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Bett nieder.

      Dieses ziemlich seltene Phänomen drückt sich dadurch aus, dass Dinge das Medium „finden“. Sachen sind also plötzlich dort, wo man selbst ist, obwohl sich die Gegenstände vorher noch an ihrem Platz befunden haben. Der „herbeigebrachte“ Gegenstand kann geschlossene Türen oder Mauern durchdringen und kommt auf seiner „Reise“ nicht zu Schaden. Lediglich wird er sehr heiß, was manche Telekinese-Forscher als typisch für die Dematerialisation und die danach wieder notwendige Materialisation ansehen.

      Auf Wunsch seiner Mutter war Franzi also stark in die Beobachtung der Küchenhilfe Wilma Molnar involviert. Gelegentlich stellte er fest, dass sich auf seinem Schreibtisch das Tintenfass verschob, wenn Wilma in der Nähe war. Später erzählte er seiner Frau Ghislaine, dass einmal eine Hacke durch das offene Küchenfenster hereingeflogen und mit einem „Bombengetöse“, so Franzi, auf den Boden niedergekracht sei.

      Gelegentlich wurde Wilma für kleine Besorgungen in den Ort geschickt, doch nach den ersten seltsamen Ereignissen durfte sie das Schloss nur noch in Begleitung verlassen. Als sie am Schaufenster eines Schuhgeschäfts vorüberging, flog ein Schuh auf den Gehsteig, als wäre er geworfen worden. Bei einem Messerschmied wurde ein Messer von ihr angezogen und fiel neben ihr nieder. Das Medium Wilma Molnar wurde schließlich so bekannt, dass es im „Lexikon der Parapsychologie und ihrer Grenzgebiete“ (Werner F. Bonin, 1984) einen Eintrag erhielt.

      Noch 1928 war Schrenck-Notzing der Ansicht gewesen, dass die verständnisvolle Behandlung, die Erzsi dem Mädchen angedeihen ließ, die von Wilma ausgehenden Phänomene begünstige. Allerdings litt Erzsi in diesem Jahr unter schweren gesundheitlichen Komplikationen, es gab Tage, da konnte sie kaum aufstehen. Sie hatte viel Willensstärke bewiesen, gelangte aber zunehmend zu der Erkenntnis, dass es selbst einer widerstandsfähigen Person wie ihr nicht gelingen mochte, aus Wilma ein „normales Mädchen“ zu machen. Was Erzsi nun tat, bringt recht gut zum Ausdruck, dass weder die parapsychologische und „magische“ Schulung durch Schrenck-Notzing noch die ihr seit etwa einem Jahrzehnt zuteilwerdende sozialdemokratische Bildung durch ihren Lebensgefährten Leopold Petznek ihre Persönlichkeit maßgeblich verändern konnten. Sie war einmal eine Erzherzogin an einem streng katholischen Hof gewesen. Und nun übergab sie die bedauernswerte Wilma in die Obhut der Kirche. Möglicherweise suchte sie Rat bei Viktor Kolb, einem Angehörigen des Jesuitenordens, zu dem sie eine Freundschaft pflegte. Das ungleiche Paar traf sich regelmäßig zur Diskussion theologischer Fragen. Kolb engagierte sich im Bereich der christlich-sozialen Presse und war sozialreformerisch tätig, seine Gesprächspartnerin, die eingeschriebene Sozialdemokratin, las die „Arbeiter-Zeitung“ und gewährte „Magiern“ und „Zauberern“ Obdach. Kolb hatte immer wieder versucht, Erzsi aus den Klauen der „Satanisten“, wie er die Parapsychologen und „Medien“ nannte, zu befreien. Seher, Astrologen und andere Leute, die Kontakt zu Toten und dem Jenseits suchten, gehörten für ihn nicht zum Umgang einer guten Katholikin. Er schenkte ihr regelmäßig seine eigenen Werke sowie ein Buch mit dem Titel „Gebote der Tugend“. Es ist nicht davon auszugehen, dass Erzsi diese gut gemeinte Gabe gründlich studierte. Vergeblich redete Kolb ihr zu, die gefährlichen und antichristlichen Versuche im Bereich der Schwarzen Magie zu unterlassen.

      Wasserfälle bei der Grotte des Schlossparks Schönau, um 1800

      Obwohl sie bestimmt nicht alle Anregungen des Paters Kolb ernsthaft in Erwägung zog, griff Erzsi in ihrer Verzweiflung auf ihren Kinderglauben zurück. Sie hoffte, die „Segnungen der Religion“ würden sich positiv auf Wilmas unausgeglichenes Seelenleben auswirken. Die psychischen Kräfte eines Mediums haben mit Religion nichts zu tun, doch Erzsi reagierte, als lebe sie in der frühen Neuzeit zur Zeit des „Hexenhammers“ und nicht in der aufgeklärten Welt des 20. Jahrhunderts. Wilma wurde von den Jesuiten zu einer Wallfahrt nach Mariazell gezwungen und einem Exorzismus unterzogen. Dass ein Fall wie der des Mädchens Wilma Molnar eine medizinische Angelegenheit und nicht die Sache kirchlicher Satanologen sein kann, hätte Erzsi wissen müssen. Fast alle „Sensitiven“, also für „außersinnliche“ Phänomene empfängliche Menschen, sind psychisch beeinträchtigt, nicht selten schizophren und/oder gewalttätig und sollten von medizinischen Fachleuten behandelt werden. Erzsis Schwiegertochter schreibt in ihren Erinnerungen, die Ex-Erzherzogin hätte sich wiederholt nach dem Befinden ihrer einstigen Dienstmagd erkundigt. Man habe ihr stets versichert, Wilma sei „fröhlich und vergnügt“. Ob sich Erzsi selbst davon überzeugt hat, berichtet Ghislaine Windisch-Graetz nicht. Tatsächlich können mediale Kräfte, die jemand zu einer gewissen Zeit seines Lebens besitzt, ihre Wirkung verlieren. Es sind Fähigkeiten, die durchaus flüchtig sein können.

      Ein „Geisterhaus“

      Obwohl Wilma Molnar aus dem Umfeld von Schönau abgezogen worden war, manifestierte sich ihre Energie weiterhin in den Räumen des Schlosses. Alle Dienstboten waren sich einig, dass das Gebäude „verwunschen“ sei. Eine Glocke läutete von Zeit zu Zeit im Turm, ohne dass sich jemand dort aufgehalten hatte. Erzsi war sich sicher, das Läuten erinnere an die Toten. Im Salon rutschten und tanzten die Möbel auf ihren Rollen herum. Am Morgen herrschte ein Riesendurcheinander, obwohl kein Mensch im Salon gewesen war. Die elektrischen Lichter erloschen unmotiviert und gingen wieder an – was man vom Schlosspark aus am besten beobachten konnte. Erzsi ließ mehrere Male Elektriker kommen, um die Stromkreise und Geräte zu überprüfen, doch es wurde nie ein Defekt gefunden. Das Schloss gehöre ihr nicht mehr, klagte Erzsi, die Geister hätten es ihr gestohlen. Sie verkaufte das Haus 1928 und zog vorerst fix in die Stadtwohnung im dritten Bezirk. Der letzte erhaltene Brief Schrenck-Notzings an Erzsi datiert vom November 1928 und ist an die Wiener Adresse gerichtet. Die Schlossherrin hatte Schönau endgültig verlassen. Im folgenden Jahr, 1929, starb Albert Freiherr von Schrenck-Notzing.

      Der „Geisterbaron“ hatte Erzsi in seinen Bann ziehen und ihr unerwartete Einsichten verschaffen können. Eine aufregende, spannungsgeladene, abenteuerliche Lebensphase ging zu Ende.

      Der Kronprinz und die Spiritisten

      Einst war es der Politiker und Philosoph Lazar Baron von Hellenbach gewesen, der mit seinen Ideen über die Beschaffenheit der Seele den jungen Mediziner Albert von Schrenck-Notzing nachhaltig beeindruckt hatte. Hellenbach gehörte zu den bekanntesten Spiritisten und sogar Erzsis Vater Kronprinz Rudolf war Gast im Haus Hellenbachs gewesen. Andere Habsburger wie die Erzherzöge Rainer und Johann Salvator, der spätere „Aussteiger“ Johann Orth, folgten ebenso den Einladungen des Barons. Im „Neuen Wiener Tagblatt“ hatten der Chefredakteur Moritz Szeps und Rudolf (anonym) gemeinsam über Séancen bei Hellenbach berichtet. Dem kritischen Kronprinzen, der mehreren Darbietungen mit dem damals sehr berühmten Medium Harry Bastian beiwohnte, kamen die „Geister“ immer unglaubwürdiger vor. Am 21. Februar 1884 erschien die Zeitschrift „Das interessante Blatt“ mit dem Aufmacher, dass Rudolf das Medium als Betrüger entlarvt habe. Die Illustration zeigte, wie Bastian von Rudolf und Johann Salvator hinter einem Vorhang hervorgezogen wird. Von den beiden Habsburgern war eine „Geisterfalle“ konstruiert worden, indem sie die Flügeltür zwischen dem Publikum und dem Raum des Mediums mit einem Schnappmechanismus verschlossen hatten. Dadurch konnte das Medium beim Versuch, einen „Geist“ darzustellen, gefangen werden. Erzherzog Rainer, links vorne sitzend auf dem Zeitungsholzstich zu sehen, blickt als Zeuge des Geschehens verdutzt auf die Entlarvungsszene.

      Kaiserin Elisabeth wurde von dieser Glanzleistung ihres Sohnes bestimmt in Kenntnis gesetzt, doch blieb sie davon unberührt. Sie glaubte, ihr totes Idol Heinrich Heine diktiere ihr aus dem Jenseits ihre Gedichte, und zwei Jahre nach der Enttarnung des Mediums Bastian hoffte sie auf spiritistische Verbindung mit ihrem ertrunkenen Großcousin Ludwig II. von Bayern. Hätte sie zu seinen Lebzeiten öfter den Austausch mit Rudolf gesucht, wäre es vielleicht nicht notwendig geworden, nach seinem Selbstmord in der Kapuzinergruft verzweifelt nach ihm zu rufen.

      So gesehen wurden die spiritistischen Familientraditionen von Erzsi erfolgreich fortgeführt. Nach Schrenck-Notzings Tod sollte sie jedoch nie wieder über ihre diesbezüglichen Erfahrungen sprechen.

      Конец

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