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auf See zu schicken, war unverantwortlich. Entweder hätte der Kapitän oder zumindest der Erste ein ausgewiesener Fachmann für ein Ladung beförderndes Segelschiff sein müssen.

      2. Umbauten: Unter neuseeländischer Flagge und in der Zeit, in der es sich im Besitz von Reeder Schliewen befand, wurden am Schiff zahlreiche Umbauten vorgenommen. Diese beeinträchtigten die Stabilität und die Seetüchtigkeit des Schiffes. Kapitän Diebitsch war offensichtlich nicht fähig, ihre Auswirkungen einzuschätzen.

      Die Viermastbark PAMIR unter finnischer Flagge unter Vollzeug; John Oxley Library, State Library of Queensland, gemeinfrei

      3. Reisevorbereitung und Kurs: Die Vorbereitung der Besatzung und des Schiffes auf das angekündigte schwere Wetter war katastrophal. Die Besatzung war nicht informiert und dadurch auch nicht auf die sich entwickelnde schwierige Situation eingestellt. Anstatt Essen wurden Zigaretten und Schnaps ausgegeben. Die Aussagen vor dem Seeamt lesen sich, als hätte sich das Schiff auf einer Kaffeefahrt befunden.

      Das Schiff war ebenfalls nicht auf das sich ständig verschlechternde Wetter vorbereitet worden. Folgende Aussagen belegen dies eindrucksvoll. Wirth: Die Eisen-Schutz-Türen waren nicht eingesetzt; Kraaz: In der Matrosenmesse waren auf der Bb.-Seite die Bullaugen über Nacht offen und Wasser drang durch sie ein. Die eisernen Schutztüren waren nicht eingesetzt.

      Der Kapitän ließ die Segel zu spät wegnehmen. Für die beim plötzlichen (?) Einsetzen des Sturmes auf der PAMIR gesetzte Segelfläche und bei Windstärke 10 ergab sich nach Aussage der Sachverständigen eine Neigung von 27 bis 29º. Wären die Segel weggenommen worden, hätte das Schiff bei Bft 10 noch eine Krängung von 12º gehabt. Wie es die angeführten Aussagen schon andeuteten, war der Verschlusszustand des Schiffes (Bullaugen gerieten im Kadettenraum bei 10º, Bullaugen Brücke bei 28º, Poopbullaugen bei 35º und Türsüll Brücke bei 35º unter Wasser) nicht hergestellt worden. Strecktaue wurden erst nach Eintritt der Schlagseite gespannt. Aussage Wirth: Die Räume waren bereits halb voll Wasser, als sie den Befehl bekamen, die eisernen Blenden vor die Bullaugen festzuschrauben. Kapitän Diebitsch hatte ausreichend Zeit, sich mit der Entwicklung des Hurrikans zu beschäftigen. Wenn Diebitsch, wie es immer wieder gesagt wurde, Schubarts Orkankunde „fast auswendig“ gekannt hat, dann ist es, zu dieser Auffassung kam das Seeamt, nicht unwahrscheinlich, dass das starre Durchhalten des Nordkurses, welches das immer schärfere Anbrassen der Rahen (und Dichtholen der Schoten) erforderte, auf den bei Schubart S. 120 gegebenen Ratschlag zurückzuführen. Sollte Kapitän Diebitsch diesen Ratschlag bei seinen Maßnahmen im Sinn gehabt haben, so hat er ihn missverstanden oder allzu schulmäßig befolgt.

      Die Wahl seines Kurses ist nicht nachvollziehbar. 1992 befand ich mich mit der MEYENBURG auf der Reise von Brasilien nach Keelung. Südlich von Taiwan näherte sich uns ein Taifun. Nachdem die Technischen Offiziere die ausgefallene Hauptmaschine gerade wieder repariert hatten, setzte ich die Reise fort. Die Hauptmaschine konnte aber aufgrund des miserablen Bunkers jederzeit wieder ausfallen. Deshalb musste ich überlegen, ob ich unter diesen Umständen eine der wichtigsten Regeln guter Seemannschaft – wenn irgendwie möglich, einen tropischen Wirbelsturm zu vermeiden – bei dem nördlichen Kurs einhalten konnte.

      MS MEYENBURG in Wismar

      Ich kam nach einigen Stunden zu der Auffassung, dass das Risiko zu groß war. Das Schiff wurde auf Gegenkurs gebracht und wir warteten in einer Entfernung von 80 sm darauf, dass der Taifun vorbeizog. Als das geschehen war, wurde die Reise wieder aufgenommen. Die gleiche Möglichkeit hatte Diebitsch.

      4. Wetter: Nach den Ermittlungen des Seeamtes erreichte der Wind als obere Grenze 70 kn. Die Aussage Fredrichs: „04.00 BZ Wind Bft 7 – 8, Wind und See stetig ohne Böen oder Richtungsänderungen quer von Stb“ belegt, dass das kein außergewöhnlich schweres Wetter war.

      5. Segelführung: Dem sich systematisch und vorhersehbar ändernden Wetter entsprach nicht die Segelführung, das belegen die Aussagen von Fredrichs: „Um 04.00 BZ standen noch 12 Segel“ und von Haselbach: „Um 11 Uhr BZ flogen die Segel weg“.

      6. Stabilität: Die Stabilität musste, wie das Vorbereiten der Besatzung und des Schiffes auf schweres Wetter, einer der Schwerpunkte des Kapitäns bei der Führung des Schiffes sein. Aus allen mir zur Verfügung stehenden Unterlagen geht nicht hervor, dass sich die Stabilität der PAMIR seiner besonderen Aufmerksamkeit erfreute. Die erwähnten Umbauten waren ein ganz wichtiger Punkt in dieser Frage. Umbauten sorgen fast immer dafür, dass die Beurteilung der Stabilität durch Kapitän und Offiziere erschwert wird. Hinzu kam, dass sie auf dem Schulschiff offensichtlich nicht berechnet werden konnte. Ihre Kontrolle erfolgte durch Rollversuche, deren Ergebnisse nach Erfahrung bewertet wurden.

      Die PASSAT – das Schwesterschiff der PAMIR

      Am 12. Dezember 1956 verließ die PAMIR mit 2 500 t Methylalkohol in 11 716 Fässern, die auch in den Tieftank gestaut worden waren, Antwerpen. Kapitän Eggers war sich wohl von Anfang an der Stabilitätsprobleme bewusst. Er hat nach Rollversuchen auf Terneuzen Reede die Reuelrahen, die an Deck gelegt worden waren, nicht wieder aufgebracht. Nach dem Passieren von Kap Lizard wurden die Segel gesetzt. Schon bei Windstärke 3 hatte der Segler eine Schlagseite von 11°. Am 21. Dezember beschloss Kapitän Eggers, ohne eine Entscheidung der Reederei abzuwarten, Falmouth als Nothafen anzulaufen. Dort wurden 1 256 im Tieftank gestaute Fässer gelöscht und der Tank mit Wasser gefüllt. Vor dieser Aktion hatte das Schiff eine Rollperiode von 24 Sekunden und danach von 16,5 Sekunden. Die vor dem Seeamt befragten Segelschiffskapitäne hatten 16 Sekunden als obere Grenze angesehen.

      7. Ladung: Auf den fünf Reisen vor Diebitsch hat die PAMIR unter Eggers 3 x Weizen und 2 x Gerste befördert. Es gibt in den Unterlagen des Seeamtes keinen Hinweis darauf, dass bei Eggers die Gerste gesackt an Bord kam. Wahrscheinlich ist, dass sie bei Eggers, der über eine viel größere Erfahrung als Diebitsch verfügte, besser gestaut wurde. Es fällt mir sehr schwer, für den Umstand, dass die PASSAT auf ihrer letzten Reise nach dem Untergang der PAMIR, erneut lose Gerste beförderte!, angemessene Worte zu finden. Vor dem Seeamt und bei anderen Gelegenheiten hatten erfahrene Segelschiffskapitäne ausgesagt, dass sie Gerste nie lose akzeptiert hätten.

      8. Führungs- und Leitungstätigkeit: Die in den verschiedenen Punkten aufgezeigten Mängel beruhen, bis auf die des Schiffes und in gewissem Umfang die der Beladung, auf einem Versagen der Leitungstätigkeit des Kapitäns. Weder die Vorbereitung des Schiffes und der Besatzung auf das von „Carrie“ ausgehende Wetter noch Kurs und Segelführung entsprachen den Regeln guter Seemannschaft in dieser Situation. Alle einschränkenden und damit die Gefahren für Schiff und Besatzung verstärkenden Faktoren wie die Stabilität des Schiffes, die von der Ladung und ihrer Stauung ausgehenden Gefahren sowie die Qualität der Besatzung hätten den Kapitän zu größtmöglicher Wachsamkeit und Vorsorge veranlassen müssen. Bei dieser großen Anzahl von Amateuren an Bord war eine straffe Schiffsführung gefragt. Der Kapitän war nicht in der Lage, diese zu etablieren. Da Diebitsch lange auf dem Schulschiff DEUTSCHLAND gefahren war, hätte er die Möglichkeit, aus dem Zusammentreffen von PAMIR und dem Hurrikan „Carrie“ ein Lehrstück machen zu können, erkennen müssen. Er tat es nicht, es blieb bei einer Kaffeefahrt mit Zigaretten und Schnaps.

      Von der 86 Mann starken Besatzung wurden nur 6 gerettet.

      Zwischen dem Untergang der PAMIR und dem des DSR-Motortankers BÖHLEN bestehen einige Parallelen. Zu ihnen gehören, dass kein Nautischer Offizier gerettet wurde, dass auf beiden Schiffen ein unverantwortlich laxer Schiffsbetrieb herrschte, dass die unmittelbare Gefahr für das jeweilige Schiff nicht erkannt wurde und dass das Verlassen des Schiffes eine einzige Katastrophe war, die unnötig viele Seeleute das Leben kostete. Auf die meisten Fragen im Zusammenhang mit dem Untergang des Tankers hat die Seekammer in Rostock überzeugende Antworten gegeben. Es gab keine Vertuschungen, auch wenn das

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