Скачать книгу

      »Ähm, dass sie keins hat?« Melissa beugte sich über den Schreibtisch und schnupperte an den seidigen Blumen. »Ich habe noch nie Rosen in diesem Farbton gesehen.«

      »Geh mal auf ihre Facebook-Seite«, ordnete Gigi an und ließ keinen Raum für Widerspruch. »Schau nach, ob sie irgendetwas über eine Verabredung oder über einen ›alten Freund‹, der die Stadt besucht, gepostet hat!«

      Melissa wich zurück, versuchte, sich zu verdrücken. »Ich werde ihr nicht hinterherspionieren, Gigi. Nicht einmal für dich.«

      »Wenn sie was darüber auf Facebook geschrieben hat, wie soll es denn dann Spionage sein, Schätzchen?« Also wirklich, wenn das so weiterging, würde sie noch kleinbeigeben müssen und sich der Facebook-Generation anschließen. Das hätte sie wohl schon lange gemacht, wenn sie einfach nur selbst auf der Seite unterwegs sein wollte, aber das war nicht ihr Modus Operandi. Sie tickte anders: Indem sie mit anderen Leuten zusammenarbeitete – und diese für sich arbeiten ließ.

      Indem sie sie in ihre Mannschaft holte. Gigi schickte Mel mit einer Handbewegung an den Computer. »Lass uns einfach kurz einen Blick drauf werfen. Ist sie bei Instagram? Twitter?«

      »Das weiß ich nicht, aber falls es dich interessiert, dann frag sie doch einfach, wenn sie kommt.«

      »Mir wird sie nicht die Wahrheit sagen.«

      »Dann lass sie in Frieden!« Melissa ließ ihre Tasche auf den Schreibtisch fallen, setzte sich und weckte ihren schlafenden Mac mit einer Mausbewegung auf. »Und übrigens postet sie ganz selten was auf Facebook.«

      »Schön, dann wird dir diese kleine Übung hier also keine Schuldgefühle verursachen. Bist du denn gar nicht neugierig?«

      »Ein bisschen.«

      Gigi linste über Melissas Schulter, als die gerade Corinas Facebook-Profil aufrief.

      Sie hatte da so ein Gefühl, einen Instinkt, der ihr sagte, dass sie irgendetwas auf der Spur war. Aber was? Wie groß war die Sache?

      Seit dem Tag, an dem Corina ins Großraumbüro gekommen war, spürte Gigi, dass sie eine Geschichte in ihrem Herzen verborgen hielt. Ein Geheimnis. Aber in den letzten sechs Monaten war Corina lediglich eine zuverlässige, langweilige, stetige Schreiberin und Redakteurin gewesen.

      Was nutzte es schon, wenn man eine der wohlhabendsten jungen Frauen der Welt einstellte, wenn sie nicht wenigstens ein bisschen Stoff ablieferte?

      Oh, vielleicht war der Mann der Freund, oder vielleicht sogar der Ehemann von einer von Corinas Freundinnen? Und die Rosen waren ein Bestechungsversuch. Jetzt hatte Gigi Blut geleckt.

      »Nichts«, sagte Melissa und schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte, während sie sich zurücklehnte. »Sie hat seit letzter Woche nichts gepostet. Und das war auch nur eine weitergeleitete Meldung über einen Fonds für den Gedenktag im Königreich Brighton.« Melissa klickte auf den Link. Daraufhin öffnete sich ein Artikel der Liberty Press, in dem es um ein neues Kriegsdenkmal ging und um die Pläne des Verteidigungsministers, der im nächsten Frühjahr eine große Gedächtnisfeier plante.

      »Danke, dass du’s versucht hast. Erinnere mich mal daran, dass ich dir dein Gehalt erhöhe.« Gigi wandte sich samt Gebäck und Kaffee ihrem Büro zu, an ihrem Arm baumelte die Gucci-Tasche.

      »Hat Corina nicht eine Zeit lang an der Knoxton University studiert? In Brighton?«, sagte Melissa fast nebenbei. Gigi hielt an und ging dem Gedanken nach.

      »Ja, stimmt. Als ihr Zwillingsbruder Carlos dort für seine militärische Ausbildung stationiert war. Sie hat damals als Freie für mich gearbeitet. Hat über die Kunststage, das Filmfestival und die Modewochen berichtet.«

      »Sie hat einen Zwillingsbruder?« Melissa sah zu Gigi auf.

      »Hatte. Er ist in Afghanistan gefallen. Anscheinend in einer Wolke aus Geheimnistuereien.« Sein Tod musste der Grund sein, warum Corinas Augen nicht mehr leuchteten. Die Wurzel ihres Geheimnisses.

      Gab es eine Verbindung zwischen Carlos und dem Mann vom Vorabend? Vielleicht ein schwuler Liebhaber? Oh, das wäre dann wohl die Mutter aller Schlagzeilen. Gigi stellte sich vor, wie sich die Zahlen in ihren Büchern alle wieder schwarz färbten.

      »Mir gegenüber hat sie ihn nie erwähnt.« Melissa scrollte die Facebookseite weiter hinunter. »Sie scheint eine Vorliebe für Cathedral City zu haben. Sie hat ein Foto von König Nathaniel an seinem Hochzeitstag gepostet. Aber das war vor zwei Jahren. Kaum zu glauben, dass er eine Amerikanerin geheiratet hat, was?«

      »Könnte das irgendwas bedeuten? Was denkst du?«

      Mel klickte Corinas Profil weg. »Nichts, Gigi. Nur, dass die Blumen vielleicht von jemandem aus Brighton sein könnten. Immerhin hat sie da mal gewohnt.«

      »Aber warum sollte ihr jemand Blumen schicken? Meinst du, es könnte vielleicht eine alte Flamme sein?« Gigi ging um Corinas Schreibtisch herum, stellte ihren Kaffee ab und betrachtete die Rosen. Da. Sicher doch. Eine Karte. Warum war sie darauf nicht früher gekommen? Sehr sorgfältig stibitzte sie den Umschlag aus dem Strauß. Das Kuvert war weiß. Einfach. Ohne jegliche Information. Nicht mal der Name oder das Logo des Floristen war darauf.

      »Du steckst ganz schön viel Energie in die Sache. Es sind doch nur Rosen.«

      »Und genau an diesem Punkt liegst du voll daneben, Süße.« Gigi schnappte sich ihren Latte und machte sich auf den Weg zu ihrem Büro. »Diese Rosen sind ein Statement. Und ich will wissen, wofür sie stehen, was sie ausdrücken sollen.«

      In ihrem Büro schloss sie die Tür, stellte ihr Frühstück zur Seite und öffnete ihr E-Mail-Programm. Der Kitzel einer Story ließ ihren Puls rasen.

      Deanna Robertson war ihre Statthalterin in Brighton. Sie arbeitete beim Informanten, aber Gigi hatte die Karriere der guten Frau ins Rollen gebracht, als sie gleich nach dem College bei der Beaumont Post angekommen und um eine Stelle gebettelt hatte. Deanna war außerdem gut vernetzt.

      Dann gab es noch Madeline Stone. Meine Güte, wie hatte sie denn Maddie vergessen können? Sie war eine von zwei Moderatorinnen der Fernsehsendung Madeline & Hyacinth Live! – Gigi schaute sich hin und wieder mal eine Folge bei You Tube an –, aber vor zehn Jahren war Maddie eine Praktikantin bei der Beaumont Post gewesen.

      Wenn Deanna und Maddie nichts auftun konnten, würde Gigi ihre Fahndung auf London und New York ausdehnen, aber für den Moment würden es diese beiden sorgfältig ausgewählten, gut bezahlten Informantinnen sehr gut tun. Sie schickte erst Deanna, dann Madeline eine private E-Mail mit ihrer auffällig-unauffälligen Betreffzeile, ihrem Standard-Code.

       Betreff: Tolles Rezept, musst du unbedingt ausprobieren!

      Vertraulich, muss unbedingt unter uns bleiben. Corina Del Rey, ein internationales It-Girl, arbeitet ebenfalls bei der Beaumont Post. Wie Du vielleicht noch weißt, studierte sie an der Knoxton University und arbeitete in der Zeit als freie Mitarbeiterin für mich.

       Ich bin ganz scharf auf Geschichten oder Gerüchte über sie. Wo sie gewohnt hat, mit wem sie Umgang hatte, wie sie sich in der aristokratischen Gesellschaft von Cathedral City zurechtgefunden hat.

       Ideen, Verbindungen, Gedanken? Ich glaube, da steckt eine Story dahinter. Ich finde nur noch keinen Angriffspunkt. Ich weiß deine Hilfe sehr zu schätzen und werde sie großzügig honorieren.

       Herzlich,

       GB

      SIEBEN

      Am Freitagmorgen ging Stephen am Strand spazieren. Er presste sich das Handy ans Ohr und wartete darauf, dass sein Bruder den Anruf entgegennahm.

      Er

Скачать книгу