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ihnen berichtet hatten, wurden für diese Posten zurzeit nur noch Waräger genommen – Angehörige der aus Nordmännern bestehenden Leibgarde des Kaisers. Niemandem sonst schien man noch zu trauen. Auch wenn zurzeit ein brüchiger Frieden herrschte, so fürchtete man sich hinter den mächtigen Mauern des zweiten Roms doch ständig vor den Angriffen der Bulgaren – und davor, dass Wächter bestochen wurden und feindliche Kämpfer ins Innere der Stadt drangen und vielleicht einen Brand legten. Obwohl die Stadt so gut wie ausschließlich aus Steinhäusern errichtet war, gehörte ein Feuer zu den wenigen Dingen, die ihren Bewohnern wirklich gefährlich werden konnten.

      Der andere Feind, gegen den die Mauern nichts ausrichten vermochten, waren die Seuchen, die die Stadt des Konstantin immer wieder heimsuchten. Diese Seuchen kamen mit den Schiffen und da es wohl an keinem Ort der Welt mehr Schiffe gab als hier, war es nicht weiter verwunderlich, dass sich an diesem Ort nicht nur die Waren und Güter, sondern auch die Krankheiten der ganze Welt sammelten.

      Daher hatte sich Fra Branaguorno eingehend bei den Händlern, die sie unterwegs getroffen hatten erkundigt, ob derzeit eine Epidemie in der Stadt ausgebrochen sei.

      Für diesen Fall hätte der Mönch vorgeschlagen, in einer der kleineren Ortschaften des thracischen Umlandes abzuwarten, wie sich die Dinge entwickelten.

      „Von diesen Schrecknissen habe ich nie etwas gehört!“, hatte Arnulf gestanden.

      Und in Fra Branaguornos Gesicht war daraufhin ein verhaltenes, weises Lächeln erschienen. „Alle möglichen Nachrichten und Erzählungen machen sich von einem Ort wie diesem in alle Himmelsrichtungen auf den Weg. Erzählungen von goldenen Kuppeln und Schiffen, die griechisches Feuer speien. Geschichten von den Ratten in den engen Gasse und dem Gestank des Todes, der sich ausbreitet, wenn die Seuchen kommen... Aber offenbar haben es letztere nicht bis nach Magdeburg geschafft!“

      „Wann wart Ihr das letzte Mal in der großen Stadt?“, fragte Arnulf.

      „Oh, das ist schon einige Jahre her. Eigentlich hätte ich Bischof Bernward von Würzburg begleiten sollen, als er zur Brautwerbung von Kaiser Otto aufbrach... Aber man brauchte, wie so oft, meine Dienste dringend anderweitig...“

      „Wie üblich!“ meinte Arnulf.

      ––––––––

      Wenig später erreichten sie das Xylokerkos-Tor.

      Die Wächter waren Normannen. Sie sprachen ein Griechisch, das in den Ohren von Männern wie Branaguorno barbarisch klingen musste.

      „Wer seid Ihr und was wollt Ihr in der Stadt?“, fragte der Offizier – ein baumlanger Waräger mit blauen Augen und blonden, zu Zöpfen geflochtenen Haaren, die unter seinem Helm hervorquollen.

      „Wir besitzen ein Empfehlungsschreiben, um bei Johannes Philagathos vorgelassen zu werden, der zurzeit am Hof von Kaiser Basileios weilt...“

      „Die halbe Stadt heißt Johannes“, meinte der Waräger. „Von dem Euren habe ich nichts gehört. Zeigt mir einfach Euer Dokument, dann sehen wir weiter.“

      Fra Branaguorno holte den Brief hervor und reichte ihn dem Offizier. Der blonde Hüne faltete ihn auseinander und blickte mit gerunzelter Stirn auf die Reihen von Buchstaben. „Das ist Latein, kein Griechisch“, stellte er fest.

      „Bei allen Heiligen, dies muss wahrhaftig eine Stadt der Wunder sein, wenn hier sogar die Nordmänner lesen können!“, entfuhr es Gero erstaunt.

      Der Waräger hatte das gehört. „Saxland?“ fragte er.

      „Ja, daher kommen wir“, bestätigte Arnulf, obwohl Branaguorno ihm zuvor eigentlich eingeschärft hatte, sämtliche Verhandlungen am Tor seinem Griechisch sprechenden Begleiter zu überlassen. Schon deshalb, weil Branaguorno nicht zum ersten Mal in der Stadt des Konstantin weilte und sich auskannte, wie man mit den Wachoffizieren umgehen musste. Im Notfall hätte er sogar gewusst, wen man bestechen musste, um zu bekommen, was man wollte.

      Allerdings hatten sich die Verhältnisse offenbar seit seinem letzten Aufenthalt doch in einigen Punkten geändert. Schon das, was die Händler, denen sie auf ihrem Weg durch Thracien begegnet waren, ihnen erzählt hatten, war für Fra Branaguornos Ohren sehr erstaunlich gewesen. Die Waräger-Garde des Kaisers hatte es zwar auch vor Jahren schon gegeben - aber die Krieger aus dem rauen Norden hatten Wichtigeres zu tun gehabt, als Tore zu bewachen. Dass der Kaiser schon die Elite der Soldaten mit so profanen Aufgaben betrauen musste, war ein Zeichen dafür, wie unsicher man sich trotz der gewaltigen Mauern fühlte, die sich vom Marmara-Meer bis zu einer Bucht mit dem Namen „Goldenes Horn“ zogen und damit die auf einer dazwischenliegenden Halbinsel liegende Stadt vollkommen abschloss.

      Der Waräger-Offizier musterte noch einmal Branaguorno von oben bis unten, dann wandte er sich zunächst Arnulf und dann Gero zu. „Saxland!“, sagte er noch einmal, diesmal wie eine Feststellung.

      Unter den Nordmännern war Saxland ein Sammelbegriff, der nicht nur das Land der Sachsen zwischen Elbe und Ems, sondern alle Herzogtümer des Regnum Teutonicorum. Manchmal bezeichneten die Nordmänner aber auch das gesamte Reich Kaiser Ottos so und schlossen nicht nur die Länder zwischen Alpen und Nordsee, sondern auch Italien und Burgund ein. Warum auch nicht? Da die Sachsen den deutschen König und den römischen Kaiser stellten, waren sie offensichtlich unter allen Völkern des Reiches dasjenige, welches die Vorherrschaft hatte.

      „Wir kommen mit einer schriftlichen Botschaft von Kaiser Otto“, sagte Arnulf. Die Sprache der Sachsen war von jener der Nordmänner nicht so verschieden, dass man sich nicht hätte verständigen können, wenn man sich Mühe gab und nicht zu schnell sprach. Manchmal, so hatte Arnulf schon des Öfteren gedacht, war es für einen Sachsen schwieriger, einen Schwaben oder Baiern zu verstehen, als einen Dänen.

      „Mir reicht es schon, dass Ihr keine Bulgaren seid“, meinte der Waräger. „Ich bin Thorstein aus Birka und diente früher dem König von Orkney, bevor ich mich von den Kiewer Rus anwerben ließ und schließlich hier, in der goldenen Stadt mein Glück gemacht habe.“

      „Es ist mir eine Freude, Euch kennen zu lernen, Thorstein aus Birka!“

      „Ganz meinerseits.“ Er lachte. „In Britannien habe ich gegen Euch Sachsen gekämpft und bin immer siegreich gewesen.“

      „Nun, hier braucht Ihr Euch nicht davor zu fürchten, dass ich gekommen wäre, um das zu rächen.“

      „Da bin ich aber froh!“, meinte Thorstein ironisch und seine Männer konnten ein Lachen nicht verkneifen. Der Offizier wandte sich dann an Gero. „Du bist der Knappe dieses edlen Ritters?“

      „So ist es“, nicke Gero, sichtlich verlegen.

      „Ich weiß nicht, was man dir über uns aus dem Norden erzählt hat, aber dass du der Ansicht bist, unsereins könnte nicht dazu taugen, Lesen zu lernen, ist schon fast ein Grund, dich herauszufordern!“

      Die anderen Waräger lachten – und Fra Branaguorno schien sehr erleichtert darüber zu sein, dass Thorsteins Worte offenbar als Scherz gemeint waren.

      Thorstein und seine Männer ließen sie passieren – allerdings erst, nachdem sie sich genauestens hatten zeigen lassen, welche Waffen die drei Männer mit sich führten. In Fra Branaguornos Fall waren das ohnehin nur die Waffen des Geistes – und was Arnulf und Gero betraf, so hatte niemand etwas dagegen, dass sie ihre Schwerter mit sich führten. Wohl aber suchten die Krieger der kaiserlichen Leibgarde nach brennbaren Stoffen, besonderen Ölen oder dergleichen, die vielleicht darauf schließen ließen, dass hier jemand beabsichtigte, einen Brand zu legen und der Stadt zu schaden.

      Wer so etwas in die Stadt einführte, brauchte dazu eine besondere Genehmigung.

      Schließlich wurde es Arnulf und seinen Begleitern gestattet, das Tor zu durchreiten.

      Etwa mehr als zehn Schritte eines

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