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eine andere Zone reisen wollten, vom 29. Oktober 1946 an einen bei den alliierten Behörden zu beantragenden Interzonenpaß, der 30 Tage gültig war.

      Die beiden zu Walkenried gehörenden Örtlichkeiten „Juliushütte“ und „Wiedigshof“ spielten in den ersten Nachkriegsjahren für viele Grenzgänger eine wichtige Rolle, da sie auf dem Weg zwischen dem Bahnhof Walkenried und dem Bahnhof Ellrich unmittelbar an der Demarkationslinie lagen. Es erscheint daher angebracht, zu diesen beiden nachstehend einige Informationen zu geben.

       Hilfreiche Unterstützung beim Gepäcktransport über die Grenze (Foto: E. Meyer)

      Die Juliushütte, die ihren Namen dem Fabrikanten Julius Bergmann verdankte, der etwa um 1884 unmittelbar vor den Toren Ellrichs eine Gipsfabrik errichtet hatte, war bis Kriegsende zu einer kleinen Siedlung mit Produktionsgebäuden, Wohnhäusern, Schuppen und Stallungen angewachsen. Es lebten dort zeitweilig über 100 Menschen. Die meisten der dort ansässigen Familien waren in der Holzmehlfabrik von Armin Trinks beschäftigt, die dieser nach Einstellung der Gipsproduktion in den verlassenen Gebäuden des früheren Gipswerkes etwa um 1936 gegründet hatte. 1944 mussten die Wohngebäude der Juliushütte für die Wachmannschaften des dort neu entstandenen, unmittelbar angrenzenden Konzentrationslagers „Erich“ geräumt werden. Erst nach Kriegsende konnten die Familien in ihre früheren Wohnungen zurückkehren. Nach dem Rückzug der Amerikaner aus Thüringen besetzten die Sowjets für mehrere Wochen die Juliushütte, mussten sich dann aber hinter die vereinbarte Demarkationslinie zurückziehen. Den Bewohnern der Juliushütte, die sich im nahegelegenen Ellrich mit allem Lebensnotwendigen versorgten und deren Kinder dort zur Schule gingen, wurden diese Möglichkeiten durch die entstandene Demarkationslinie genommen.

       Grenzgänger am Tunnel. Sammlung Horst Gundlach

      Für viele der zahlreichen Grenzgänger war die Juliushütte oftmals der erste Rastplatz auf Westgebiet vor dem beschwerlichen drei Kilometer langen Fußmarsch zum Bahnhof Walkenried. Gegen ein geringes Entgelt, aber oft auch kostenlos, brachten die Bewohner der Juliushütte Gepäckstücke der Grenzgänger zum Bahnhof Walkenried. Wegen der zahlreichen Grenzgänger wurde vom Landespolizeiposten Walkenried schon im Januar 1946 ein Hilfspolizist auf der Juliushütte eingesetzt, der unter anderem auch die Kontakte von Bewohnern der Juliushütte mit sowjetischen Soldaten an der nahen Grenzlinie unterbinden sollte.

      Da als Folge der Grenzziehung die verbliebenen etwa 100 Bewohner der Juliushütte auch von der Bahnverbindung nach Walkenried abgeschnitten waren, wurde am 27. Juni 1946 vom Bahnhof Walkenried ein Pendelverkehr zu einer provisorischen Haltestelle an der Juliushütte, die nur etwa 300 m von der Demarkationslinie entfernt lag, eingerichtet.

      Am 4. August 1955 brannte die Holzmehlfabrik ab. Da an einen Wiederaufbau nicht zu denken war, verließen die letzten verbliebenen Bewohner von 1960 an die Juliushütte und fanden im Ort Walkenried neue Unterkünfte. Die Gebäude verfielen allmählich und ihr trostloser Anblick wurde in den folgenden Jahren öfters von den Medien der DDR zur Propaganda gegen die BRD genutzt. Im Juni 1964 wurden dann auf Initiative der Bundes- und der Landesregierung die drei noch vorhandenen Wohngebäude, drei Fabrikschornsteine und die anderen Gebäudereste von der Bundeswehr gesprengt und das Gelände nach Beseitigung der Trümmer renaturiert.

       Wiedigshof, 1990 (Foto: H. Gundlach) Die Juliushütte um 1960 (Foto: P. Schmelter)

       Wiedigshof, 1990 (Foto: H. Gundlach) Die Juliushütte um 1960 (Foto: P. Schmelter)

      Der heutige Ortsteil von Walkenried „Wiedigshof“ hat seinen Ursprung in dem zur ehemaligen Domäne Walkenried gehörenden, gleichnamigen Vorwerk, das ungefähr drei Kilometer von Walkenried entfernt, direkt an der braunschweigisch-preußischen Grenze lag. Die entlang der alten Landesgrenze gezogene Demarkationslinie grenzte von 1945 an somit unmittelbar an das Gelände des Wiedigshofes. Für zahlreiche Grenzgänger war der Hof daher häufig Ausgangs- oder Zielpunkt für die illegale Grenzüberschreitung. In den ersten Nachkriegsjahren war der Hof öfters auch das Ziel von Übergriffen der in unmittelbarer Nähe stationierten sowjetischen Posten. In den Jahren 1953 bis 1956 wurde das Vorwerk des Stiftsgutes zusammen mit diesem aufgesiedelt; auf den ehemaligen Gutsflächen entstanden landwirtschaftliche Betriebe für Flüchtlinge aus den ehemaligen Ostgebieten.

      Kreispolizeiamt

      Ellrich, den 8. 2. 1946

      Ellrich

      An

      den Landespolizeiposten

      in Wa lkenried

      Betr.: Aufgefundene Leiche des Herbert H.

      Auf Ihr Schreiben vom 23.1 1946 – hier eingegangen am 7. 2. 1946 – wird Folgendes berichtet:

      Es besteht hier kein Zweifel, dass Herbert H. beim unbefugten Grenzübergang von einer russischen Grenzstreife angeschossen worden ist.

      Bei der Leichenbesichtigung wurde festgestellt, dass Spuren eines vorhergehenden Kampfes, Würgemerkmale, Druckstellen, Kratzwunden, Strangulationen usw. an der Leiche nicht vorgefunden wurden. Leichenstarre war eingetreten, aber noch nicht vollendet. Der Körper war völlig erkaltet. Die Kehrseite der Leiche zeigte die üblichen Lagerflecken der Haut, welche durch das Ansammeln des Blutes natürlich hervorgerufen werden. Im Rücken, und zwar auf der linken Seite, etwa 10 cm von der Wirbelsäule entfernt, zwischen der 6. u. 7. Rippe, befand sich ein Einpfennigstück großer Einschuß. Der Ausschuß, etwa ein Zehnpfennig großes Loch, befand sich in der Magengegend. Der Ausschuß liegt etwa 10 cm tiefer als der Einschuß. Der Blutverlust war nur gering, es konnte dieses am Zustand der Wäsche festgestellt werden. Es handelt sich einwandfrei um einen Weitschuß. Irgendwelche Personalpapiere befanden sich nicht bei der Leiche. Bei der Leiche befand sich ein Handkoffer mit Damen- u. Bettwäsche, sowie zwei Geldbörsen mit 33,37 RM Inhalt. Der Handkoffer stand etwa 8 – 10 Meter von der Leiche entfernt an einem Pfosten gelehnt. In dem Koffer befanden sich noch 13 Briefe, die höchstwahrscheinlich hier zur Post gegeben werden sollten.

      H. wird sich, nachdem er angeschossen worden war, bis zur Feldscheune geschleppt haben. Dort hat er seinen Koffer abgestellt und sich ein Lager gesucht, wo er sich niedergelegt hat. Der Tod ist infolge der Schussverletzung und innerer Verblutung eingetreten. Ein Verbrechen kommt nach den getroffenen Feststellungen nicht in Frage und sind hierfür auch keine Anhaltspunkte vorhanden.

      Was nun den Begleiter des H., den Kurt V., betrifft, so muß berichtet werden, dass nicht anzunehmen ist, dass dieser irgendwie mit dem Ableben des H. in Verbindung zu bringen ist. V. hat bestimmt die Grenze mit einer Waffe nicht überschritten. Beide werden beim Grenzgang, nachdem sie von der russischen Streife überrascht und beschossen wurden, sich getrennt haben. Die Nachforschungen zur Ermittlung des Aufenthaltes des V. sind sofort aufgenommen worden. Ich bitte auch dortseits Nachforschungen nach V. anzustellen, damit der Tatbestand einwandfrei geklärt werden kann. Im Erfolgsfalle bitte ich umgehend nach hier zu berichten.

      Lpol.-Posten

      Walkenried, den 18. Februar 1946

      Walkenried

      Der Fleischer Stanislaus M., geb. am 8. 5. 1919 in T., Kreis R. wohnhaft in Walkenried, Juliushütte, erstattet folgende Anzeige:

      „Am Freitagmorgen, den 15. 2. 46, ging ich gegen 5.30 Uhr von der Juliushütte fort, um an der Bahn entlang

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