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und führt neben zwei ehemaligen Geschützposten des neuseeländischen Militärs an unzähligen Schafen mit ihren Lämmern vorbei. Auch sonst lernen wir Paul zu schätzen – er wird über die zehn Tage, die wir zu Beginn bei den Prests verbringen, zu unserem ersten Freund, den wir hier finden. Paul und ich verbringen viele Abende damit, uns die Bälle auf der Tischtennisplatte in unserem Zimmer gegenseitig zuzuschlagen, oder Maria und ich treffen uns mit ihm in der Stadt.

      Ein Spaß: Tischtennis-Duelle mit Paul

      Als wir unseren Wagen von der Werkstatt wenigstens schon mal über Nacht mitnehmen dürfen, treffen wir uns abends mit Paul am Strand in Sumner und kochen dort auf unserem Campingkocher. In der folgenden Nacht schlafen Maria und ich testweise das erste Mal im Van – zwar nur vor der Haustür unserer Gastgeber, aber man muss ja irgendwo anfangen. Mitten in der Nacht wackelt der Wagen. Ich werde wach und wecke Maria. „Wer rüttelt da am Van?“, frage ich im Halbschlaf. „Hm … Das ist bestimmt ein Erdbeben“, antwortet Maria abgeklärt. Klar, also schlafen wir weiter. Am nächsten Morgen frage ich Fiona und Gary, die aber beide nichts gespürt haben. Sie nennen mir jedoch die Internetseite www.geonet. co.nz, die alle Erdbeben und Vulkanaktivitäten Neuseelands aufzeichnet. Und tatsächlich: In der Nacht hatte in Christchurch der Boden gewackelt. Stärke: 3,2 auf der Richter-Skala. Kein starkes Beben, aber durch die Stoßdämpfer des stehenden Wagens durchaus zu spüren. Danach unterhalten wir uns länger mit Fiona und Gary darüber, wie man im Falle eines starken Erdbebens handeln soll. Es ist sinnvoll zu wissen, dass man sich in einen Türrahmen stellen, die Matratze über den Kopf ziehen oder unter den Küchentisch krabbeln soll. Zum Glück müssen wir das neu gewonnene Wissen nicht anwenden: Wir selbst sollten von diesem Tag an bis zur Abreise kein weiteres Beben mehr spüren.

      Campen auf Asphalt in New Brighton …

      Einen Tag bevor endlich alle Reparaturen abgeschlossen sind und wir Christchurch endlich verlassen können, sagen wir Fiona, Gary und den Jungs „Tschüss“. Zwar hätten wir noch bleiben dürfen, aber wir wollen selbst die größte Gastfreundschaft nicht übermäßig strapazieren, dem sind wir nach zehn Nächten zweifelsohne nahe. Wir bedanken uns mit einem Gutschein über ein Essen für alle in einer netten Pizzeria und fahren los. „Wenn etwas ist oder ihr nochmals in Christchurch sein solltet, meldet euch“, sagen Fiona und Gary noch durchs Autofenster. Mal schauen … Austauschschüler Paul ist jedenfalls traurig und auch mir werden die abendlichen Tischtennisduelle fehlen.

      Weiter geht es mit den Reparaturen unseres Wagens: Mechaniker Gary bringt uns zu seinem Kollegen – dem Rostentferner. Auf dem Rückweg machen wir uns Gedanken über den nächsten Schlafplatz. Die kommerziellen Campingplätze in Christchurch sind uns mit Preisen über 30 Dollar viel zu teuer. Kostenlose oder günstige Campingplätze des Department of Conservation (DOC) gibt es nicht. Diese findet man im ganzen Land an zahlreichen Stellen – der nächste von Christchurch aus ist allerdings knapp 25 Kilometer entfernt. Also was tun? Doch wieder zurück zur Familie in Avonhead? Das können wir ihr eigentlich nicht zumuten. Glücklicherweise gibt uns der Mechaniker einen Tipp: In der Nähe seines Hauses sei ein Parkplatz direkt am Strand. Dort sei es zwar auch verboten zu campen, aber im Sommer stünden da immer die Surfer mit ihren Vans über Nacht. Zwar haben wir momentan höchstens Frühling und wir sind auch ganz bestimmt keine Surfer, aber wir wollen es trotzdem probieren. Um 16 Uhr holen wir den Wagen ab, fertig ist er noch immer nicht, aber wir können ihn über Nacht nutzen. Mit unserem beweglichen Bett machen wir uns auf zum beschriebenen „Parkplatz am Strand“: New Brighton.

      … dafür aber mit direktem Blick auf Meer und Sonnenaufgang

      Die große geteerte Fläche mit Toiletten und kalten Duschen liegt direkt neben dem langen Betonpier New Brightons und der dazugehörigen Bücherei. Als wir ankommen, stehen tatsächlich einige Vans und auch gewöhnliche Pkw auf dem Abstellplatz. So ganz vertraue ich dem Mechaniker nicht, denn bei unseren Reisevorbereitungen hatten wir des Öfteren von verhängten 200-Dollar-Strafen gehört. Sicherheitshalber gehe ich zu einem der Vans und frage nach. „Jaja, das ist kein Problem. Um 22 Uhr wird zwar die Schranke zu gemacht und erst morgens um sieben Uhr wieder geöffnet, aber die sagen nichts“, lautet die Antwort in gebrochenem Englisch – Franzosen. Unsere europäischen Nachbarn können meist nur auf sehr eingeschränkte Englischkenntnisse zurückgreifen, wie sich im Laufe der sechs Monate zweifelsfrei herausstellt, aber trotzdem nett. Mit uns sind auch vier Deutsche gekommen, die wir über die letzten Tage am Car Market kennen gelernt hatten. Jan, Hannah, Jonas und Lennart kommen aus Dülmen und haben sich kurzfristig dazu entschieden, zwei Vans zu kaufen. Erst mal wollen sie daher auch weiter zusammen reisen. Wir werden sie noch deutlich öfter wiedersehen, als wir an diesem Abend denken. Gemeinsam verbarrikadieren wir uns an diesem ersten Abend gegen den Wind, bauen eine Wagenburg, kochen zusammen und genießen am nächsten Morgen einen rot-orangenen Sonnenaufgang.

      Als die Sonne ihr Farbenspiel beendet hat, fahren wir zum letzten Mal zum Car Market – wenigstens vorerst. Während wir wieder auf den Rostentferner warten, gehen Maria und ich in ein nahes Kino. „Blue Jasmin“ – den Film verstehen wir immerhin größtenteils, unser Englisch ist eben auch noch nicht so berauschend. Der Reaktion des ansonsten deutlich älteren Publikums (es war Senioren-Tag im Kino …) nach zu urteilen, war der Streifen aber gut.

      Nach dem Kino, gegen 14 Uhr, machen wir uns auf den Weg zur Werkstatt, der Wagen ist fertig! Auf dem Weg kommen wir bei einem Imbiss vorbei und bestellen uns unsere ersten neuseeländischen Fish'n'Chips. In einer alten Zeitung eingewickelt liegt ein verschnörkeltes Stück Meerestier neben dicken, goldenen Pommes, gesalzen mit leckerem „Chicken Salt“, einer Gewürzmischung aus Meeressalz und Kräutern. Es ist frisch und schmeckt vorzüglich. Schade nur, dass wir mit diesem auch noch sehr günstigen Mittagessen die besten Fish'n'Chips der kommenden sechs Monate gleich als Erstes probieren. Bis zu unserer Abreise aus Auckland essen wir keine vergleichbare Variante des Fastfood-Klassikers. Ein Besuch dieses Fischladens ist daher ein Muss: „Kumea's Delicatessen“ in der Shakespeare Road 9 gehört einem Zyprer und versteckt sich in einem kleinen Hinterhof.

      Wir haben in Christchurch eigentlich schon alles gesehen: Der Botanische Garten ist vor allem im Sommer einen Besuch wert und das kostenlose Canterbury Museum ist für Backpacker ein guter Zeitvertreib. Auch nach Lyttelton sind wir gefahren, dem ehemals größten Hafen der Südinsel. Als wir dort aus dem Linienbus aussteigen, sind wir etwas enttäuscht: Vom Charme, den unser Reiseführer beschreibt, ist nicht viel zu spüren. Auch in Lyttelton sind viele der sehr steilen Straßen kaputt, Häuser renovierungsbedürftig und die Straßenzüge verlassen – außer einer Touristengruppe, die gemeinsam mit uns aus dem Linienbus gestiegen ist, sehen wir nicht viele Leute. Und der Hafen? Der hat seit dem Erdbeben seine wirtschaftlichen Probleme, wie wir später erfahren. Zwar liegen dort noch immer viele Holzstämme am Pier, doch übergroße Frachtschiffe fehlen. Nach einem kleinen Gang, der vor allem die sehr steilen Straßen hinauf geht, verabschieden wir uns wieder vom Überseehafen. Wir wollen ja ohnehin noch hier bleiben. Und besuchen stattdessen die sich in einem perfekten Zustand befindenden Einkaufszentren außerhalb der Innenstadt. Die „Riccarton Mall“ bietet alles, was das (Shopping-)Herz begehrt. Und auch die „Northgate Mall“ glänzt mit modernem Gebäude und vielen Läden – vom Supermarkt über Bekleidungsgeschäfte bis hin zum Fitnesscenter und einer Bücherei.

      Der Überseehafen in Lyttelton wirkt überraschend „little“

      Als wir den Wagen dann abholen können, bezahlen wir den Mann bar auf die Hand und fahren einkaufen. Denn es soll noch an diesem Tag endlich losgehen. Das erste Ziel: Little River auf der Banks Peninsula. Für dort haben wir uns noch von zu Hause aus eine Wwoofing-Stelle organisiert. Wwoofing, das ist Arbeiten auf einer Bio-Farm, und als Bezahlung gibt es Unterkunft und Verpflegung – so wenigstens die Idee des Internetnetzwerkes, für dessen vollständige

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