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war das richtig? – machte sich daran, an Land zu gehen.

      Er wollte am Nachmittag wieder abreisen, bevor der Sturm sie zum Bleiben zwingen konnte. Deswegen hatte er Thomas ans Telefon gezwungen, damit der mit dem Piloten eine Verabredung traf. Aber er musste auch unbedingt Corinas Unterschrift kriegen, bevor er flog, sonst musste er befürchten, dass gar nichts daraus werden würde.

      Corina. Dieser kleine Ausflug nach Amerika sollte eine einfache Angelegenheit mit einer überschaubaren Aufgabe sein. »Bitte unterschreibe diese Nichtigkeitserklärung.« Aber wie war er nur darauf gekommen, dass dies ein einfaches Unterfangen sein könnte? Ohne Komplikationen?

      Stephens Füße sanken bei jedem Schritt tief in den kühlen, nassen Sand ein. Er war sich seines empfindlichen Knöchels, dem er eine Auszeit von der Gehschiene gönnte, sehr bewusst, und der Wind presste sein Brighton Eagles-T-Shirt gegen seine Brust. Himmel, Nathaniel, müssen die dich auf dem Klo suchen oder was?

      »Stephen?« Endlich!

      »Warum brauchst du denn so lange, bis du rangehst?«

      »Ich war noch an einem anderen Apparat. Also, wie läuft es mit Corina?«

      Stephen fuhr sich mit der Hand durch die Haare und hielt das Gesicht in den Wind. »Im Wetterbericht haben sie einen Tropensturm angekündigt.«

      »Ist das eine Art Zeichen? Erwartest du einen Sturm mit Corina?«

      »Sie weigert sich, zu unterschreiben.«

      »Sie – was? Warum?«

      »Sie sagt, sie will, dass ich erst herausfinde, was mit ihrem Bruder passiert ist.« Die Wellen wuschen den weichen Sand unter seinen Füßen weg, und Stephen sank weiter ein.

      Nathaniel pfiff. »Was hast du ihr erzählt?«

      »Dass ich nichts weiß. Sie hat damit argumentiert, dass mein Bruder der König sei und ich Zugang zum Verteidigungsministerium habe, also sollte ich etwas herausfinden können.«

      »Stephen, die Dinge, die an jenem Tag geschehen sind, sind unter Verschluss. Du weißt, was auf dem Spiel steht. Nicht einmal Mutter kennt die Einzelheiten.«

      »Das brauchst du mir nicht zu predigen. Ich bringe dich nur auf den neuesten Stand. Mal davon abgesehen, dass die Details eine Frage der nationalen Sicherheit sind und auch meiner Zukunft als Rugbyspieler, will ich ihr das alles auch gar nicht erzählen. Wenn sie mich jetzt schon hasst, wird sie mich erst recht verabscheuen, wenn sie die ganze Wahrheit erfährt.« Und zu Recht. Das glaubte er mit seinem ganzen Sein.

      »Ganz zu schweigen davon, dass sie eine von der Journaille ist. Hast du nicht gesagt, dass sie für die Beaumont Post arbeitet?«, fragte Nathaniel.

      »Sie würde uns aber nicht hintergehen. So eine ist sie nicht.«

      »Vielleicht, aber wir haben es doch schon oft genug erlebt, wie Reporter und Moderatoren, denen wir vertraut haben, uns am Ende doch hintergangen haben. Ob nun absichtlich oder nicht. Sei misstrauisch, Stephen. Bleib auf der Hut, so gut du kannst. Ich will den Palast nicht am Ende in Rauch aufgehen und Menschen sterben sehen.«

      »Ob das passieren würde, wissen wir nicht.«

      »Wir haben aber auch nicht geglaubt, dass es in Torcham passieren würde. Ein einziger kleiner Hauch der schmutzigen Angelegenheit in der Öffentlichkeit, und wir müssten mit unzähligen Nachahmern rechnen.«

      »Was also soll ich machen?« Die Frage war nicht rhetorisch gemeint. Er brauchte den Rat und die Weisheit seines Bruders. »Ich habe noch nicht einmal angedeutet, wie ihr Bruder gestorben ist. Aber sie weigert sich, die Annullierung zu unterschreiben, wenn sie die entsprechenden Informationen nicht bekommt.«

      All die Jahre lang hatte Stephen in ruhigen Momenten immer wieder versucht, sich vorzustellen, wie es wohl wäre, Corina die Wahrheit zu sagen. Aber als er sich ihren Gesichtsausdruck vor Augen führte, das Weinen in ihrer Stimme hörte, die Verachtung in ihren Augen sah, schauderte er jedes Mal und dankte Gott dafür, dass der Vorgang von höchster Stelle abgeschlossen und versiegelt worden war.

      Das war die einzige Sache, für die er Gott dieser Tage dankbar war. Ansonsten fehlte ihm jedes Verständnis dafür, wie ein guter Gott Prüfungen und Ungeheuerlichkeiten wie Krieg überhaupt auf der Welt dulden konnte.

      »Überzeuge sie! Du hast sie dazu bezirzt, dich zu heiraten, also musst du wohl irgendwie einen Draht zu ihr haben. Bezirze sie, die Dokumente zu unterschreiben.«

      »Du hast ja ihr Gesicht nicht gesehen. Resolut. Entschlossen. Sie hat nichts zu verlieren. Sie hat bereits alles verloren.« Das Wehen der salzigen Brise rammte das Geständnis Stephen mitten ins Herz.

      Eine weniger starke Frau wäre vielleicht wahnsinnig geworden vor Trauer. Aber nicht Corina. Sie machte weiter. Für sich selbst, für ihre Eltern. Es stand ihm vielleicht nicht zu, sie wieder zu lieben, aber er bewunderte sie.

      »Dann finde eine Lösung. Sag ihr, dass dich das Verteidigungsministerium nicht an die Akten lässt!«

      »Und aus welchem Grund? Ich war ein entsandter Offizier des RAC. Ich bin der Zweite in der Thronfolge. Mein Bruder ist der König. Warum würden sie mir verweigern, die Akten einzusehen, um einer trauernden Familie Gewissheit und Frieden zu verschaffen? Sie wird das durchschauen, das kann ich dir gleich sagen. Sie ist misstrauisch, Nathaniel. Wenn ein Mann wie ihr Vater, Donald Del Rey, mit seiner Macht und seinem Reichtum nicht die Antworten bekommt, auf die er aus ist, dann ist irgendetwas im Busch. Und ich kann ja auch nicht ewig hierbleiben und sie mürbe machen. Ich habe diesen Monat einen ziemlich vollen Terminkalender.«

      »Dann finde eben einen Weg ohne die Information. Überrede sie.«

      »Ich werde mein Bestes versuchen, aber ich muss auf jeden Fall am Sonntagmorgen fliegen, wenn nicht sogar vorher. Es sei denn, der Sturm zwingt uns zu bleiben. Außer einem vollen Terminkalender ist da ja auch noch die Physiotherapie, mit der ich weitermachen muss.«

      »Dann sieh zu, dass du in die Gänge kommst.«

      Stephen legte auf, stopfte das Telefon in die Tasche seiner Shorts und blickte über das aufgewühlte Meer. Der Tag versprach, heiß und stürmisch zu werden. Wie überaus passend.

      Auf dem Weg zurück zu ihrer angemieteten Wohnung sah Stephen Thomas, der auf dem Balkon wartete und ihm entgegensah.

      »Was haben wir von diesem Sturm zu erwarten?«, fragte Stephen, als er das kühle Foyer betrat. »Starken Wind, Regengüsse, Stromausfälle?«

      Brighton, eine Nordseeinsel, bekam auch seinen Anteil an Hochseestürmen ab, aber Stephen hatte sein ganzes Leben lang abseits der größten Unruhen auf einem Hügel in Cathedral City gelebt.

      Thomas nickte. »Oder Schlimmeres. Während Sie telefoniert haben, sind Leute hier vorbeigekommen. Wir sollen den Strand und die vorgelagerte Insel verlassen.«

      Stephen sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an, während der Wind an seinen Hosenbeinen zerrte. »Und dann wohin?«

      »Sie haben etwas mit Miss Del Rey zu verhandeln. Warum nicht zu ihr?«

      »Mensch, alter Freund, nein. Mit ihr eine Nacht lang unter einem Dach festzusitzen, könnte für uns alle das Ende bedeuten.«

      »Oder Sie könnten bekommen, wofür Sie hergekommen sind.«

      Stephen zog eine Grimasse und starrte dann über den Atlantik, wo das Wasser zu kochen schien. Von allen Sicherheitsoffizieren musste er natürlich den mit dem besten Durchblick und dem frechsten Mundwerk erwischen.

      Die Vorstellung, einen Abend mit Corina zu verbringen, erschütterte ihn bis ins Mark. Er zog vor, Abstand zu halten. Eine Ozeanbreite Abstand. Und gute fünf Jahre dazu.

      Stephen sah zu seinem Knöchel und der perfekt gezackten Narbe hinunter. Ein leiser Dialog säuselte sich durch seine Erinnerung.

       »Was hast du denn mit deinem Leben so vor, Prinz Stephen?«

      

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