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Seemannschaft wird durch seine Aussage, dass er sie nie in achterlicher See beidrehte, deutlich. Er lief mit ihr vor der hohen See, und das in den Roaring Forties (Brüllenden Vierzigern), auf den langen Reiseabschnitten von Europa nach Australien. Nach Lubbock wurde sie nur einmal von einer achterlichen See überlaufen. Abgesehen von einigen eingeschlagenen Schotten (Türen) kam sie ohne Verluste durch diese schwere Prüfung.

      Kapitän Richard Woodget, der die CUTTY SARK von 1885 bis 1895 führte (Captain Richard Woodget, Master of Cutty Sark 1885 – 1895, National Maritime Museum, London)

      Als Woodget die CUTTY SARK übernahm, überprüfte er ihre Takelage gründlich. Im Laufe der Zeit verbesserte er sie. Zu seinen Auffassungen gehörten strikte Disziplin und Gerechtigkeit an Bord. Er war vielseitig interessiert, und er war einer der ersten Kapitäne, die fotografierten. Er erkannte die Bedeutung eines Hobbys für die langen Seereisen und empfahl den Seeleuten, sich eines zuzulegen.

      Cook, Hilgendorf und Woodget sind die Personifizierung eines Wortes von Einstein, der sagte: „Persönlichkeiten werden nicht durch schöne Reden geformt, sondern durch Arbeit und eigene Leistung.“ Dieses Zitat trifft auch auf einen Kapitän einer Zeit mit ganz anderen Anforderungen zu. Da die Natur Gustav Schröder nur mit einer schmächtigen Statur bedacht hatte, musste er hart kämpfen, um die für den Schulbesuch erforderliche Segelschifffahrtszeit zusammenzubekommen. Er bewies Willen und Durchsetzungskraft, die die fehlende physische Kraft mehr als ausgeglichen hat. Berühmt machen sollte ihn eine außergewöhnliche Reise mit dem Passagierschiff ST. LOUIS.

      Kapitän Gustav Schröder, Foto United States Holocaust War Memorial, gemeinfrei

      Da im Verlaufe der Nazidiktatur das Leben für die Juden in Deutschland immer schwieriger und gefährlicher geworden war, versuchten viele von ihnen auszuwandern. Das Auswandern war ihnen nicht verboten, aber leisten konnten es sich nur Reiche. Wenn sie dann endlich die Genehmigung hatten, waren sie arm. Die Nazis nahmen ihnen alles. Problematisch war auch, dass nur wenige Staaten diese Flüchtlinge aufnehmen wollten. Die Hapag bot der Europäischen Jüdischen Vereinigung in Paris Anfang 1939 die ST. LOUIS für eine Reise an. Die Hamburger Reederei verlangte für einen Passagier der Kajütsklasse 800 RM und in der Touristenklasse 600 RM. Außerdem musste jeder Passagier 230 RM für eine mögliche Rückreise einzahlen. Für die Einreisegenehmigung mussten die Passagiere selbst sorgen. Nur 16, die die Reise antraten, hatten im Pass ein kubanisches Einreisevisum. Die übrigen Passagiere besaßen eine Landeerlaubnis, die aus unbekannten Gründen am 4. Mai für ungültig erklärt wurde.

      Das Hamburger Passagierschiff ST. LOUIS, Archiv Autor

      Am 10. Mai traf aus Havanna die Nachricht ein, dass der Leiter der Einwanderungsbehörde sie doch schriftlich für gültig erklärt hatte. Am 13. Mai gingen 388 Passagiere der Kajütsklasse und 511 der Touristenklasse in Hamburg an Bord. In Cherbourg stiegen weitere 38 Passagiere auf das Schiff auf. Von den 937 Passagieren waren 409 Männer, 350 Frauen und 148 Kinder. 94 Prozent von ihnen waren Deutsche. Kapitän Schröder führte eine Besatzung von 373 Mann (Zahlen aus Heinz Burmeister: Aus dem Leben des Kapitäns Gustav Schröder). Der erfahrene Kapitän dürfte kaum Illusionen über die Probleme dieser Reise gehabt haben. Schon bevor das Schiff Havanna erreichte, kamen beunruhigende Telegramme aus Hamburg. In ihnen wurde die Situation in der kubanischen Hauptstadt als „unübersichtlich“ bezeichnet. Schröder behielt den Inhalt der Telegramme zuerst für sich, bewies aber von Anfang an eine sehr durchdachte Leitungstätigkeit. Er wählte aus den Passagieren fünf geeignete Persönlichkeiten aus, die ein „Bord-Komitee“ bildeten. Als das Schiff am Morgen des 27. Mai in Havanna ankerte, wurde den Passagieren ohne Einreisevisum die Landung verweigert. Auf der Reise nach Havanna hatte sich schon ein Selbstmord ereignet, an diesem Tag kam es zu zwei Selbstmordversuchen. Kapitän Schröder versuchte den kubanischen Präsidenten persönlich zu sprechen, was ihm nicht gelang. Der Präsident legte fest, dass das Schiff Havanna verlassen müsse. In dieser Zeit arbeitete Schröder eng mit dem Komitee zusammen, um die Lage unter Kontrolle zu halten. An die Bereichsleiter seines Schiffes schrieb er: Die ungeklärte Lage, in der sich unsere Passagiere befinden, bringt es mit sich, dass die Stimmung sehr gespannt ist. Es muss alles getan werden, sie zu beruhigen. Bisher ist es unserem Personal gelungen, die gute Form den Passagieren gegenüber zu wahren. Achten Sie bitte ständig darauf, dass alle Besatzungsmitglieder den Passagieren in ruhiger und höflicher Form begegnen. Auf Fragen nach dem nächsten Hafen ist stets mit einem Hinweis auf die ausgehängten Bekanntmachungen zu antworten. – Jedes Besatzungsmitglied muss über diese Instruktionen informiert werden.

      Am 2. Juni verließ das Schiff mit 907 Passagieren Havanna. Der Versuch, die Passagiere in den USA zu landen, schlug fehl. Das Schiff musste sich wieder auf den Weg nach Deutschland machen. An Bord bildeten jüngere Passagiere ein „Sabotage-Komitee“. Passagieren, die das dem Kapitän berichteten, empfahl er die Bildung eines „Anti-Sabotage-Komitees“. Darüber hinaus sicherte er die Brücke und ließ das Schiff verstärkt kontrollieren. Passagiere, die bereits im KZ gewesen waren, teilten ihm mit, dass sie niemals nach Deutschland zurückkehren würden. Der Kapitän soll einen Plan entwickelt haben, das Schiff nach einer vorgetäuschten Notlage auf den Strand der englischen Südküste zu setzen. Er bezog den Leitenden Technischen Offizier und das „Bord-Komitee“ in diese Überlegungen ein. Dann kam es zur Aufruhr unter den Passagieren. Der Kapitän trat den verzweifelten Menschen gegenüber und erklärte ihnen seine Überlegungen. Er konnte sie beruhigen. Er informierte die Reederei darüber, und langsam begriff man dort, wie ernst die Situation auf der ST. LOUIS war. Der Generaldirektor des Unternehmens und ein Direktor der Passageabteilung unterstützten die Verhandlungen zum Ausschiffen der Passagiere. Dann erhielt der Kapitän die Order, Antwerpen anzulaufen. Dort sollten alle Passagiere, die von England, Belgien, den Niederlanden und Frankreich aufgenommen wurden, das Schiff verlassen. In dem Buch von Heinz Burmeister fehlt leider die Aufstellung, wie viele dieser Passagiere durch den Überfall Nazideutschlands auf diese Länder doch noch den Tod im Konzentrationslager fanden. Die Reise war ein Meisterstück der Führungs- und Leitungstätigkeit eines Kapitäns unter außerordentlich schwierigen Bedingungen.

      Auch deutsche Kapitäne lieferten eindrucksvolle Beispiele unzureichender Leitungstätigkeit, die nicht wenige Besatzungsmitglieder mit dem Leben bezahlten. Beispiele dafür sind Kapitän Johannes Diebitsch von der PAMIR und Siegbert Rennecke von der BÖHLEN. Bei Diebitsch komme ich aufgrund des Spruches des Seeamtes Lübeck zu folgenden Aussagen:

      1. Besatzung: Seine Erfahrung als Kapitän belief sich auf 1 Jahr (1926/​27 auf zwei Dampfern), 2 Monate (1940) und auf seine Zeit auf der XARIFA (Yacht, Dreimastgaffelschoner). Ansonsten war er als Zweiter und Erster Offizier auf dem Segelschulschiff DEUTSCHLAND gefahren. Diesen Mangel an Erfahrung in der Ladung befördernden Segelschifffahrt und in der Führungs- und Leitungstätigkeit konnten andere Offiziere nicht ausgleichen. Der Erste Offizier hatte nach dem Krieg das Patent gemacht und war als Vierter und Dritter Offizier auf Dampfern und Motorschiffen gefahren. Am 14. Mai 1956 stieg er als II. NO auf die PAMIR auf. Nach etwas über einem Jahr wurde er als Erster Offizier angemustert.

      Der Zweite Offizier war als Jungmann, Leichtmatrose und Vollmatrose auf der PAMIR und PASSAT gefahren. Nachdem er das Patent zum Steuermann auf Großer Fahrt (A5) erhalten hatte, kam er am 8. Oktober 1956 als III. NO auf die PAMIR. Seit dem 1. März 1957 war er als II. NO gemustert.

      Kapitän Johannes Diebitsch

      Als außerplanmäßiger Erster Offizier war der Seeschriftsteller Alfred Schmidt und als außerplanmäßiger II. NO Kapitänleutnant Buscher an Bord. Bei der Mannschaft sah es nicht besser aus. Der Bootsmann war fast 68 Jahre alt (Aussage Kraaz: „Half dem alten, sehr kranken Bootsmann, der schlecht laufen konnte, sich unter Deck etwas anzuziehen.“). Diese Aussage sprach er nach der Rettung auf Dimafon. In der Hauptverhandlung zog er die Aussage zurück.

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