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und hilfreich sind. Weise ist auch, Dinge zu lassen, die einem selbst das Leben vermiesen und vom ins Auge gefassten Ziel abbringen würden. Wie aber kann man weises Handeln lernen, ohne jeden Fehler selbst zu machen und ohne erst achtzig Jahre alt werden zu müssen? Das ist eine Frage, die Menschen anscheinend schon zu allen Zeiten bewegt hat.

       Weisheit eines pharaonischen Beamten

      Achille Constant Théodore Émile Prisse d'Avesnes – toller Name, aber merken kann man ihn sich nicht. Jedenfalls war er ein berühmter französischer Ägyptologe und lebte von 1807 bis 1879. Irgendwann kaufte er in der ägyptischen Gräberstadt (Fachleute nennen sie »Nekropole«) Theben einen Papyrus, dessen Verfasser ein anderer Mann mit schwer zu merkendem Namen war: Ptahhotep. Soweit man heute weiß, lebte Ptahhotep um 2000 v. Chr. und war ein Tjati, das heißt ein hoher Regierungsbeamter, eigentlich der zweite Mann nach dem Pharao. Was wahrscheinlich bedeutet, dass er die ganze Arbeit machte, während der Pharao einfach nur gut aussah. Heute nennt man diese Schrift Ptahhoteps das älteste Weisheitsbuch der Welt.

      Ptahhotep schrieb irgendwann einige Lehren auf, die er aus seinem Leben gezogen hatte. Diese 37 Regeln oder Prinzipien bilden den ältesten Weisheitstext, den wir kennen. Ptahhotep ging es nicht darum, genau zu definieren, was Weisheit ist. Er beschrieb einfach die Handlungen, die er für weise hielt, und die, die er für dumm hielt.

      Hier ein paar Beispiele, ich habe mir allerdings die Freiheit genommen, die Texte ein klein wenig lesbarer zu gestalten:

       § 1 Niemand ist vollkommen. Deshalb sollte man nicht stolz auf seine Bildung sein, sondern sich mit Gebildeten und mit Ungebildeten beraten.

       § 18 Wenn du willst, dass eine Freundschaft Bestand hat, dann lass die Frau des Freundes aus dem Spiel.

       § 20 Sei nicht habgierig und verlange nicht mehr als deinen Anteil. Sei nicht habgierig (geizig) gegen deine Mitmenschen. Man hat mehr Respekt vor dem Freundlichen als vor dem Strengen.

       § 25 Wenn du Macht hast, verschaffe dir Respekt durch Bildung und durch Zurückhaltung beim Reden.

      In Ptahhoteps Aufzeichnungen wird deutlich, wie wenig sich das, was Menschen vor 4000 Jahren weise fanden, sich von dem unterscheidet, was wir heute für weise halten.

      Selbst Behördengänge sahen vor mehr als 4000 Jahren schon ähnlich aus wie heute, davon spricht § 13:

       Wenn Du aufs Amt gehst, verhalte dich deiner Stellung entsprechend und benimm dich!

       Der, der angemeldet ist, wird beachtet, und der, der einen Termin beim Amt hat, kommt auch dran.

       Auf dem Amt hat alles seine Ordnung und alles geht nach Vorschrift.

      

Natürlich kann man davon ausgehen, dass es Weisheit nicht erst seit den Tagen gibt, als man sie aufgeschrieben hat. Wenn von »der ältesten« oder sogar »der ersten« Weisheitsliteratur die Rede ist, bedeutet das natürlich nur, dass das die älteste oder erste Literatur ist, die wir kennen. Die Weisheit an sich gibt es aber wohl schon so lange, wie Menschen anderen Menschen etwas über das Leben beibringen. Also irgendwie schon immer.

      Nicht umsonst gibt es viele Bücher, die Weisheitssprüche sammeln, seien es »Weisheiten der Indianer«, »Weisheiten aus der Wüste« oder Großmutters Weisheiten. Weisheitssprüche sind leicht zugänglich, auch jahrhundertealte Sprüche sind für uns oft gleich nachvollziehbar. Ein wenig schwieriger wird es, wenn »Anleitungen« für ein gutes Leben in Geschichten verpackt werden.

       Griechische Mythologie: Geschichten für heute

      Wahrscheinlich hat jeder Mensch seinen schwachen Punkt, seine Achillesferse. Und wenn es nur der Neid auf den Nachbarn ist, der anscheinend reich ist wie Krösus. Außerdem sieht er aus wie Adonis. Na, mit unseren Argusaugen werden wir schon sehen, wenn er sich einmal etwas zuschulden kommen lässt! Schon diese wenigen Beispiele zeigen, wie sehr die Mythen und Sagen der alten Griechen noch immer gegenwärtig sind. Sie werden nach wie vor gelesen und in Filmen, Romanen und Nachdichtungen verarbeitet. Wenn sich aber Geschichten so lange halten und nicht vergessen werden, dann treffen sie wohl irgendwo einen Nerv, der Menschen zu verschiedenen Zeiten immer wieder anspricht.

      Dabei können sich die gleichen Mythen auch hier und da voneinander unterscheiden, denn jeder Mythos wird zu verschiedenen Zeiten wieder neu und anders verstanden und erklärt. So gibt es in Wolfgang Petersens Film »Troja« (2004) keine Götter und auch Achilles ist kein Halbgott, sondern einfach nur ein guter Krieger. Andere neuere Verfilmungen betonen gerade die Götter und Monster: Es bietet sich eben an, sie durch Computer zum Leben zu erwecken, und natürlich wird da oft die Geschichte dem Schaueffekt geopfert.

      Lexikon der Dummheit: Trojas Untergang

      Ein zentrales Ereignis der griechischen Mythologie ist der Trojanische Krieg. Die Kurzfassung: Paris, der Sohn der trojanischen Königs Priamos, entführte Helena, die Frau des spartanischen Königs Menelaos. Die Griechen, die sich ansonsten auch untereinander ständig bekriegten, machten sich auf nach Troja, um diese Schande zu rächen. Aber Troja war nicht einzunehmen, die Griechen lagen zehn Jahre vor Troja. Dann hatte Odysseus eine Idee: Die Griechen bauten ein großes hölzernes Pferd, versteckten darin ein paar Soldaten, ließen das hölzerne Pferd am Strand stehen und zogen mit ihren Schiffen ab (also zumindest außer Sichtweite der Trojaner). Damit die Trojaner nicht so ganz »ratlos« blieben, ließen die Griechen einen Krieger namens Sinon zurück, der das Pferd als Geschenk für die Götter mit der Bitte um eine glückliche Heimfahrt erklärte. Und die Griechen hätten es so groß gebaut, damit die Trojaner es nicht in die Stadt ziehen könnten. Warnrufe wurden laut: Laokoon, ein Priester, warnte die Trojaner und ebenso die Seherin Kassandra (die leider dazu verflucht war, dass ihr niemals jemand glauben sollte). Letztlich entschlossen sich die Trojaner also, das Pferd als Siegestrophäe in die Stadt zu ziehen – wofür sie auch noch eine Bresche in die unüberwindbare Mauer schlagen mussten. Dann feierten die Trojaner ihren Sieg und als sie betrunken schliefen, öffnete Sinon die Luke des Pferdes, die Griechen kamen heraus und öffneten das Stadttor für das Heer. Troja ging in Feuer und Mordlust unter.

      Die Griechen zogen nach zehn Jahren Rachedurst einfach so ab? Und ließen sozusagen auch noch ein Geschenk da? Das so groß war, damit man es nicht in die Stadt ziehen kann? Also das war vielleicht schon damals ein alter Trick. Dann reißt man dafür eben die unüberwindbare Mauer ein! Klar wird: Dummheiten können Menschen auch als Gruppe begehen. Man kann sich einig werden darüber, vor dem Offensichtlichen die Augen zu verschließen und Warnungen zu überhören. Einfach, weil einem das Gegenteil davon lieber ist. Die richtige Lösung stand bei den Trojanern die ganze Zeit zur Debatte – das Pferd zu zerstören. Wissen, was Unglück bringt, und es trotzdem tun: Nicht sehr weise, aber unter Menschen bis heute durchaus üblich.

      Mehr dazu, wie sich die Weisheit in alten Geschichten finden lässt, erfahren Sie in Kapitel 7. Aber vorher soll es noch darum gehen, wie sich Religion und Weisheit zueinander verhalten.

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