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hat Gott dem egoistischen Streben Luzifers denn nicht gleich einen Riegel vorgeschoben? Er war doch allmächtig.“

      „Das ist die entscheidende Frage“, pflichtete ich ihr bei. „Die müssen wir unbedingt klären, um Gottes Handeln zu verstehen. Was hätte Gott denn tun können oder müssen, um völlig sicher zu sein, dass sich keines seiner Geschöpfe je gegen ihn auflehnt?“

      „Er hätte sie vollkommen schaffen müssen, ohne irgendwelche schlechten Neigungen.“

      „Nach dem Bericht der Bibel hat Gott genau das getan. Luzifer wird ausdrücklich als, Abbild der Vollkommenheit‘ und, ohne Tadel‘ bezeichnet.5 Gott hat keine Engel mit Defekt geschaffen, nur solche mit besonderen Gaben – und einem freien Willen. Und darin liegt die Möglichkeit, dass sie sich gegen ihn entscheiden konnten.“ Ich hielt inne.

      Meine Nachbarin schien nachzudenken. Sie sah mich eine Weile schweigend an, dann sagte sie langsam: „Ich glaube, ich verstehe, worauf Sie hinauswollen: Er hätte alle Geschöpfe ohne einen freien Willen schaffen müssen. Nur dann wäre ausgeschlossen, dass sich jemand gegen ihn auflehnt.“

      „Ja, das denke ich auch. Alle geschaffenen Wesen müssten ähnlich wie Roboter oder Marionetten funktionieren. Damit ergibt sich die nächste wichtige Frage: Wenn Gott Gott ist, wusste er doch sicher, wohin es führen kann, wenn er seinen höheren Geschöpfen einen freien Willen gibt. Warum hat er es dennoch riskiert?“

      „Woher soll ich das wissen? Das würde ich Gott auch gerne fragen“, sagte sie mit einem leisen Ton der Empörung.

      „Ich meine, wir sollten nicht zu früh aufgeben, Gott verstehen zu wollen. Gott hat uns Menschen, nach seinem Bild‘ geschaffen,6 mit Vernunft und der Fähigkeit, ihn zu erkennen. Gehen wir die Frage von einer anderen Seite an: Was schätzen Sie an zwischenmenschlichen Beziehungen am meisten?“

      Sie dachte einen Augenblick nach. „Dass ich einem anderen vertrauen kann und er mir vertraut.“

      „Ich auch. Und noch mehr schätze ich es, von einer anderen Person geliebt zu werden.“

      „Da haben Sie natürlich Recht. Das ist das Wertvollste.“ Sie nickte.

      „Erlauben Sie mir eine persönliche Frage: Was würde es Ihnen als Mutter bedeuten, wenn es bei Ihrem Sohn einen Knopf gäbe, auf den Sie nur drücken müssten, damit er sagt: ,Mutti, du bist die Beste. Mutti, ich hab dich lieb!‘?“

      „Natürlich nichts!“, sagte sie mit Nachdruck.

      „Es ist klar: Ohne eine freie Entscheidung gibt es keine echte Liebe. Wenn ich eine Waffe in der Hand hätte, könnte ich Sie wahrscheinlich zwingen, aufzustehen oder bestimmte Dinge zu tun. Ich könnte Sie aber nicht dazu bringen, mich zu lieben oder mir zu vertrauen.“

      „Sicher nicht.“

      „Das kann man nicht erzwingen“, wiederholte ich, um ihr diesen wichtigen Punkt einzuprägen. „Man kann Liebe und Vertrauen nur freiwillig erweisen.“

      Sie lachte. „Ich könnte Ihnen etwas vorheucheln und Ihnen sagen, was Sie hören wollen. Aber in dem Moment, in dem Sie keine Waffe mehr hätten, wäre ich weg. Ich würde Sie verachten, weil Sie mich zum Heucheln gebracht haben, oder hätte noch Angst.“

      „Wie finden Sie einen solchen Gott, dem es wichtiger ist, in seinem Universum Beziehungen zu ermöglichen, die auf Vertrauen und Liebe basieren, statt völlige Sicherheit zu gewährleisten?“

      „Das verstehe ich nicht. Was hat das mit Sicherheit zu tun?“

      „Ich meine hier die Sicherheit vor einer Rebellion gegen seine Herrschaft“, erklärte ich. „Mit Zwang und Gewalt kann man vor einer Auflehnung eher sicher sein als mit Freiheit, Liebe und Vertrauen. Das birgt immer ein gewisses Risiko in sich. Aber gerade vor solch einem Gott, der dieses Risiko eingeht, damit es liebevolle und vertrauensvolle Beziehungen geben kann, habe ich großen Respekt. Ja, ich finde ihn großherzig und liebenswert.“

      „Das kann ich nachvollziehen.“

      „Verfolgen wir die Geschichte dieses Aufruhrs weiter: Wie mag Gott auf die Machenschaften Luzifers reagiert haben?“

      „Woher soll ich das wissen? Sie sind doch der Bibelexperte. Was hat er denn getan?“

      „Das wird in der Bibel nicht beschrieben. Aber an vielen Stellen wird Gott als barmherzig, gnädig und geduldig bezeichnet.7 Einmal, als er Mose erschien, bezeichnete er sich sogar selbst so.8 Und da Gott sich in seinem Charakter nicht verändert,9 können wir schlussfolgern, dass er auch gegenüber Luzifer so reagiert hat. Er wird ihm erklärt haben, dass es keinen Grund für seine Unzufriedenheit und seine Bestrebungen nach mehr Macht gibt und es vom Prinzip her einem Geschöpf unmöglich ist, seinem Schöpfer gleich zu sein. Gott wird ihm sicher auch angeboten haben, ihm zu verzeihen, wenn er seine gefährlichen Ambitionen aufgibt und ihm gegenüber loyal bleibt. Können Sie sich vorstellen, wie Luzifer darauf reagiert haben könnte?“

      „Keine Ahnung. Aber jetzt wird’s spannend. Wenn ich mich in Luzifer hineinversetze, dann würde ich versuchen, Gott weiter auszutesten, und ausprobieren, wie weit ich gehen kann.“

      „So tun es ja oft Kinder ihren Eltern gegenüber“, sagte ich. „Und wenn man nachgiebig ist, wird das schnell als Schwäche ausgelegt. Kinder und auch Erwachsene fühlen sich dann bestärkt fortzufahren. So hat wohl auch Luzifer Gottes sanfte Reaktion als ein Zeichen von Schwäche angesehen. Jedenfalls hat er sich von seinem Vorhaben, Gottes Stellung einzunehmen, nicht abbringen lassen, wie wir wissen. Er hat mit seiner Rebellion weitergemacht und etliche Engel auf seine Seite gezogen.“

      „Aber warum hat Gott diesen Aufruhr nicht gleich zerschlagen und im Keim erstickt? Warum hat er Luzifer und dessen Anhänger nicht sofort getötet, als er wusste, dass sie nicht mehr umkehren würden?“

      „Damit sind wir bei der alles entscheidenden Frage, die wir unbedingt klären müssen, um besser zu verstehen, warum es so viel Leid und Elend auf dieser Welt gibt. Die Bibel beantwortet diese Frage zwar nicht direkt, erwähnt aber einige Charaktereigenschaften und Handlungsweisen Satans, aus denen wir ersehen können, wie er vorgegangen ist. Daraus können wir dann eine Antwort ableiten.“

      „Sie machen es aber kompliziert. Und wieso reden Sie plötzlich von Satan?“, warf meine Nachbarin ein.

      „Die ganze Sache mit dem Aufkommen der Sünde und dem Ursprung des Leides ist tatsächlich kompliziert, sonst würden nicht so viele Menschen an Gottes Handeln zweifeln“, räumte ich ein.

      „Da haben Sie Recht“, sagte meine Gesprächspartnerin mit einem leicht resignierten Unterton.

      „Nun zu Ihrer Frage. Durch seine Rebellion hat sich ,Luzifer‘, der ,Lichtträger‘, selbst zum ,Satan‘ gemacht. Dieses hebräische Wort bedeutet übersetzt ,Widersacher‘ oder ,Feind‘ und beschreibt seine Stellung zu Gott. Im Neuen Testament wird er hauptsächlich als ,Teufel‘ bezeichnet. Das Wort stammt von dem griechischen ,diabolos‘, was ,Verleumder‘ bedeutet. Wir nennen ja etwas ,diabolisch‘, wenn wir meinen, es sei teuflisch.“

      „Was so alles in diesen Namen steckt, hätte ich nicht gedacht.“

      „Christus bezeichnete Satan einmal als, Vater der Lüge‘“,10 fuhr ich fort. „Wir würden sagen: ,Erfinder der Lüge‘. Deshalb können wir schlussfolgern, dass er von Anfang an bei seiner Auflehnung gegen Gott nicht offen, sondern mit Lügen, Unterstellungen und Verleumdungen gearbeitet hat. Auch gegenüber den ersten Menschen hat er behauptet, sie würden nicht sterben, wenn sie vom ,Baum der Erkenntnis‘ essen würden, obwohl Gott genau das Gegenteil gesagt hatte.11

      Um Gottes Reaktion auf Satans Machenschaften zu verstehen, müssen wir zunächst die Frage klären: Wie schaffen wir Lügen und Verleumdungen wieder aus der Welt? Lassen Sie mich ein absurdes Beispiel nehmen: Angenommen, ich würde in Düsseldorf bei Leuten, die Sie kennen, Lügen und Verleumdungen über Sie verbreiten. Sie wären das sicher bald leid. Nehmen wir weiter an, Sie würden mich daraufhin erschießen. Was würden die Leute über das denken, was ich über Sie verbreitet habe?“

      „Ihr

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