz 2 herüber bemüht hatte, begrüßte sie und stellte seine Kollegen und Kolleginnen vor. Frau Doris Haberkamm aus der Abteilung Polizeiseelsorge, einen Herrn Dr. Sowieso aus der Rechtsabteilung, Marke „Weltliches Recht“, und einen hochrangigen Mitarbeiter aus dem Generalvikariat. Sie schienen alle sehr desinteressiert, fand Tina. Jedenfalls sahen sie deutlich gelangweilt aus.

      Auf dem langgezogenen Tisch inmitten des Gruppenraums standen eine große Thermoskanne mit Kaffee, dazu Kaffeetassen und zwei Teller mit Gebäck. Der Raum wirkte kahl und leblos, bot kein natürliches Licht von außen, dafür aber Sitzgelegenheiten für mindestens 14 Personen. Lediglich an der Stirnwand, gleich neben der Tür, hing ein überdimensioniertes, schmuckloses Kreuz aus Eichenholz. Der Herr ist mit dir, verkündete eine Inschrift auf dem Querbalken.

      „Ja, nochmals vielen Dank, dass Sie sich für uns so kurzfristig Zeit genommen haben“, eröffnete Hagenkötter die Gesprächsrunde, nachdem jeder Platz genommen hatte. „Vielleicht ist teilweise auch etwas missverstanden worden?“ Er blickte Frau Haberkamm tief in die Augen. „Wir sind nicht gekommen, um über unser Seelenheil zu sprechen, sondern um möglichst rasch Licht in den mysteriösen Tod des römischen Kurienbischofs Carlo Eposito zu bringen.“

      Doris

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