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berücksichtigt werden, dass die Kategorie Geschlecht lediglich auf vermeintlich biologisch begründbarer Existenz beruht und deshalb über keinerlei rechtliche Definition verfügt (vgl. Adamietz 2012: 2). In verschiedenen Dokumenten wird die Angabe des Geschlechts verlangt, es gibt jedoch keine rechtliche Definition, was Geschlecht genau ist, wie Geschlecht definiert wird und welche Person weshalb welche Geschlechtszugehörigkeit besitzt (vgl. ebd.). Sowohl in der Geburtsurkunde, im Geburtenregister wie auch im Reisepass wird das Geschlecht aufgeführt (ebd.), jedoch besteht kein gesetzlicher Artikel, der zunächst darlegt, wie die Bestimmung des Geschlechts erfolgt. Die Zuweisung des Geschlechts wird also der Medizin überlassen und es erfolgt keinerlei weitere Definition abseits einer binär biologistischen Einteilung. Faktisch ist die Kategorie Geschlecht jedoch in verschiedenen Dokumenten und ebenso im Alltag stets gegenwärtig. Das führt zu der Annahme, dass sich die Definition von Geschlecht einzig auf die medizinischen Bestimmungen einer scheinbar eindeutigen Zweigeschlechtlichkeit stützt. Eine Zweigeschlechtlichkeit, die aufgrund anatomischer Gegebenheiten zugewiesen wird. Diesbezüglich heißt es bei Güldenring:

       „Das Geschlecht eines Menschen wird in den meisten Kulturen unmittelbar nach der Geburt durch medizinische Expert_innen wie Hebammen oder Geburtshelfer_innen bestimmt. Penis oder Vulva beeinflussen als körperliche Geschlechtsmerkmale für männlich oder weiblich maßgeblich die Zuweisung des Geschlechts.“ (Güldenring 2015: 31).

      Darüber hinaus beschreibt Güldenring, dass mit diesem zugewiesenen Geschlecht, kulturabhängig, eine Vielzahl von stereotypen Vorstellungen über Verhaltensweisen entsprechend der gedachten Geschlechtsrolle verbunden werden (vgl. ebd.). Ergänzend möchte ich auf Serano verweisen, die kritisch ausführt, dass allein die Existenz eines rechtlichen Geschlechts die Problematik einer geschlechtlichen Eindeutigkeit aufzeigt (vgl. Serano 2007: 24). Die rechtliche Einteilung in zwei Geschlechter verdeutliche, dass Zweigeschlechtlichkeit hierdurch erschaffen werde und nicht naturgegeben existiere. Neugeborene, die intersex /inter/intergeschlechtlich sind, fallen oftmals durch körperliche Normierung aus dieser Einteilung heraus. Die internationale Vereinigung intergeschlechtlicher Menschen (IVIM 2012) übt diesbezüglich scharfe Kritik an der grundsätzlichen geschlechtlichen Zuweisung von Kindern (vgl. IVIM 2013). Darüber hinaus kritisiert die IVIM die fortwährenden Operationen zur Herstellung geschlechtlicher Eindeutigkeit bei Neugeborenen (ebd.). An dieser Stelle möchte ich eine Kritik äußern und einen Perspektivwechsel auf die Kategorie Geschlecht ermöglichen. Geschlecht ist eine Ordnungskategorie, um Menschen aufgrund von Annahmen, die mit körperlichen Aspekten verknüpft werden, geschlechtlich in produktive und reproduktive Ebenen (Arbeitsteilung) einzuordnen (Bourdieu 2012: 22). Auch Foucault beschrieb dies gleichermaßen und ergänzte mit den Begriffen „Bio-Politik“, beziehungsweise „Bio-Macht“ (Foucault 1981/ 1985), da diese produktive und reproduktiven Ebenen im Prinzip eine staatlich organisierte Fortpflanzungs- oder Fruchtbarkeitspolitik bedeuten. Annahmen deshalb, weil zum Beispiel von einem vermuteten Organstatus fälschlicherweise auf ein bestimmtes Geschlecht geschlossen wird. Im umgekehrten Fall geschieht diese Zuweisung ebenso. Jedoch ebenso fälschlicherweise. Allein der Begriff „Geschlechtsmerkmale“ verdeutlicht das Verständnis von Geschlecht sehr gut. Dieser offenbart, dass Geschlecht kaum mit Selbstbestimmung, sondern stets mit der Begutachtung von Körpern und einer geschlechtlichen Zuweisung durch Dritte verknüpft wurde und wird. Letztendlich wird das gesamte geschlechtliche Verständnis immer wieder auf die möglichen Formen von Fortpflanzung heruntergebrochen.

       Geschlechtliche Sozialisation

      Im Verlauf des Buches werde ich häufiger den Begriff von „weiblicher /männlicher Sozialisation“ verwenden, oder eher darstellen. Sozialisation soll die Fülle an Prägungen im Laufe unseres Aufwachsens und Lebens beschreiben. Es gibt verschiedenste Formen davon, wie und in welchen Bereichen Menschen sozialisiert werden, zum Beispiel politisch. Als einer der stärksten und tiefgreifendsten Bereiche gilt die Zuordnung in ein bestimmtes Geschlecht (Küppers 2012). Deshalb wird der Begriff der Sozialisation besonders in Feminismen häufig aufgegriffen und anhand dessen Diskriminierungsmechanismen, erlebte und ausgeübte Gewalt und vergeschlechtlichte Verhaltensweisen erklärt. Mit dem Begriff der geschlechtlichen Sozialisation sollen Erfahrungen und Erlebnisse als etwas Strukturelles und Gesellschaftsweites dargestellt werden. Etwas, das Allgemeingültigkeit besäße. So weit, so okay. Problematisch wird es, wenn anhand bestimmter Prägungen Ausschlüsse formuliert werden. Wenn trans Frauen also zum Beispiel anhand ihrer – unterstellten – Erlebnisse abgesprochen wird, „überhaupt zu wissen“ wie es sei als Frau im Patriarchat behandelt zu werden. Beispiele folgen hierzu im Kapitel ‚Was bitte ist Terf?‘“.

       Was ist geschlechtlicher Biologismus?

      Es gibt verschiedene Möglichkeiten, geschlechtliche Aspekte mit Biologismus zu verknüpfen, also bestimmte Schlüsse zu ziehen und daraus Aussagen zu formulieren. Beispielsweise werden vermeintlich geschlechtliche Verhaltensweisen und Stereotype naturalisiert. Ihnen wird also ein Status von Normalität unterstellt, der sich von einem bestimmten Geschlecht ableitet. Derartige Vergeschlechtlichungen von Verhaltensweisen werden weitestgehend auch von cis Feminismen zu Recht auf schärfste kritisiert. Aus solchen Stereotypen heraus werden bestehende Sexismen als gerechtfertigt dargestellt, da sie mit „biologischen Tatsachen“ *räusper* verbunden werden. Ein banales Beispiel wäre, dass Frauen aufgrund von vermeintlich geringeren Konzentrationen an Testosteron im Körper ein weniger ausgeprägtes Selbstbewusstsein und geringere Durchsetzungsfähigkeiten hätten. Eine derartige Argumentation würde wohl in der überwiegenden Zahl von Feminismen umgehend kritisiert werden. Der tatsächlich zugrunde liegende zweigeschlechtliche Biologismus, der argumentiert, Geschlechter von Körpern ablesen zu können, bleibt hierbei jedoch meist unangetastet. Verhaltensweisen zu biologisieren, beziehungsweise als natürlich zu erklären, ist weitestgehend verworfen und gilt als sexistisches Mittel der Einordnung von Menschen. Geschlechtlicher Binarismus, Gleichsetzung von Organen, Hormonen und Chromosomen mit Geschlechtern, wird dennoch weiterhin als Standard aufgefasst.

      Damit komme ich auch zum Kernstück des geschlechtlichen Biologismus: Dem Schluss vom Körper auf das Geschlecht und davon wiederum auf bestimmte Verhaltensweisen.

      Dass diese Ansichten allerdings unweigerlich Diskriminierung und Ausschlüsse mit sich bringen, wird zu oft ignoriert, vorsätzlich verfolgt oder auch für das eigene Empowerment in Kauf genommen. Selbst wenn dabei Mehrfachmarginalisierte unsichtbar gemacht werden. Deshalb möchte ich dazu auffordern, die bestehenden Biologismen bei sich selbst und in der Öffentlichkeit zu erkennen und zu kritisieren. Ich möchte den Anstoß dazu geben, den Schluss vom Körper auf das Geschlecht in allen möglichen Facetten zu unterlassen.

      Statt also von bestimmten Organen auf ein Geschlecht zu schließen, kann jedes Körperteil und jedes vergeschlechtlichte Organ jedem Geschlecht zugehörig sein. Eine Frau kann ausgeprägte Brüste und einen Penis haben. Sie kann diese Organe haben und sie für sich völlig anders bezeichnen, weil bestehende vergeschlechtlichte Begriffe bei der Person teilweise schwere Dysphorie auslösen können. Ich möchte hier nicht jede mögliche Konstellation einzeln ausführen. Der Punkt ist, dass die Vergeschlechtlichung von Körpern und welche Schäden dies bei Menschen anrichten kann, in unseren Köpfen überdacht werden soll.

      Um es abzukürzen:

      Falsch: „Ah, dieser Körper weist diese und jene Organe auf, muss also weiblich sein.“

      Richtig: „Diese Person teilte mir mit, dass they eine Frau ist. Their Körper ist also der einer Frau.“

      Richtig +: „Ich schließe nicht von der Erscheinung von Personen auf deren Geschlecht und erwarte/verlange auch keinerlei Auskunft darüber von einer Person.“

      Ganz nebenbei: Das Geschlecht einer Person zu vermuten und falsch zu liegen, ist eine Sache. Personen ein Geschlecht zuzuweisen und deren Willen nicht zu respektieren, ist Gewalt. Es läuft der geschlechtlichen Selbstbestimmung einer Person zuwider, wenn versucht wird, eigene diskriminierende Einstellungen und Überzeugungen als wichtiger zu betrachten. Glaubt mir, Transfeindlichkeit ist nicht kreativ und auch nicht edgy, sie reproduziert nur das bestehende binäre

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