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mit.“

      „Gut, Frau Meisel. Apropos, was gibt es Neues im Fall unserer kleinen Wasserleiche? Irgendwelche Hinweise zu ihrer Identität?“ Hagenkötter blickte in die Runde.

      Nun meldete sich zum ersten Mal Tinas Kollege Franz Schmuck. Der Mann war ein echter Ehrgeizling, der keinen Hehl daraus machte, auf der Karriereleiter so schnell wie möglich nach oben kommen zu wollen. Natürlich hatte er längst registriert, dass Tina zu Hagenkötter einen speziellen Draht hatte. Doch eines musste man ihm zugutehalten: Schmuck war kein Intrigant. Niemals wäre es ihm eingefallen, sich Tina gegenüber in unfairer Weise zu positionieren oder sie gar bloßzustellen. Er wollte durch eigene Leistungen überzeugen. Außerdem schätzte er seine Kollegin.

      „Wir tappen immer noch weitgehend im Dunkeln“, begann Schmuck jetzt, „es ist zum Verrücktwerden. Aber gestern Abend hat sich bei mir ein Dr. Sieber gemeldet und erklärt, dass er der Leiter der Santi-Figli-di-Dio-Schule sei. Ich hatte noch nie von dieser Schule in Bamberg gehört, aber gut … Kurzum, er kam schnell zum Punkt und hat vermeldet, dass eine Schülerin abgängig sei und dass ihre Eltern ihm im Nacken säßen. Wenn ich ganz ehrlich sein soll: Seine Geschichte klang sehr verwirrend. Ich habe ihn für morgen neun Uhr ins Kommissariat einbestellt.“

      „Sehr gut, Schmuck“, lobte Hagenkötter, „den Mann hören wir uns an. Gut möglich, dass seine abgängige Schülerin unsere Wasserleiche ist. Frau Meisel, sind Sie mit dabei? Und erkundigen Sie sich doch mal, was es mit dieser komischen Schule auf sich hat. Im Moment müssen wir uns noch an das halten, was wir sicher wissen. Gab es sonstige verwertbare Spuren oder Auffälligkeiten an der Leiche des Mädchens, die wir gestern noch nicht auf dem Schirm hatten?“

      Ludwig Zahn von der Kriminaltechnischen Untersuchungsabteilung meldete sich zu Wort: „Wir haben bei dem toten Mädchen unter den Fingernägeln Fremd-DNA feststellen können und mit der bundesweiten Datei abgeglichen. Leider ohne Erfolg. Aber wir können davon ausgehen, dass sie sich heftig gegen ihren Mörder gewehrt hat.“

      „Hmm. Frau Meisel, ich will den Obduktionsbericht, sobald Sie von Professor Stich zurück sind. Kommen Sie damit sofort zu mir. Das hat absoluten Vorrang.“ Zeigefinger und Daumen von Hagenkötters rechter Hand zogen wie wild an seinem Schnurrbart. Leicht nervös sah er sich in der Runde um. „Wie schaut’s aus, können wir uns so, wie wir hier sitzen, heute Abend nochmal treffen? Sagen wir um 19 Uhr? Ordentlich spät, aber ich würde gern mit Ihnen die Ergebnisse beider Obduktionsberichte durchgehen, Mädchen und Bischof. Ich weiß, was ich Ihnen damit zumute, aber die Angelegenheit ist verdammt wichtig.“

      Hagenkötter erntete heftiges Kopfnicken.

      „Ich danke Ihnen, Kollegen. Und Frau Meisel, bitte rufen Sie gleich Dr. Stich an und fragen Sie ihn, ob er bereit wäre, sich telefonisch zuzuschalten. Wer weiß, ob Sie ihn in seinem Institut überhaupt persönlich erwischen.“

      „Mach ich, Chef“, antwortete Tina. „Sobald ich aus Erlangen zurück bin, verteile ich Kopien der Obduktionsberichte an die Kollegen, damit sie die Chance haben, sich vor unserem Abendtreffen einzulesen.“

      „Prima. Herr Schmuck, Sie konzentrieren sich zwischenzeitlich auf die zweite Leiche. Dieser römische Bischof ist mit einem Chauffeur nach Bamberg gekommen, ein Italiener namens Bertone. Nehmen Sie sich den Fahrer bitte vor. Fühlen Sie ihm auf den Zahn. Ich möchte lückenlos wissen, wo sich das Mordopfer wann in Bamberg aufgehalten hat.“

      Wer nicht wagt …

      Dienstag, 29. August

      In der Mediengruppe Oberfranken Zeitungsverlage GmbH & Co. KG in der Gutenbergstraße 1, der Heimat des Fränkischen Tags, saß Franziska seit einer halben Stunde ihrem Chef, dem Wolfenbütteler Arsch mit Ohren, in seinem luxuriös ausgestatteten Büro gegenüber. Auf dem ausladenden Schreibtisch und in den Regalwänden standen die üblichen Familienfotos herum. Die Lieben daheim sollten doch auch während eines kräfteraubenden Arbeitstags omnipräsent sein: die Gottesanbeterin, Seepferdchen weiblich und Seepferdchen männlich.

      „Franziska, dein Bericht und deine Fotos waren top. Gute Ausgabe gestern. Bleib da dran an dem Fall, aber bitte sei so lieb und kümmere dich heute vorrangig um den toten Bischof.“ Bitte, er hatte erstmals das Wort bitte verwendet. „Der Mord ist ja ein echter Hammer. Und schon wieder ganz in deiner Nähe! Hast du ein Alibi? Hä, hä … Aber Spaß beiseite. Franziska, versuch herauszufinden, was der hier in Bamberg gemacht hat. Sprich mit der Polizei, sprich mit dem Erzbistum, sprich mit dem Papst, wenn es sein muss, sprich mit Gott und dem Teufel, recherchier dich so tief in sein Leben rein, dass du hinten wieder rauskommst. Irgendwo muss es ja wohl einen Ansatzpunkt für seinen gewaltsamen Tod geben.“ Hühnertod stand auf und lief gestikulierend hinter seinem Schreibtisch auf und ab. „Wofür war er innerhalb des Vatikans zuständig? Wer vom Erzbistum hat ihn hier betreut? Ist er jemandem auf die Füße getreten? Und so weiter und so fort. Wozu erzähl ich dir das? Du bist ja selbst ein alter Hase und weißt, worauf es ankommt.“

      „Und was ist mit dem toten Mädchen?“, wollte Franziska wissen. „Recherchieren wir jetzt nur noch zum ermordeten Bischof oder wie soll ich das verstehen?“

      „Selbstverständlich nicht, aber der Tod so eines Kurienbischofs hat schon eine gewisse Priorität. Die Schlagzeilen, das Öffentlichkeitsinteresse. Du verstehst doch … Der bayerische Innenminister hat im Radio eine rasche Aufklärung versprochen. Das hier hat politische Dimensionen! Wir benötigen deinen Bericht für die morgige Ausgabe. Wir brauchen Auflage, Franziska, Auflage!“

      Die Lokalredakteurin musste an sich halten, so sehr gingen ihr die Aussagen ihres Vorgesetzten gegen den Strich. Zähne zusammenbeißen. „Können Sie mir denn schon etwas über die Ermordung des Kurienbischofs sagen?“

      „So gut wie nichts, außer, dass er heute, gegen fünf Uhr morgens, in der Nähe der Schleuse 100 erdrosselt aufgefunden wurde.“

      „Und Ihre exzellenten Beziehungen zu unserer örtlichen Polizeiinspektion?“ Franziska konnte sich den kleinen Seitenhieb nicht verkneifen.

      Der Wolfenbütteler setzte ein schlechtes Pokerface auf und antwortete mit eisigem Schweigen.

      „Sind wir dann fertig, kann ich mich gleich an die Arbeit machen? Ansonsten ist der Tag vorbei und wir haben keinen Artikel“, setzte Franziska nach.

      „Klar, wir sind für den Moment fertig. Weißt du schon, wo du ansetzen wirst?“

      „Beim Stich!“

      „Beim Stich?“ Bernd Hühnertod sah ziemlich bescheuert drein, doch Franziska hatte sein Büro schon verlassen.

      *

      Ob ihr Vorhaben von Erfolg gekrönt sein würde, wusste Franziska nicht, aber sie hatte sich vorgenommen, den Stier bei den Hörnern zu packen. Wer nichts wagt, der nichts gewinnt. 20 Minuten später fuhr sie in ihrem Mini Cooper auf dem Frankenschnellweg an der Ausfahrt Hirschaid vorbei. Die Silhouette des XXXL-Möbelhauses grüßte zu ihr herüber.

      Franziska wollte Professor Stich in Erlangen einen Besuch abstatten. Er hatte die Leiche des toten Mädchens obduziert. Ob er an dem Kurienbischof auch schon dran war, konnte sie nicht ermessen. Natürlich hatte sie Zweifel daran, dass Stich ihr überhaupt Informationen zu den Details der Autopsie preisgeben würde. Alles, was nicht schon in den bisherigen Presseberichten erschienen war, musste zumindest offiziell sicherlich unter Verschluss bleiben. Vielleicht empfing er sie auch gar nicht. Sie musste es einfach probieren. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Außerdem: Männer verhielten sich manchmal völlig irrational. Vor allem, wenn ihnen eine attraktive Interviewpartnerin gegenübersaß. Dann konnte auch das Ego eines erfolgsverwöhnten Mannes eine gewichtige Rolle spielen, selbst bei so erfahrenen Herren wir Professor Stich. Franziska warf einen prüfenden Blick in den Rückspiegel. Ja, das könnte klappen.

      Sie wusste, dass in der Universitätsstraße 22, wo das Institut für Rechtsmedizin zu finden war, nur sehr wenige Parkplätze zur Verfügung standen, also fuhr sie gleich auf den Großparkplatz hinter dem Erlanger Bahnhof und machte sich zu Fuß auf den Weg. Von irgendwo her läuteten Glocken zur Mittagsstunde,

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