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weiter nach Süden.

      Die Landschaft veränderte sich schnell und Vagho betrachtete sie mit größter Aufmerksamkeit. Wie immer, wenn er einen gefährlichen Auftrag zu erfüllen hatte, musste er sich auch dieses Mal zu Ruhe zwingen. Der Schattenalp wollte nicht, dass der Reiz des gefährlichen Abenteuers ihm zu Kopf stieg.

      Als die Hügel, die am nördlichen Rande des Silbergebirges lagen, immer größer wurden, entdeckte Vagho eine alte Straße. Er folgte ihr eine halbe Stunde, denn er ahnte gleich, dass sie ihn ein gutes Stück zu seinem Ziel führen würde.

      Die Berge wurden immer höher und Vagho stieg mit seiner Flugschale immer weiter auf. Doch die Straße, die sich zwischen den Bergen wie ein Band hindurchschlängelte, führte ihn in die Nähe der Stadt Saphira. Immer wieder blockierten große Haufen von Steinen und Geröll diesen alten Weg der Wüstenzwerge. Hier und da war kaum noch etwas zu erkennen, doch als Vagho die erstaunlich gut erhaltenen Türme und die Stadtmauer von Saphira sah, da schlug ihm das Herz bis zum Hals hinauf. In seinen Ohren dröhnte jeder einzelne Schlag.

      Eine halbe Meile vor dem großen Stadttor landete der Schattenalp. Er sah sich sogleich die nähere Umgebung an. Die Stadt lag vor ihm auf einer erstaunlich weiten Hochebene. In großem Abstand umsäumten riesige Berge ihre Mauern und das Sonnenlicht konnte die meiste Zeit des Tages auf die löchrigen Dächer der verlassenen Häuser fallen. Nirgendwo stand ein Baum und nur wenige Büsche wuchsen auf dem Boden vor der Stadt. Selbst das Gras war nur spärlich vorhanden. Ein kühler Wind zog von der Stadt zu dem Schattenalp.

      Vagho war ein Meisterdieb und er konnte sehr leicht wittern, wenn sich ihm jemand näherte. Er hielt die Nase in den Wind und er bemerkte sofort, dass eine große Gefahr in der Stadt lauerte. Der Geruch war eine unerklärliche Mischung aus Magie und den Tränen der Wut und Verzweiflung.

      Hinter einem großen Felsen, der irgendwann von den Bergen ins Tal gestürzt war, versteckte sich der Schattenalp. Er hatte beschlossen, die Dunkelheit der Nacht zu nutzen. Doch das schaurige Schauspiel, das sich ihm im nächsten Augenblick bot, musste er sich ansehen.

      Mit einem fürchterlichen Rumpeln und Quietschen öffneten sich langsam die beiden mächtigen Torflügel des Stadttores. Eine Horde Janus-Elfen kam heraus und ihre krächzenden Schreie jagten dem sonst so hart gesottenen Schattenalp einen eiskalten Schauer über den Rücken. Er duckte sich unwillkürlich noch dichter an den Felsen und schien mit ihm verschmelzen zu wollen.

      Was er nun sah, übertraf seine schlimmsten Befürchtungen. Die Janus-Elfen sahen in ihren zerlumpten Kleidern schon sehr heruntergekommen aus. Doch die langen Krallen an ihren Händen, die großen Zähne und ihr grimmiger Blick zeigten Vagho, das mit ihnen nicht zu spaßen war.

      Auf einer alten Kutsche, die schon längst keine Räder mehr hatte, flog eine unerwartet schöne Frau durch das Tor. Sie hatte drei ihrer hässlichen Dienerinnen davor gespannt und trieb sie mit einer Peitsche unbarmherzig zu Eile an. Die Schreie dieser Dienerinnen ließen Vagho das Blut in den Adern gefrieren. Sie selbst glich eher einer weißen Elfe, ohne die langen Krallen und die großen Zähne. Doch ihre zerrissenen Kleider zeigten dem Schattenalp, dass sie seit langer Zeit die Königin der Janus-Elfen war. Sie musste die sagenhafte Opyhra sein. Von ihr hatte Vagho schon so viele Geschichten gehört, doch er hatte niemals geglaubt, dieser Frau und ihren Dienerinnen zu begegnen.

      Langsam flogen die Janus-Elfen an dem Felsen vorbei, hinter dem sich der Schattenalp versteckte. Immer wieder stießen diese Kreaturen ihre Schreie aus, und Vagho wagte es nicht mehr, zu atmen. In ihrer Mitte stand stolz die Königin auf der Kutsche und schwang die Peitsche. Bei jedem Knall, den die Peitsche machte, zuckte der Schattenalp zusammen.

      Als sich der schaurige Tross entfernt hatte, kam Vagho langsam hinter dem Felsen hervor. Er atmete tief durch und sah, wie die Janus-Elfen in der Ferne verschwanden. Ein Haufen Gedanken jagte durch seinen Kopf und ihm war klar, dass er sich niemals mit der Königin Opyhra und ihrem Gefolge anlegen durfte. Das wäre sein Ende gewesen und der Schattenalp wollte noch ein Weilchen leben.

      Er sah zu dem Stadttor, das sich langsam wieder schloss. Er wusste nicht warum, aber eine Idee schoss durch seinen Kopf und er holte seine Flugschale hervor. Vagho sprang auf und flog auf das Tor zu. Er hätte auch versuchen können, über das Tor zu hinwegfliegen, doch irgendetwas sagte ihm, dass er lieber durch das Tor fliegen sollte. Der Schattenalp schaffte es gerade so, zwischen den beiden hölzernen Torflügeln hindurchzuschlüpfen. Dann schloss sich das Tor und ein riesiger Balken schob sich in zwei eiserne Ringe, die an den beiden Torflügeln angebracht worden waren.

      Vagho schaute sich um und versuchte zu wittern, ob sich jemand in seiner Nähe befand. Der Wind strich sanft über den großen Platz, der hinter dem Tor war. Er trieb einen Knäul trockener Grashalme vor sich hin und der Schattenalp konnte wittern, dass er im Augenblick allein in der Stadt war. Er schaute zum Tor und zu der Mauer, die rechts und links vom Tor wegführte. Nun wurde ihm klar, warum er plötzlich die Idee zum Flug durch das Tor hatte. Über der Stadt lag ein magischer Fluch. Wer über die Mauern kam, dem würde etwas Schreckliches widerfahren. Vagho konnte die Magie dieses Fluches wittern. Er kannte diese Elfenmagie nur zu gut. Sie war so alt, wie es die Elfen selbst waren.

      Eine Tür, die eben noch weit offen stand, wurde plötzlich vom Wind zugeschlagen. Vagho sah zu ihr und er zog sofort seinen Zauberstab. Doch niemand griff ihn an und er hörte sein Herz in seiner Brust schlagen. Langsam sah er sich um und ging auf ein bestimmtes Haus zu, es war größer als die Häuser, die rechts und links danebenstanden. Vorsichtig ging der Schattenalp die Stufen hoch, die zum großen Portal des Hauses führten. Er versuchte, die Tür zu öffnen, doch sie war fest verschlossen. Vagho trat einen Schritt zurück und schaute nach oben. Über der Tür war eine Reihe Fenster, die alle mit hölzernen Fensterläden verschlossen waren.

      Der Schattenalp holte seine Flugschale hervor und umkreiste langsam mit ihr das Haus. Es musste einst einem reichen und mächtigen Wüstenzwerg gehört haben, denn es war noch immer prächtig anzuschauen. Im Dach zeigte sich ein großes Loch, durch das Vagho mit Leichtigkeit eindringen konnte. Er landete auf dem Dachboden und sah sich um. Der Staub von Jahrhunderten lag dick auf den Dielen und er überdeckte auch eine Menge Kisten und Truhen. Überall lagen zerrissene Säcke und zerbrochene Krüge herum. Das war ein sicheres Zeichen, dass hier jemand etwas gesucht hatte.

      Vagho öffnete die einzige Tür, die er fand. Ein hässliches Quietschen war zu hören und er zog wieder seinen Zauberstab. Mit ihm konnte er die nähere Umgebung gut erhellen. Hinter der Tür war eine Treppe, die in das Stockwerk unter dem Dachboden führte. Vorsichtig schlich der Schattenalp diese Treppe hinunter. Dann sah er sich in dem Stockwerk um. Er befand sich nun in einem geräumigen Flur. Vier Türen und eine weitere Treppe waren im Lichtschein des Zauberstabs zu erkennen.

      Vagho öffnete die erste Tür und sah in das Zimmer hinein. Er fand ein Schlafgemach vor, so wie es sich nur wohlhabende Kaufleute leisten konnten. Die Verzierungen an den Schränken und an dem großen Bett, das in der Mitte des Raumes stand, zeigten deutlich den einstigen Reichtum eines Kaufmanns. Der Schattenalp verließ das Gemach und sah in das zweite Zimmer hinein. Das war für ihn schon viel interessanter, denn er hatte das Arbeitszimmer des Kaufmanns gefunden. In der Mitte dieses Zimmers stand ein mit Pergamenten überhäufter Tisch. Daneben lag ein umgestoßener Stuhl. Noch immer war an dem abgeschabten Lederpolster gut zu erkennen, dass hier ein Zwerg viel Zeit mit seinen Briefen und Rechnungen verbracht hatte. Er musste viele Tage und Nächte an diesem Tisch gearbeitet haben.

      An der Wand, rechts neben dem Tisch befand sich eine große eingerahmte Karte der Stadt und der näheren Umgebung. Sie war vergilbt und hatte einige Löcher von den Holzwürmern, die sich überall durch die Balken und die Möbel fraßen. Doch es war noch gut zu erkennen, wo sich der einstige Sitz des Königs befand. Deutlich war auf der Karte das Abbild einer Burg zu sehen, die auf einem Felsen stand. Darunter war ein Tor eingezeichnet und daneben stand etwas geschrieben. Vagho sah sich die Schrift genauer an und las sie sich vor. »Das Bergwerk von Saphira ist unser heiligster Besitz. Es befindet sich unter dem Thron unseres geliebten Königs. Lang möge er leben, sodass wir ihm dienen können.«

      Der Schattenalp lächelte vor sich hin. Bestimmt gab es da noch etwas für ihn, das sich lohnen würde. Er drehte sich zum Tisch um und sah sich die Pergamente an, die auf ihm lagen.

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