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Technologie zu nutzen, einzusetzen, für jeden Einzelnen, für den Kampf gegen Corona, zum Eindämmen der zweiten Welle, aber auch fernab von Corona?

      Technologie verändert unser Leben. Das ist kein Geheimnis. Wir werden in Österreich den Siegeszug der Digitalisierung nicht aufhalten können – selbst wenn wir das aus unerfindlichen Gründen wollten. Wir haben nur die Wahl, sie zu nutzen oder sie zu bekämpfen. Aber dieser Kampf gegen eine der tiefgreifendsten Veränderungen und die Weiterentwicklung unserer Wirtschaft und Gesellschaft erinnern sehr an Don Quijote. Würde Österreich in all seiner Technologie-Feindlichkeit die Digitalisierung bekämpfen, wäre dies ebenso erfolgreich wie der Kampf des spanischen Ritters gegen die Windmühlen im 17. Jahrhundert. Aber wir wollen Österreich nicht zur neuzeitlichen Variante des „Ritters von der traurigen Gestalt“ machen, sondern wir wollen und wir können mit der Digitalisierung reüssieren, erfolgreich das nächste Kapitel der österreichischen Wirtschaftsgeschichte schreiben – mit der Digitalisierung zum Champion werden.

       KI IST DOCH NUR MATHEMATIK

      Jene Technologie, vor der die Österreicher gefühlt die größte Angst haben, ist künstliche Intelligenz (kurz KI). Das ist aus vielen Gründen faszinierend, denn künstliche Intelligenz ist nichts anderes als reine Mathematik, durch Computer „zum Leben“ erweckt. Denn mathematisch gesehen ist KI Klassifikation und Vorhersage. Die Magie von KI entsteht erst aus der Kombination von Daten plus Algorithmus plus Geschäftsrelevanz.

      Die genutzten Algorithmen sind jahrzehntealt. Die Geburtsstunde von KI liegt in den 1950er-Jahren. Also feiert die KI demnächst ihren Siebziger. Warum KI gerade jetzt gehypt wird? Wir haben erst heute die Technologie, die Datenverfügbarkeit und die Rechnerkapazitäten, diese umzusetzen und anzuwenden.

      KI ist aber neben Technologie und Hype ein Mythos geworden. Ein Mythos mit dem Nimbus des Jobkillers. KI hat etwas Bedrohliches in der öffentlichen Diskussion. Hollywood hat seinen Beitrag dazu geleistet. Die Schreckgespenster der KI sind die Halb-Mensch-halb-Maschine-Mutanten à la Terminator. Aber wie so oft hat die Hollywood-Fantasie wenig mit der Realität zu tun.

      Künstliche Intelligenz ist sicherlich die mächtigste Technologie, die heute verfügbar ist. Ihren Wert kann man in Zahlen messen und ihr Potenzial vorhersagen: Setzen wir KI klug ein, wird im Jahr 2035 unser Wirtschaftswachstum 3 Prozent betragen. Bliebe es beim bisherigen technologischen Niveau, läge das Wirtschaftswachstum nur bei 1,4 Prozent. Diese Rechnung zeigt eindrucksvoll die Macht und vor allem die Möglichkeiten von KI.

      Die Legende, dass KI der Jobkiller schlechthin sei, hält sich hartnäckig. Aber das Gegenteil ist der Fall: KI schafft Jobs, neue Jobs, interessantere Jobs. Künstliche Intelligenz wird sicher einen tiefgreifenden Wandel des Arbeitsmarktes bewirken – das steht außer Frage. Doch KI steht nicht für eine Verringerung von Arbeitsplätzen, sondern für eine Veränderung der Arbeitsinhalte. Projektbasierte und kreative Arbeiten nehmen zu, während man dem „Co-Arbeiter Maschine“ zeitgleich Routineaufgaben überträgt. KI automatisiert Aktivitäten, nicht Jobs. Entsprechend sieht eine Studie des Instituts für Höhere Studien lediglich 9 Prozent der Arbeitsplätze in Österreich durch Automatisierung in Gefahr. Zugleich können durch erfolgreiche Digitalisierung zahlreiche neue Arbeitsplätze entstehen. Dies war auch schon in der „guten alten Zeit“ so: Technologische Neuerungen haben Ressourcen freigesetzt. Die damit verbundenen Innovationen haben nicht in allen Branchen, aber in Summe stets zu mehr Arbeitsplätzen geführt.

      Auch wenn einzelne Berufsbilder verloren gehen, werden sie zum einen weiterentwickelt oder es entstehen neue. Dafür gibt es im Lauf der Jahrhunderte unzählige Beispiele vom Buchbinder über Sesselträger und Laternenträger, die für die Straßenbeleuchtung in der Stadt sorgten, bis hin zu den Wäschermädeln.

      Wir haben als Gesellschaft, als Unternehmen und als Individuen in diesem Wandel die Aufgabe, jene Skills zu entwickeln, die im KI-Zeitalter gebraucht werden, die eine Zusammenarbeit von Mensch und Maschine ermöglichen.

      Mit KI steigt die Produktivität der Beschäftigten in Österreich um 30 Prozent. Davon wird jeder Wirtschaftszweig profitieren. Manche Sektoren profitieren mehr als andere. Die Spitzenreiter sind die Industrie, der Handel und die Landwirtschaft. Dies hat besondere Relevanz, weil die Produktion und der Handel zwei Sektoren sind, die neben ihrem hohen KI-Potenzial einen bedeutenden Anteil an der gesamtösterreichischen Bruttowertschöpfung aufweisen.

      In der Produktion gibt es fünf Hebel der KI-Wertschöpfung:

      1 Intelligente Automation, die die traditionelle Automatisierungstechnik ersetzt und selbstlernend, autonom und proaktiv agiert.

      2 Verbessertes Urteilsvermögen, das durch Mustererkennung und Mensch-Maschine-Kollaboration entsteht. Denn KI erweitert die menschliche Intelligenz und ihre Stärken.

      3 Die erweiterte Interaktion: Mit KI erhält jeder das für sich passende Angebot. Bei Netflix bekommt man genau jene Filme vorgeschlagen, die einem gefallen. Und durch den Service-Chat benötigt man keine Bedienungsanleitung mehr.

      4 Intelligente Produkte: Smart Services differenzieren im Wettbewerb – mit datenbasierten und personalisierten Dienstleistungen.

      5 Verantwortungsvolle KI: Personalisierte und intelligente Produkte erhöhen das Vertrauen der Nutzer in das Produkt und den Hersteller. Die Ethik spielt darin eine wichtige und neue Rolle.

      Sich als Manager, als Mensch, als Mitarbeiter vor künstlicher Intelligenz zu fürchten ist, wie sich als Fußballer vor dem Elfmeter zu fürchten. Ja, man muss den Ball erst mal versenken, aber der Elfmeter bietet noch immer die größte Chance, das Tor zu schießen, den Punkt zu machen, das Spiel zu gewinnen und Champion zu werden – im Fußball wie in der Digitalisierung.

       DER SIEGESZUG DER PLATTFORMWIRTSCHAFT

      Amazon feierte bereits seinen 25. Geburtstag – dennoch ist Amazon das Synonym für die neue Disruption des Handels. Die jungen Wilden, die den alten Arrivierten zeigen, wie es geht. Die ihnen die Kunden abspenstig machen, die Gesetze im Handel neu schreiben. Auch wenn wir alle seit gut 15 oder gar fast 20 Jahren bei Amazon einkaufen, war der Corona-Lockdown von lautem und unwirschem Amazon-Bashing begleitet. Wenn der Postler den braunen Karton mit dem Amazon-Smiley vorbeibrachte, musste man ihn rasch verstohlen zur Seite räumen und hoffen, dass es der Nachbar nicht gesehen hatte. Wer bei Amazon kauft, gilt als Verräter, er schädigt die heimische Wirtschaft, vielfach ertönt der Ruf, Amazon zu boykottieren. Nur das hat wenig Sinn, denn der Erfolg gibt ihnen schlicht recht. Amazon zu bekämpfen hat so viel Sinn wie gegen die Gezeiten oder die Erdanziehungskraft zu kämpfen, dafür ist die Akzeptanz bei den Kunden einfach zu groß.

      Amazon ist keine virtuelle Shoppingmall, Amazon ist kein klassisches Geschäft, in dem ich gustiere und mir verschiedenste Dinge ansehe, überlege, in den Warenkorb lege und vielleicht jetzt oder doch beim nächsten Mal oder zu irgendeinem Anlass auf „buy“ clicke. Man geht auf Amazon mit der absoluten Kaufabsicht. Ich möchte das Buch, ich brauche den Wasserkocher. Ich suche ein Geschenk für meinen Neffen. Ich kaufe – mit 1-Click-Buy – und bekomme es im Prime-Programm am nächsten Tag geliefert. Amazon ist kein Shopping-Erlebnis, Amazon ist ein Besorgungsdienstleister – manchmal mehr Concierge oder Personal Assistant als Geschäft. Das macht Amazon so erfolgreich und Jeff Bezos so reich.

      Amazon ist das Maß aller Dinge punkto Angebot, Customer Experience und Qualität der Dienstleistung. Amazon definiert Online-Shopping. Denn Amazon hat die Plattformwirtschaft nicht nur verstanden, sondern miterschaffen. Sie haben sich diese singuläre Stellung hart erarbeitet, die jetzt so gern kritisiert wird. Und wie alle großen Trends, Erfolgskonzepte und Ideen werden wir in Österreich mit Amazon-Bashing diese Entwicklung nicht aufhalten. Was wir tun können, um die vorherrschende Marktposition einzudämmen und ein größeres Stück vom süßen Kuchen Online-Handel mitnaschen zu können? Das Erfolgskonzept kopieren, weiterentwickeln, etwas Österreichisches daraus machen!

      Amazon zählt neben Apple, Microsoft, Google und Alibaba zu den umsatzstärksten Unternehmen der Welt. Sie alle sind Plattformunternehmen. Österreichische Unternehmen

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