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du? Du hast mich sterben lassen!“ Da antwortete Gott: „Mein lieber Sohn! Ich kann deinen Ärger nicht verstehen, ich habe dir dreimal die Feuerwehr vorbeigeschickt, und du hast dir nicht helfen lassen!“

      Bekennen

      Es gibt ganz unterschiedliche Formen, wie Menschen ihren Glauben bekennen. Laut und leise, mehr oder weniger echt, mit viel und wenig Leidenschaft, nachvollziehbar und abgehoben, mit weitem Herzen oder dränglerisch. Ich erinnere mich gerne an das Gespräch zweier Damen, das ich einmal während eines gemeinsamen Essens miterlebte.13

      Neben mir saßen zwei Frauen, deren Alter ich nur schätzen kann. Die eine Frau, vielleicht fünfzig – sehr missionarisch, wie man schnell merkte – konfrontierte ihr kauendes Gegenüber, vielleicht achtzig Jahre alt, mit der Frage: „Wann haben Sie sich denn für den Herrn Jesus entschieden?“ Das Kauen der alten Dame wurde plötzlich schneller, die Augen wurden größer, und die Stirn legte sich in Falten. Dann war die Frage wohl nicht richtig gestellt, dachte sich die Jüngere und wiederholte ihre Frage: „Wann haben Sie denn dem Herrn Jesus Ihr Leben übergeben?“ Ich wusste nicht, dass das Kauen noch schneller gehen konnte, die Augen noch größer werden konnten und die Stirn noch eine Falte mehr vertrug. Irgendwann hatte die Frau den Bissen runtergeschluckt und meinte: „Entschieden? Leben übergeben? Ich wusste gar nicht, dass man sich dafür entscheiden muss!“ „Nicht? Dann kommen Sie in die Hölle!“, war die klare Antwort, und als die jüngere Frau sie dann zu diesem „Schritt“ überreden wollte, fing die ältere Frau an zu erzählen. Nein, sie argumentierte nicht, stritt nicht, rechtfertigte oder verteidigte sich nicht. Sie zog keinen dicken dogmatischen Wälzer aus ihrer Handtasche und las daraus das Kapitel: „Warum ich so glaube, wie ich glaube“ vor. Ganz anders. Sie erzählte.

      Ihre Geschichte begann vor vielen Jahren, mitten im Leben. Normal und völlig gewöhnlich. Sie erzählte von ihrem Konfirmandenunterricht und von ihrem Pfarrer, der ihr beigebracht hatte, dass „glauben“ nichts anderes als „mit Gottes Versprechen leben“ heißt. Sie zitierte ihren Konfirmationsspruch aus Psalm 121: „... der dich behütet, schläft und schlummert nicht!“ „Dieser Spruch“, erzählte sie weiter, „hat mich ein ganzes Leben lang getragen.“ Und dann erzählte sie vom Krieg und den Bomben und den Sirenen, die nachts anfingen. Alle mussten in den Keller laufen und hatten große Angst. Wird unser Haus getroffen? Überleben wir die Nacht? Trotz dieser großen Angst wusste die Frau: „... der mich behütet, schläft und schlummert nicht“. Dann erzählte sie von dem schrecklichen Autounfall, bei dem ihre Eltern umkamen. Beide an einem Tag. „Meine Eltern hatten mir so viel ermöglicht und gezeigt, wie man mit festen Schritten den Weg ins Leben findet. Und plötzlich waren sie weg – beide. Und ich stand am Grab und weinte. Ich habe mich so allein, so verlassen gefühlt. Aber eines wusste ich: Der mich behütet, schläft und schlummert nicht!“ Sie lernte einen Mann kennen. „Ein toller Kerl! Er konnte Dinge, die ich nicht konnte, und ich konnte Dinge, die er nicht konnte! Es gab eine Zeit, da konnten wir uns gar nicht vorstellen, dass wir uns einmal nicht gekannt haben!“ Doch dann stirbt der Mann an einer schrecklichen Krankheit, und wieder ist die Frau auf sich allein gestellt. Ihr Sohn besucht sie kaum. Vor ein paar Monaten hat er seine Arbeitsstelle verloren. Sein Chef hatte ihn so oft abgemahnt und ihm den Rausschmiss angedroht, wenn er noch einmal betrunken zur Arbeit kommen würde. „Nur wenn er Geld braucht, dann taucht er auf!“ Resigniert schaute sie in die Ferne. „Und heute“, sagte sie tapfer, „heute habe ich einen müden Körper. Ich bin ganz ehrlich, ich merke, ich bin alt und einsam geworden. Manchmal liege ich auf meinem Bett und weine. Aber eines weiß ich mein ganzes Leben lang: Gott hat mir versprochen, mich immer zu begleiten! Denn der mich behütet, schläft nicht! Das steht fest!“

      Am Ende dieser Erzählung ist es an unserem Tisch still geworden. Die alte Frau hat mit ihrer Geschichte, mit ihrem Leben, so manchen zum Schweigen, zum Nach-Denken gebracht – auch mich.

      Dietrich Bonhoeffer schreibt: „Wenn man völlig darauf verzichtet hat, aus sich selbst etwas zu machen – sei es einen Heiligen oder einen bekehrten Sünder oder einen Kirchenmann, einen Gerechten oder Ungerechten, einen Kranken oder Gesunden – und dies nenne ich Diesseitigkeit, nämlich in der Fülle der Aufgaben, Fragen, Erfolge und Misserfolge, Erfahrungen und Ratlosigkeiten leben –, dann wirft man sich Gott ganz in die Arme, dann nimmt man nicht mehr die eigenen Leiden, sondern das Leiden Gottes in der Welt ernst, dann wacht man mit Christus in Gethsemane, und ich denke, das ist Glaube, das ist ,Umkehr‘; und so wird man ein Mensch, ein Christ!“14

      Mich bewegt dieser unerschütterliche Glaube der alten Dame. Das Vertrauen darauf, dass Gott es gut mit mir meint, auch wenn die Erlebnisse meines Lebens scheinbar dagegen sprechen. Gott ist für mich, auch wenn er – aus meiner Sicht –nicht alle meine Gebete erhört. Das ist auch mein Glaube, meine Gewissheit: „Der mich behütet, schläft und schlummert nicht.“ Ich erzähle diese Geschichte sehr gerne bei meinen Konzerten und singe dazu mein Lied „Glauben“15.

      Bewahren

      In Psalm 121,7 heißt es: „Der Herr behüte dich vor allem Übel, er behüte deine Seele. Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit!“ Diese Worte können sehr leicht missverstanden werden und zu Enttäuschungen führen. Was wünscht denn hier der eine Mensch dem anderen? „Der Herr behüte dich vor allem Übel?“ Gerade ältere Menschen werden uns wohl Brief und Siegel darauf geben können, dass auch das Leben als Christ mit Übel und Schwierigkeiten geplagt sein kann. Aber was bedeutet es denn dann, „behütet“ zu sein? Da kommt ein Kind aus einem „behüteten“ Elternhaus, sagen wir und meinen Kinder, die bei verwandtschaftlichen Antrittsbesuchen Männchen machen, Pfote geben und alle Bundesländer und ihre Hauptstädte aufsagen können. Meint das der Psalm mit dem Wunsch „der Herr behüte dich“?

      Es heißt weiter: „... er behüte deine Seele!“. Martin Luther sagt in seiner Auslegung zu diesem Psalm: „Ob du ruhst oder tust, so ist der Herr gegenwärtig. Zu keiner Zeit also, an keinem Ort, vor keiner Person und keinem Dienst sollst du erschrecken und sorgen. Das heißt, den Sinn des ganzen Psalms in universaler Kürze zusammengezogen, als wollte er sagen: Ich bin der Schöpfer (des) Himmels und der Erde und darum auch der Hüter deines Leibes und deiner Seele Tag und Nacht und Vertreiber alles Unglücks. Das heißt den Glauben lehren, der nicht als eine kalte Qualität in der Seele liegt ...“16

      Der Glaube ist keine „kalte Qualität“ in unserer Seele. Ein schönes Bild, wie ich finde. „Da rührt sich was!“, sagt man, um Lebendigkeit zu beschreiben. Keine starren Gesetze und vorgefertigten Lebensziele, sondern die individuelle Begleitung des Einzelnen. Keine oberflächlichen Beurteilungen, sondern der tiefe Blick ins Eigentliche.

      Sorgen Sie sich um Ihre Seele? Ich meine, kümmern Sie sich um Ihr Innenleben? Der Psalm lädt uns ein, das Leben auszukosten, loszuziehen und unsere Umwelt zu entdecken. Wer den Sprung ins Leben wagt, wird feststellen, dass „das Leben zu leben“ auch seinen Preis hat. Da werden sich am Ende unserer Lebensreise viele schöne Stunden, aber auch so manche dunklen Täler angesammelt haben. Erfolge wie Niederlagen. Tränen der Freude und der Trauer. Lach- und Sorgenfalten. Das Leben ist bunt, und derjenige wird es leben und lieben lernen, der sich mit ganzer Leidenschaft hineingibt. Auch auf die Gefahr hin, dass sich manche Entscheidung im Rückblick als falsch herausstellt.

      Am Schluss heißt es aber dann: „Der Herr behüte deinen Eingang und Ausgang.“ Menschen sind sich meistens bewusst, dass ihr Leben einen Anfang und ein Ende hat. Aber da ist noch mehr: Christen sind sich bewusst, dass ihr Anfang und ihr Ende behütet und getragen ist. Und so mache ich mich erneut, wie zu Beginn, mit Dietrich Bonhoeffer auf die Suche: „Wer bin ich?“ Ich fühle mich nicht nur durch seine Frage verstanden, auch entlasten mich seine ahnenden Gedanken: „Bin ich denn heute dieser und morgen ein andrer? Bin ich beides zugleich? Vor Menschen ein Heuchler und vor mir selbst ein verächtlich wehleidiger Schwächling?“ Und so findet er eine Antwort, die unter Schmerzen ihre heilsame Kraft entfaltet: „Wer ich auch bin, du kennst mich, dein bin ich, o Gott!“

      So bleibt für mich der Glaube ein leises „dem Vogel die Hand hinhalten“, ein Gehörtwerden – dann, wenn ich mich selbst nicht mehr hören kann. Eine Hoffnung über alle Berge meines Lebens hinweg, ein ge-halt-volles Leben mit einem Gott, der sich mir in seiner Heiligkeit, unverfügbar, undefinierbar, unkalkulierbar

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